Bischof Walter Mixa:"Ich brauche deine Liebe"

Drei Dutzend Seiten schwerste Vorwürfe: Der zurückgetretene Bischof Walter Mixa soll ungebührliche Nähe zu jungen Männern gesucht haben. Vor allem ein Dialog, der in dem Dossier festgehalten ist, belastet ihn schwer.

Matthias Drobinski und Stefan Mayr

Die Büroräume des Augsburger Bischofspalais am Hohen Weg 18 werden bereits ausgeräumt, auf dem Boden stehen Kartons. In der Wohnung gegenüber gibt es keine Hinweise auf einen bevorstehenden Umzug - noch keine. Hier hat sich der zurückgetretene Bischof Walter Mixa einquartiert. Vor einer Woche ist er wieder eingezogen, obwohl er bereits seit fünf Wochen vom Amt entpflichtet ist.

'Focus': Papst veranlasste Druck auf Bischof Mixa

Eine bislang geheime Papst-Akte belastet Walter Mixa schwer.

(Foto: ag.ddp)

Die freundliche Frau an der Pforte sagt, sie wisse nicht, wo Mixa ist und wann er wieder kommt. Der 69-jährige Bischof ist abgetaucht seit seinem Welt-Interview vom vergangenen Mittwoch, das er zum verbalen Rundumschlag gegen die Bischöfe Robert Zollitsch, Reinhard Marx und Anton Losinger nutzte: Sie hätten ihn verraten, gemobbt, zum Rücktritt gedrängt, beim Papst mit einem Missbrauchsverdacht angeschwärzt, der sich als haltlos erwiesen habe.

Von Tag zu Tag aber wird deutlicher, dass Mixas Vorwärtsverteidigung mehr ein Akt der Verzweiflung war als ein erfolgversprechender Angriff auf die Brüder im Bischofsamt. Schon die Interview-Aussagen des Ex-Bischofs enthalten einige Ungereimtheiten - so klagt Mixa, dass ihm niemand eine "Auszeit" statt eines Rücktritts angeboten habe. Genau das aber hatten die Vorsitzenden der Deutschen und der Bayerischen Bischofskonferenz, die Erzbischöfe Zollitsch und Marx, getan.

Schwerwiegende Vorwürfe

Vor allem aber liegt dem Vatikan ein Dossier zur Causa Mixa vor, das auf ungefähr drei Dutzend Seiten schwerwiegende Vorwürfe gegen den Bischof enthält. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ging es am 27.April an Nuntius Jean-Claude Périsset, den päpstlichen Botschafter in Berlin, und von dort an den Vatikan.

Zwei Tage später reisten die Erzbischöfe Zollitsch und Marx nach Rom, um dort mit dem Papst über die Umstände von Mixas Rücktrittsgesuch zu reden; am Morgen vor der Abreise hatte sie jener Missbrauchs-Verdacht erreicht, bei dem das angebliche Opfer später dementieren sollte, dass der Bischof ihm gegenüber übergriffig geworden sei. Nicht dieser Missbrauchsvorwurf, sondern der Inhalt des Dossiers soll den Papst dazu gebracht haben, dem Rücktrittsgesuch Mixas zuzustimmen.

Nach SZ-Informationen finden sich in der Akte Aussagen von engen Mitarbeitern und Bekannten über Alkoholprobleme Mixas und darüber, dass er in mindestens zwei öffentlich noch nicht bekannten Fällen die Distanz zu jungen Männern, die von ihm abhängig gewesen seien, nicht in der Weise gehalten haben soll, wie es die Kirche von ihren Bischöfen erwartet.

Ein Mitarbeiter berichtet in dem Dossier, dass der Bischof über den Tag verteilt regelmäßig Wein und Hochprozentiges getrunken haben soll; der Zeuge vermutet, dass der Bischof ein "Spiegeltrinker" sei. Auch sei er manchmal in seinen Urteilen und Wahrnehmungen beeinträchtigt gewesen. Ebenso finden sich Aussagen über eine angeblich zunehmende Selbstbezogenheit Mixas.

Brisanter Dialog

Brisant ist vor allem ein wiedergegebener Dialog aus einem Urlaub des Bischofs, unter anderem mit einem jungen Priester. Das Gespräch soll so verlaufen sein:

Mixa: "Bleib hier, ich brauche deine Liebe."

Priester: "Ich bin doch nicht schwul."

Mixa: "Ich doch auch nicht."

Priester: "Und was war gestern Abend?"

Daraufhin habe der Bischof geantwortet, dies sei im Überschwang der Gefühle geschehen. Er, Mixa, habe es gebeichtet. Den ganzen Urlaub über soll es immer wieder Streit gegeben haben, weil der Mann sich von Mixa bedrängt fühlte.

