Zum Tod von Sepp Daxenberger:"Deine Glaubwürdigkeit wird allen Bayern fehlen"

Vollblut- und Anti-Politiker zugleich: Im Internet schreiben sich Tausende ihre Trauer über den Tod von Sepp Daxenberger von der Seele. Dabei wird deutlich, was ihn ausgezeichnet hat.

B. Kruse und T. Dorfer

Sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Als Theresa Schopper am Mittwoch vor die Presse trat, musste sie verkünden, was einige Stunden zuvor bekannt geworden war. Sepp Daxenberger ist an Krebs gestorben. "Ein Herz wie ein Bergwerk" bescheinigte sie ihm, hielt ihre Hand vor das weinende Gesicht. "Servus, Sepp", sagte sie noch. Und auch die Politiker aller anderen Parteien zeigten sich tief getroffen vom Tod des Grünen-Politikers.

Sepp Daxenberger ist tot

Sepp Daxenberger - die Menschen trauern um einen Politiker, der sich durch Aufrichtigkeit und Bodenständigkeit ausgezeichnet hat.

(Foto: ddp)

Kondolenzschreiben aus der Politik sind stets sehr respektvoll formuliert. Meist sind diese Schreiben sehr kurz, manchmal wirken sie auch ein wenig distanziert. Nicht so nach dem Tod von Sepp Daxenberger. "Das ist eine Tragödie, die sprachlos macht", ließ Ministerpräsident Horst Seehofer formulieren. Das Schreiben füllt fast eine DIN-A4-Seite. Er spricht auch viel von dem Menschen Daxenberger, von einem Menschen, den er "sehr gemocht" habe. Das ist ungewöhnlich für ein politisches Kondolenzschreiben. Jedoch überhaupt nicht ungewöhnlich, wenn es um Sepp Daxenberger geht.

Die Grünen haben Kondolenzbücher ausgelegt, im Landtag und in der Landesgeschäftsstelle. Und im Internet unter http://kondolenz.gruene-bayern.de. Der Hintergrund ist in dunklem olivgrün gehalten. Ein Bild von Sepp Daxenberger ist zu sehen. Im grauen Trachtenjanker vor einer herbstlichen Bergkulisse. Er lächelt, sieht glücklich aus. Daneben ist zu lesen: "Erinnerungen sind kleine Sterne, die tröstend in das Dunkel unserer Trauer leuchten." Weitere ergreifende Worte folgen, dann können die Trauernden ihre Botschaften eintragen. Mehr als 1500 Einträge gibt es. Und die kommen nicht nur aus Daxenbergers bayerischer Heimat. Sie kommen aus aller Welt.

Von tiefer Erschütterung ist die Rede, Beileidsbekundungen an die drei Söhne im Alter von 12, 17 und 20 Jahren, an die Familie. sueddeutsche.de-User Silvio-gesell schreibt unter den Artikel zu Daxenbergers Tod: "Diese Nachricht schnürt einem die Kehle zusammen. Beide Eltern, innerhalb von wenigen Tagen. Was soll man da noch sagen?"

Und viel ist zu lesen im Grünen-Kondolenzbuch über Sepp Daxenberger, als Mensch, als Politiker. Roland Teichmann schreibt: "Sepp Daxenberger ist auch als Politiker Mensch geblieben. Er hat sich wirklich dafür eingesetzt, etwas anzupacken und zu ändern. Einfach ein liebenswerter Mensch."

Auf jeden Fall war Daxenberger einer der wenigen in der Politik , der sich auch nach 20 Jahren nicht dem politischen Zirkus und seinen Regeln unterworfen hat. Das schätzen nicht nur Politiker über alle Parteigrenzen hinweg, sondern auch die Bürger. Sie loben Sepp Daxenberger als einen, der sich in der politischen Manege treugeblieben ist. "Er war das, was ich gerne einen anständigen Menschen nenne", schreibt Brigitte Mayer im Internet-Kondolenzbuch. Und für Josef Zeiler aus Nandlstadt ist Daxenberger "eine Hoffnung und der Leuchtturm, dass es in dieser verkommenen Welt der Politik und Wirtschaft doch noch Menschen gibt, die es ehrlich meinen und denen man vertrauen kann."

Für seine Überzeugungen hat er sich eingesetzt - privat, in seiner Partei und natürlich gegenüber den politischen Gegnern. Den Bauernhof seiner Eltern, den er Mitte der achtziger Jahre übernommen hatte, baute er zum Bio-Hof um, engagierte sich bereits im Jugendalter im "Forum Ökologie" - weit vor der Zeit der Öko-Food-Bewegung.

"Vor dem Einschlafen spreche ich ein Gebet"

Dennoch blieb Daxenberger ein Wertkonservativer, sein Parteibuch konnte daran nichts ändern. Auch das hat die Menschen fasziniert. Einer der grün war, der auf Weltoffenheit und Toleranz setzte - und der dennoch seine konservative Seite nicht verleugnete - und der zudem keine Berührungsängste zur Religion hatte. "Vor dem Einschlafen spreche ich ein Gebet", sagte er wenige Monate vor seinem Tod in einem Interview mit dem SZ-Magazin.

"Wenn er jetzt zurecht über alle Parteigrenzen hinweg als Vorbild geschätzt und betrauert wird, dann sollte auch besonders diese christliche Wurzel seines Wesens und Wirkens betrachtet werden", schreibt User LvB in einem Kommentar bei sueddeutsche.de.

