Ego-Shooter zum Mauerfall:Virtueller Todesstreifen sorgt für scharfe Kritik

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In "1378 (km)" wird die innerdeutsche Grenze zum Schauplatz eines Ego-Shooter-Spiels. Ein Student will damit Geschichte erlebbar machen - und wird nun heftig kritisiert.

Ein Computerspiel über die innerdeutsche Grenze hat Diskussionen und Empörung ausgelöst. In dem Spiel "1378 (km)" können die Spieler sowohl die Perspektive eines Republikflüchtlings als auch eines Grenzsoldaten einnehmen - der dabei schießen und den unbewaffneten Flüchtling töten kann.

Medienkunststudent Jens M. Stober und mit seinem Spiel "1378 (km)": Ein neuer Zugang zur Geschichte oder schlicht geschmacklos? (Foto: dpa)

Das Spiel ist aufgebaut wie ein klassisches Ego-Shooter-Spiel, also ein Schießspiel aus der Perspektive des Spielers. Bis zu 16 Spieler können gegeneinander antreten. Sie können die Rolle des Flüchtlings einnehmen, aber auch die des Grenzsoldaten. Während der Flüchtling nur ein Ziel hat, nämlich die Grenze zu überwinden, sind die Möglichkeiten des Grenzsoldaten vielfältiger. Er kann in der Simulation schießen - oder den Flüchtling verhaften. Es gibt auch die Option, Kontakt mit ihm aufzunehmen oder die Seiten zu wechseln und selbst zum Flüchtling zu werden.

Das an der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Karlsruhe entwickelte Spiel sei "ein Beitrag zur Enthemmung und Brutalisierung der Gesellschaft" und bediene niederste Instinkte, kritisierte die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (Berlin) am Mittwoch. In einem Protestschreiben habe man sich daher an den Rektor der Hochschule, Peter Sloterdijk, gewandt.

"In dem Spiel kann man sich selbst hinterfragen: Wie verhalte ich mich?", verteidigte der Spieleentwickler, Medienkunst-Student Jens M. Stober, die Idee. "Man kann zu dem Schluss kommen: Ich schieße nicht auf meine eigenen Landsleute."

Der 23- Jährige hat zahlreiche Denkanstöße in das Spiel eingebaut. Wahlloses Herumballern ist nicht vorgesehen. Entscheidet sich der Grenzsoldat zum tödlichen Schuss, wird er zwar vom DDR-Regime mit einem Orden ausgezeichnet, gleich darauf jedoch ins Jahr 2000 teleportiert: Dort wird ihm ein Mauerschützenprozess gemacht.

Erscheinungstag zru Einheitsfeier

Die HfG kündigte eine Pressemitteilung im Laufe des Tages an. Bereits am Dienstag hatte der Direktor der Stiftung Berliner Mauer, Axel Klausmeier, die Herangehensweise des Spieles "geschmacklos" genannt.

Die Landesmedienanstalt Stuttgart will das Spiel nun prüfen. "Wir werden uns das Spiel anschauen und es nach Kriterien des Jugendschutzes bewerten", sagte ein Sprecher am Mittwoch. Sollte es zu beanstanden sein, könne entweder eine Altersbeschränkung verhängt oder das Spiel auch ganz verboten werden.

Das Spiel soll am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, kostenlos zum Download erscheinen.

© sueddeutsche.de/dpa/Anika von Greve-Dierfeld - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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