Die Zeugenaussage stammt nicht von dem jungen Mann selber, sondern von Augen- und Ohrenzeugen aus den 90er-Jahren. Sie wurde aber offenbar von der Bischofskonferenz und der Augsburger Interims-Leitung als so glaubwürdig eingeschätzt, dass sie in die für den Papst bestimmte Akte kam.

In den beiden Fällen, in denen es angeblich um körperliche Annäherungen geht, sollen die Männer volljährig gewesen sein. Es würde sich also - rechtlich gesehen - nicht um einen Missbrauch Minderjähriger handeln. Der deutschen Delegation, die zum Papst reiste, dienten aber offenbar solche Fälle als Beleg für die Vermutung, dass Mixa immer wieder, vor allem aber in seiner Zeit in Eichstätt, den Kontakt zu jungen Männern gesucht haben soll, die er mochte und mit denen er ungleichgewichtige Beziehungen aufgebaut habe.

Juristisch dürfte dies unangreifbar sein. Doch mit der katholischen Moral, die Mixa im Namen seiner Kirche auch öffentlich vertrat, wäre solches Verhalten nicht vereinbar.

Kircheninterne Ermittler, katholische Priester, Menschen aus Mixas eigenem Umfeld werfen dem Bischof mittlerweile vor, ein Problem zu haben mit Nähe und Distanz zu Männern, mit der Kontrolle über seinen Alkoholkonsum, mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit, die Prügelvorwürfe aus der Schrobenhauser Zeit eingeschlossen. Damit stellt der Bischof für den Vatikan ein dramatisches Problem dar - gerade in einer Zeit, in der Papst und Bischöfe darum kämpfen, durch die Missbrauchsskandale verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen.

"Die Spaltung wird immer schlimmer"

Es war wohl dieser Gesamteindruck, der Papst Benedikt XVI. dazu bewog, Mixas Rücktrittsgesuch anzunehmen - der Vorwurf des Missbrauchs eines minderjährigen Jungen aus dem Kreis junger Männer um Mixa spielte da anscheinend nur eine untergeordnete Rolle. Zu diesem Gesamteindruck gehört auch das ständige Schwanken Mixas zwischen Rücktritt und Rücktritt vom Rücktritt. Kurz bevor der Papst bekanntgab, dass er Mixas Gesuch annehme, wollte der wieder einmal in sein Amt zurück, das entsprechende Schreiben habe er bereits formuliert gehabt, heißt es.

Auf Wunsch des Vatikans sollen Zollitsch und Marx am 1. Mai nach Basel gefahren sein, wo Mixa in einer Fachklinik behandelt wurde, und ihn von dieser Idee abgebracht haben. Nach dem Aufenthalt in Basel habe Mixa seinen Urlaub in der Toskana genutzt, um Giovanni Battista Re, dem Präfekten der Bischofskongregation, sein Anliegen vorzutragen - vergebens. Re habe ihm gar verboten, den 50.Jahrestag der Priesterweihe öffentlich zu feiern. Die Sache sei entschieden, heißt es im Vatikan, wenn der Papst im Juli Walter Mixa empfängt, werde er freundliche Worte für ihn finden, in der Sache aber hart bleiben.

Geschichten vom Opfer und Märtyrer

Für das Bistum Augsburg aber wird die Angelegenheit damit aber noch lange nicht erledigt sein, auch nicht, wenn Bischof Mixa sich jetzt offenbar doch eine eigene Wohnung sucht und bald aus dem bischöflichen Palais ausziehen will. In den konservativ-katholischen Internetforen, in vielen Gemeinden hält sich hartnäckig die Geschichte von Walter Mixa, dem Opfer und Märtyrer, den die missgünstigen Liberalen aus dem Amt drängten, weil er unbequem konservativ ist.

Nahrung erhalten diese Geschichten, weil Marx und Zollitsch durchaus hart gegen ihren Amtsbruder vorgegangen sind, weil Bernhard Kellner, der Sprecher von Erzbischof Marx, ganz offen Mixas Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik bestätigte - zum Ärger der anderen bayerischen Bischöfe, mit denen das nicht abgesprochen war. "Im Internet finden hasserfüllte Dikussionen statt", berichtet Regionaldekan Reinhold Lappat aus Buchloe voller Sorge. "Die Spaltung wird immer schlimmer."

Am Sonntag war Erzbischof Zollitsch im Kloster Andechs, das zum Bistum Augsburg gehört, zur traditionellen Dreihostienwallfahrt. Den Namen Mixa erwähnte er in der Predigt nicht, beklagte aber, dass "innerkirchlich Gräben aufgerissen und Mauern errichtet" würden. Notwendig sei stattdessen, Brücken zu bauen. "Reichen wir einander die Hand zur Versöhnung", rief er den Wallfahrern auf dem Heiligen Berg zu. Jesus wolle "Gemeinschaft, keine Ansammlung von Individualisten und Einzelkämpfern". Und sagte später, dass er bereit sei, Bischof Mixa die Hand zu reichen und sich mit ihm zu versöhnen.

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