Facebook und Co.:Das Problem ist nicht das Medium, sondern das Geschäftsmodell

Mark Zuckerberg

Würde Facebook für die Mitgliedschaft Geld verlangen, statt die Daten der Nutzer zu Geld zu machen, wären CEO Mark Zuckerbergs Probleme wohl deutlich kleiner.

(Foto: AFP)

Die Imagekrise der sozialen Medien fußt auf dem Datenhunger der Plattformen. Dieses Problem ließe sich recht einfach lösen: zum Beispiel durch ein Facebook-Abo.

Kommentar von Katharina Kutsche

Das Jahr 2018 war nicht gut für Facebook und Twitter. Beide Unternehmen werden regelmäßig kritisiert, weil sie zu wenig gegen Hassrede und Gewaltaufrufe tun. Im Frühjahr wurde bekannt, wie das Unternehmen Cambridge Analytica mithilfe von Facebook-Nutzerprofilen den US-Präsidentschaftswahlkampf beeinflusste. Im Dezember veröffentlichte ein britischer Abgeordneter E-Mails aus Facebooks Chefetage, die zeigen, wie skrupellos das angeblich soziale Netzwerk Geschäfte macht. Dazu kommen immer wieder Datenlecks. Und vergangene Woche klagte eine Mutter Facebook und Twitter in einem offenen Brief an: Sie warf den Unternehmen vor, zwar ihre Schwangerschaft digital erkannt zu haben, aber nicht die Totgeburt ihres Kindes. Ihre Nutzerkonten wurden auch in der Trauerzeit weiter mit Werbung rund um Baby und Mutterschaft bespielt.

Gerade der letzte Fall zeigt, dass die sozialen Medien an einem gefährlichen Punkt sind. Zwar steigen Nutzerzahlen und Umsätze noch. Doch je größer die Kritik, desto größer wird irgendwann der Ekel bei Nutzern, die sich in der Folge abwenden. Das ist unternehmerisch gefährlich. Als Reaktion schrauben die Konzerne zwar an ihren Algorithmen oder geben sich mehr Mühe mit der Überwachung. Das aber, was sie so anfällig für Werbefehler und Missbrauch macht, ändern sie nicht: ihr Geschäftsmodell. Da liegt der eigentliche Fehler. Und den sollten die Verantwortlichen schleunigst korrigieren.

Facebook macht den gleichen Fehler wie die Medienunternehmen zuvor

Viele Industrien finanzieren sich, indem Kunden für das Erzeugnis und seine Erzeugung zahlen. Unternehmen wie Facebook dagegen bepreisen nicht ihr Produkt, sondern die Daten derjenigen, die kostenfrei ein Nutzerprofil pflegen. Kunden sind so nicht die Nutzer, sondern all jene Firmen, die für personalisierte Werbung zahlen. Und der Kunde ist König.

Interessanterweise machen die sozialen Medien den gleichen Fehler wie einst die analogen. Die Printmedien setzten lange auf ein Mischmodell aus Verkaufserlösen und bis zu zwei Dritteln Anzeigenverkäufen und vertrauten darauf, dass die fetten Jahre anhalten würden. Eine Konjunkturkrise und der neue Werbekanal Internet ließen die Anzeigenerlöse weltweit so stark sinken, dass manche Zeitung aufgeben musste. Viel zu lange dauerte es dann, bis sich die Medienunternehmen trauten, auch ihre digitalen Inhalte zu monetarisieren. Dass viele sich wirtschaftlich von diesem Fehler noch nicht erholt haben, sollte den sozialen Medien zu denken geben.

Der Erfinder des Internets, Tim Berners-Lee, gratulierte in diesem Jahr seinem "Kind" mit einem offenen Brief zum 29. Geburtstag. Darin nannte er zwei Mythen, die die kollektive Vorstellung vom Internet beschränken: dass Werbung das einzig mögliche Geschäftsmodell für Online-Unternehmen sei. Und dass es zu spät sei, die Arbeitsweise von Plattformen zu ändern. In beiden Punkten müsse man kreativer werden. Recht hat er.

Die digitalen Netzwerke könnten im Kern gute Produkte sein

Was spräche dagegen, eine monatliche Gebühr für Netzwerke und Kurznachrichtendienste zu nehmen? Anders ausgedrückt: Warum machen Facebook, Twitter und all die anderen nicht endlich die Nutzer zu Kunden? Mit einem Abopreis für den Dienst, den man in Anspruch nimmt, so wie man ja auch für den Internetzugang zahlt, den man dafür braucht. Im Gegenzug müssten die Firmen darauf verzichten, die digitalen Seelen ihrer Nutzer für den Anzeigenverkauf auszuwerten. Das ist im Sinne von Berners-Lee nicht mal ein kreativer Gedanke, denn der Videostreamingdienst Netflix etwa arbeitet längst mit solch einem Modell. Auch diverse Apps bieten Basisdienste und werbefreie Premiumservices gegen Aufpreis.

Die Abscheu gegenüber der personalisierten Werbung und vor allem ihren moralischen Missgriffen überlagert die Tatsache, dass Facebook und Twitter im Kern gute Produkte sein könnten. Wer etwa mit Menschen, die im Ausland leben, mit ehemaligen Kollegen, Mitschülern und Studienfreunden in Kontakt bleiben will, hat in dem sozialen Netzwerk eine einfache technische Möglichkeit dafür.

Ein neues Geschäftsmodell kann zwar Hassrede und Desinformation nicht eindämmen. Aber es würde unternehmerisch für mehr Sicherheit sorgen, wenn sich die Konzerne breiter aufstellen und von Werbung auf Nutzerbasis unabhängiger machen. Die nächste Konjunkturkrise kommt bestimmt. Und der nächste Skandal auch.

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