Betrug:Abkassieren per Telefon

Der Telefonbetrug wächst drastisch - und die Polizei ist völlig hilflos. Inzwischen kapitulieren bereits die Behörden, weil die Täter meist im Ausland sitzen. Zehntausende Geschädigte haben Anzeige erstattet. Ihre Aussicht auf Erfolg? Bescheiden.

Klaus Ott

In Deutschland nimmt die Zahl betrügerischer Telefonanrufe drastisch zu. Das geht aus einem Bericht der Aufsichtsbehörde für die Telefonbranche hervor, bei der immer mehr geschädigte Bürger Anzeige erstatten. Polizei und Justiz greifen dem Bericht zufolge nur selten durch. Selbst bei großen Betrugsfällen finde "faktisch keine Strafverfolgung statt".

Illustration Telefonwerbung

Sorgen oder Kummer, alles auf dieser Nummer: Die Abzocke per Telefon hat deutlich zugenommen. Polizei und Justiz greifen zu wenig durch.

(Foto: dpa)

Weiter rügt die Bundesnetzagentur in ihrem Bericht, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, dass die Justiz nicht konsequent gegen mutmaßliche Betrüger vorgehe und stattdessen viele Ermittlungsverfahren "sanktionslos" eingestellt würden. Dies sei eine "untragbare Situation". Die dem Bundeswirtschaftsministerium zugeordnete Behörde mit Sitz in Bonn kontrolliert Bahn und Post, den Strom- und den Gasmarkt sowie die Telekommunikationsbranche. Wegen unlauterer Geschäftspraktiken am Telefon wird die Aufsichtsbehörde, wie sie schreibt, inzwischen von einer "Anzeigenflut" empörter Bürger überschwemmt. Von Januar bis April 2010 gingen in Bonn mehr als 66.000 Beschwerden ein. Das ist ein neuer Rekord: In den ersten vier Monaten des Vorjahres waren es nur 14.000 Eingaben gewesen.

Der Aufsichtsbehörde zufolge gibt es immer mehr Fälle, bei denen kriminell agierende Firmen mit Hilfe von Sprachcomputern massenweise Verbraucher anrufen und ihnen per Bandansage mitteilen, sie hätten ein wertvolles Auto gewonnen. Um den Gewinn einzulösen, müsse eine 0900-Servicenummer gewählt werden. Wer das befolgt, landet aber in teuren Warteschleifen und wird mit hohen Telefongebühren belastet, statt das erhoffte Auto zu bekommen. Solche Firmen agierten im großen Stil und "mit erheblicher krimineller Energie", warnt die Netzagentur.

Den internen Bericht legte die Behörde bisher nur ihrem Beirat vor, dem etliche Bundestagsabgeordnete und die Wirtschaftsminister fast aller Bundesländer angehören. Sie wurden auf diese Weise darüber informiert, dass die Netzagentur an die mutmaßlichen Täter meist gar nicht herankommt. Die Hintermänner säßen oft im Ausland, wo sie Scheinfirmen gegründet hätten. Versuche, Bußgelder zu vollstrecken, liefen "regelmäßig ins Leere". Betrogene Verbraucher, die ihr Geld zurückverlangen wollten, stünden diesen Firmen "rechtlos gegenüber".

Von Polizei und Justiz sei keine Hilfe zu erwarten, beklagt die Netzagentur weiter. Staatsanwaltschaften und Polizei agierten unkoordiniert. Sie seien überlastet, und das tatsächliche Ausmaß des Problems sei ihnen nicht bekannt. Zudem würden Ermittlungsverfahren vorschnell eingestellt.

Die Aufsichtsbehörde fordert die Einrichtung einer Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft, die bundesweit gegen den Telefonbetrug vorgehen solle. Die Netzagentur hat in den vergangenen sechs Monaten bereits die Abschaltung von mehr als 300 solcher 0900-Nummern verfügt. Das genügt aber offenbar nicht, um den Kriminellen das Handwerk zu legen. Die Netzagentur weiß nicht einmal, um wie viele Millionen Euro die Verbraucher insgesamt geschädigt werden.

Von den 66.000 Beschwerden, die innerhalb von vier Monaten eingingen, bezogen sich 35.000 auf derartige Betrügereien. Die übrigen Anzeigen betreffen Firmen, die Bürger zu Hause anrufen, um etwa Gewinnspiele zu verkaufen. Solche Werbeanrufe sind illegal, sofern die Verbraucher zuvor nicht ausdrücklich eine Erlaubnis dazu erteilt haben.

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