Bei den Grünen konnte er ordentlich granteln und auf den Tisch hauen, wenn er anderer Meinung war. Wie beim Nein seiner Partei zu Kopftüchern im Unterricht und damit auch gegen Kreuze im Klassenzimmer. Und wenn es um die CSU und deren Vorliebe für Atomstrom ging, war, lief er zur Höchstform auf. Statt Betonschlote in der Landschaft stellte er sich ein blühendes Bayern mit Windrädern und Sonnenkollektoren vor.

Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) reiste durch die Welt und pries seine Politik als eine Kombination aus "Laptop und Lederhose". Daxenberger reiste nicht. Er lebte einfach, was Stoiber verkaufen wollte. Eben der "Sepp vom Nachbarhof", wie michl1234 lobt. Im Kondolenzbuch der Grünen schreibt ein User namens Markus: "Der einzige, der im Maximilianeum und am Stammtisch gleichermaßen anzutreffen war - und der überall respektiert worden ist."

Daxenberger sprach nicht nur von Agrarpolitik, er fütterte seine Kühe noch selbst. Er forderte nicht nur gesellschaftliches Engagement, er war Maschinist bei der Feuerwehr. Und manchmal, so seine Devise, kann ein gemeinsames Bier mehr bewegen, als hochtrabende Debatten. Seine Bodenhaftung war es auch, die ihn über alle Parteigrenzen hinweg beliebt - und als Grünen wählbar - machte.

Erhard Müller schreibt: "Du warst es, der mich als eingefleischtes SPD-Mitglied bei Landtagswahlen bewegte das 'Kreuz' bei den - aus der Sicht meiner Partei - 'Falschen' zu machen." Mit Daxenberger gehe "nicht nur eine Persönlichkeit, die für mich den typischen Bayern verkörpert (grantelnd mit hintersinnigem Humor, wertkonservativ, volksverbunden, klug aber nicht berechnend und nicht zuletzt warmherzig), sondern auch ein Politiker, dem es gelang, gerade junge Menschen wieder an die Urnen zu bringen", so Müller weiter.

Andere haben aus dem Umgang Daxenbergers mit seiner schweren Krankheit Kraft geschöpft. Seit Jahren war er an einem Plasmozytom erkrankt, einer seltenene Mischung aus Blut- und Knochenkrebs. Er ist immer offen mit seiner Krankenheit umgegangen. Geklagt hat er nie. Auch nach zahlreichen Krankenhausaufenthalten und schmerzhaften Behandlungen nicht. Nur soviel: Es nerve ihn gewaltig, dass er für manche Arbeiten auf seinem Hof nicht mehr genügend Kraft aufbringen könne, entfuhr es ihm im Gespräch mit dem SZ-Magazin.

Mit dieser Haltung hat er, der von der Krankheit Geschwächte, vielen krebskranken Menschen selbst Kraft geben können. "Meine Mutter ist letzten Oktober auch an Plasmozytom gestorben", schreibt eine Ingrid im Online-Kondolenzbuch der Grünen. "Sepp war mit seinem Optimismus und seinem starken Willen stets ein Mutmacher für sie."

Sepp Daxenberger selbst zog seine Kraft aus seinem unbändigen Gestaltungswillen. Trotz seiner Krankheit zog er im Jahr 2008 als Spitzenkandidat der bayerischen Grünen in den Landtagswahlkampf. Und wenige Monate vor seinem Tod sagte er dem SZ-Magazin: "Ich bin jetzt 48, wenn ich auf diesem Level weiterarbeiten kann, habe ich noch Perspektiven. Momentan juckt mich eine landespolitische Karriere nicht so, aber in vier Jahren sind Kommunalwahlen. Wenn ich halbwegs fit bin, dann überleg ich mir das."

"So einen Mann können die Grünen kaum ersetzen"

Bei der letzten Landtagswahl 2008 haben die Grünen in Bayern mit 9,4 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis in Bayern erzielt - ein Erfolg, zu dem Daxenberger nicht nur aus Sicht der Grünen maßgeblich beigetragen hat. Schon einmal hatte er bei einer Wahl für eine Sensation gesorgt. Das war 1998, damals setzte er sich im CSU-Stammland gegen Kandidaten der Christsozialen und der Freien Wähler durch - und wurde der erste hauptamtliche grüne Bürgermeister von Waging, mitten im konservativen und traditionsbewussten Oberbayern.

Auch wenn die Grünen sich schon längst als Partei im Freistaat etabliert haben und sogar bei CSU-Politikern kein Denkverbot mehr für schwarz-grüne Bündnisse herrscht: Für die Ökopartei wird es nicht nur menschlich schwer sein, den Verlust zu überwinden. Auch politisch stehen sie vor einer Herausforderung: "So einen Mann können die Grünen kaum ersetzen", schreibt sueddeutsche.de-User münchner-kindl. "Schon gar nicht der promovierte Nachwuchs aus den Feinstaub-Hochburgen."

Denn Eigenschaften wie Bodenständigkeit und Aufrichtigkeit könne man nicht lernen. Man hat sie oder eben nicht, findet auch Erhard Müller: "Deine Glaubwürdigkeit wird allen Bayern fehlen", schreibt er.

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