Internet per Glasfaser:Der deutsche Kabel-Salat

Große Versprechungen, geringe Geschwindigkeiten: Experten warnen, dass Deutschland den Ausbau des superschnellen Internets per Glasfaser verschläft.

Mirjam Hauck

Bis zu 16.000 Kilobit pro Sekunde versprechen einige DSL-Anbieter derzeit ihren Kunden. Was auf den ersten Blick superschnelles Internet suggeriert, hält Hartwig Tauber aber bloß für Augenwischerei: "Diese Übertragungsraten sind doch nur theoretisch möglich, und sie gelten auch nur für Downloads". Immer hieße es "bis zu", und: "Gerade bei Funkverbindungen werden oft nur zehn bis 20Prozent des Versprochenen erreicht".

Vodafone Glasfaser

Glasfaserkabel sollen künftig für hohe Internet-Bandbreiten sorgen. Vernachlässigt Deutschland die neue Technik?

(Foto: obs/Vodafone D2 GmbH)

Hartwig Tauber kann sich über die Werbebotschaften der DSL-Anbieter regelrecht in Rage reden - und von Berufs wegen muss er das auch. Der Professor für E-Business-Management an der Fachhochschule im österreichischen Krems ist Chef des Branchenverbandes FTTH-Council Europe, der sich für den Ausbau von Glasfaser-Breitbandnetzen in Europa stark macht. FTTH steht für "Fibre to the Home", also Glasfaser bis zum Haus.

In Deutschland werden zur Datenübertragung bislang zum großen Teil die Telefonnetze genutzt, und diese sind aus Kupfer. Was vor rund 20 Jahren mit Analogmodems und bescheidenen Übertragungsraten von maximal 56 Kilobit pro Sekunde begann, ließ sich durch die Erweiterung des Frequenzbereichs für DSL in einigen Regionen bis auf 16.000 Kilobit pro Sekunde für Downloads steigern.

In Ballungsräumen wird auch das sogenannte V-DSL angeboten, das bis zu 50Megabit/s schafft. Glasfaser hingegen befördert bis zu 10000 Megabit Daten pro Sekunde.

Dazu kommt: "Nur FTTH ist in der Lage, hohe Bandbreiten in beiden Richtungen zu garantieren", sagt Tauber und sieht für Deutschland akuten Handlungsbedarf: "Die EU-Kommission hat in der digitalen Agenda 30 Megabit pro Sekunde für jeden europäischen Haushalt bis 2020 festgeschrieben, und dieses Ziel ist nur mit Glasfaser erreichbar." Das deutsche Netz habe bereits sein Limit erreicht: "Versuchen Sie einmal, 200 Fotos vom Sommerurlaub über eine Zwei-Megabit-Leitung hochzuladen."

Internet durch die TV-Leitung

Arbeiten im Home-Office ergebe nur Sinn, wenn nicht schon das Einstellen einer Powerpoint-Präsentation auf dem Firmenserver scheitere. "Neben Cloud-Computing existieren eine Vielzahl von Anwendungen, die mehr Bandbreite brauchen, als beispielsweise HD-Fernsehen on Demand."

Eine schnelle Alternative zu Glasfasernetzen gibt es allerdings bereits in Deutschland: das Fernsehkabelnetz. Laut Marco Gassen, Pressesprecher von Kabel Deutschland, bringe dieses System das Beste aus beiden Welten zusammen: "Glasfaser transportiert Signale an zentrale Netzstellen oder auch tiefer in die Netzinfrastruktur und Koaxialkabel verteilt sie weiter an die Kunden."

Dieses Koaxialkabel ist zwar aus Kupfer, kann aber wegen seines anderen Aufbaus mehr Daten transportieren als die gewöhnlichen zweiadrigen Kupferdrähte. In 80 Prozent des Kabelnetzes seien bereits Übertragungsraten von 32Megabit pro Sekunde Standard,

20 Prozent der Kabel-Deutschland-Kunden können, so das Unternehmen, bereits mit 100 Megabit pro Sekunde surfen.

In der Statistik, die das FTTH-Council über den europaweiten Ausbau führt, taucht Deutschland gar nicht auf. Nur Länder, in denen mehr als ein Prozent der Haushalte einen Glasfaseranschluss haben, werden in dem Ranking aufgeführt; die Top Drei sind Norwegen, Schweden und Litauen mit zwölf bis fast 21 Prozent Vernetzung.

Pilotprojekte in Großstädten

Deutschland verschläft nach Ansichten des FTTH-Councils diese technologische Entwicklung, nur regionale Anbieter und Stadtwerke würden die Bedeutung der Glasfaser erkennen.

So verlegen hierzulande beispielsweise HanseNet in Hamburg, Netcologne in Köln und M-Net in München und Augsburg die schnelle Faser. Bereits 140.000 Kilometer Glasfaser haben die Münchner Stadtwerke unter die Erde gebracht, bis 2013 sollen insgesamt 32.000 Gebäude angeschlossen sein.

Man biete den Firmen so an der Isar einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil, da sind sich die Stadtwerke sicher. Privatkunden könnten die hohe Geschwindigkeit ebenfalls nutzen. Was kleine Anbieter in mehreren Städten derzeit schon aktiv angehen, testet Branchenriese Telekom derzeit noch in einem Pilotprojekt.

Im brandenburgischen Henningsdorf verlegt das Unternehmen derzeit 120 Kilometer Glasfaser, ein zweiter Test ist in Braunschweig vorgesehen. Den Bedarf an superschnellen Leitungen hält man allerdings für nicht so hoch.

Auch die Bundesregierung will den Glasfaserausbau in Deutschland vorantreiben und hat dazu die Breitbandinitiative gegründet. Sie ist Teil der Initiative D21, die die Entwicklung neuer Medien vorantreiben will. Für Tim Brauckmüller, Vorstandsmitglied der Initiative, liegt in der Glasfaser die Zukunft für schnelle Datenübertragung. "In den nächsten zehn bis 20 Jahren wird sich auf diesem Gebiet auf alle Fälle einiges tun, Glasfaser wird mittelfristig die DSL-Leitungen ablösen.

Einheitliche Standards fehlen

Ein Problem bislang ist aber, dass es in Deutschland noch keine einheitlichen Verfahren gibt." So gebe es zum Beispiel noch keine Universaldose für den Hausanschluss. Daher müssten sich alle Anbieter erst einmal an einen Tisch setzen und die notwendigen Prozesse definieren.

Die Klagen über die angebliche Rückständigkeit Deutschlands kann Brauckmüller jedoch nicht nachvollziehen: "Wir haben ein sehr gutes Telefonnetz mit einer ausgezeichneten Sprachqualität." Und anders als in den baltischen Staaten könne man hier nicht von null anfangen und einfach ein neues Netz aufsetzen: "In Deutschland gibt es gewachsene Infrastrukturen.

Zum Vergleich: Estland hat gerade mal so viele Einwohner wie Mecklenburg-Vorpommern." Aber: Auch in diesem Bundesland würden sich viele freuen, wenn sie die Verbindungsgeschwindigkeiten bekämen, die Glasfasernetze bieten.

Lesen Sie hierzu Berichte in der Süddeutschen Zeitung.

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