Erste-Hilfe-Regeln zur Wiederbelebung:Die Herzdruckmassage ist das Wichtigste

Etliche Menschen mit Herzstillstand könnten gerettet werden, wenn die Wiederbelebung besser funktionieren würde. Seit 2010 gibt es dazu neue, einfachere Regeln.

Dennis Ballwieser

Einmal muss jeder Autofahrer lernen, wie er Leben retten könnte. Wer den Führerschein will, der muss einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren. Kernstück ist die Wiederbelebung von Menschen, die bewusstlos sind und nicht mehr normal atmen.

Jahrzehntelang spielten sich dabei erbarmungswürdige Szenen ab: Minutenlang wurde nach dem Puls gefahndet, am Handgelenk, zwischen Kinn und Schlüsselbein; besonders Mutige drückten in der Leiste herum. Bis die Lebensretter den richtigen Punkt für die Herzdruckmassage gefunden hatten, wäre jede Hilfe zu spät gewesen. Daher stirbt der Großteil der Menschen mit Herzinfarkt - trotz Erste-Hilfe-Training.

Rettungsmediziner versuchen seit Jahren, mit einfachen Botschaften den Anteil der Geretteten bei Herz-Kreislauf-Stillstand zu erhöhen. Von den europaweit 500.000 Opfern des plötzlichen Herztods könnten 100.000 gerettet werden, würde die Wiederbelebung besser funktionieren, rechnet der "Deutsche Rat für Wiederbelebung" (GRC) vor.

Seit gestern gelten deshalb leichter umzusetzende Regeln für die Wiederbelebung. Die bedeutendste Neuerung: Die Herzdruckmassage ist das Wichtigste, was Laien für leblose Patienten tun können, die Atemspende steht dahinter zurück.

Wer eine leblose Person findet, der soll laut um Hilfe rufen, damit er nicht allein bleibt. Anschließend muss der Kopf des Patienten in den Nacken gelegt werden, um zu sehen, ob der Mensch noch normal atmet: Bei dieser Haltung kann die Zunge den Luftweg nicht verlegen. Erkennt der Laie keine normale Atmung, sollte er über Notruf 112 professionelle Hilfe rufen.

Anschließend gilt es, in der Mitte des Brustkorbs mindestens fünf Zentimeter tief das Herz zu komprimieren, 100-mal pro Minute. Nach 30 Kompressionen soll der Patient zweimal Mund-zu-Nase oder Mund-zu-Mund beatmet werden. Die aufwendige und fehleranfällige Pulskontrolle entfällt.

"Einfache Regeln sind das Ziel der neuen Leitlinien", sagt GRC-Vorsitzender Burkhard Dirks vom Uniklinikum Ulm. "Das war schon 2005 so, als wir mit vielen überkommenen Ansichten gebrochen haben. Die Neuerungen sind noch nicht überall angekommen. Deshalb betonen wir das Einfache jetzt noch stärker, zudem gibt es Ergebnisse, nach denen die Herzdruckmassage im Vordergrund stehen muss."

Wird die Druckmassage fünf bis zehn Sekunden unterbrochen, dauert es Minuten, bis der Kreislauf durch Wiederbelebung wieder in Gang kommt. Jede Unterbrechung senkt die Chancen des Patienten. "Natürlich sollte auch jeder wissen, wie man eine leblose Person beatmet. Nach vier bis fünf Minuten ist der in der Lunge vorhandene Sauerstoff verbraucht", sagt Notfallmediziner Dirks. "Wenn man das nicht gelernt hat oder nicht schafft, muss wenigstens Herzdruckmassage gemacht werden."

Besonders wichtig: der Notruf

Mindestens so wichtig wie die Wiederbelebung ist der Notruf. Herzdruckmassage und Atemspende sind so anstrengend, dass ein Helfer nur wenige Minuten durchhält. Über 112 sind in Deutschland Rettungsdienst und Notarzt in höchstens einer Viertelstunde zur Stelle, um weiterzuhelfen.

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Kernstück jeden Erste-Hilfe-Kurses ist die Wiederbelebung von Menschen. Jetzt gibt es neue Regeln, denen zufolge die Herzdruckmassage das Wichtigste ist, was Laien für leblose Patienten tun können. Die Atemspende steht dahinter zurück.

(Foto: ddp)

Auch beim Notruf soll die Hilfe für Laien verbessert werden. "Mitarbeiter des Notrufs müssen geschult werden, um schnell herauszufinden, ob der Patient einen Kreislaufstillstand hat", sagt Dirks. "Hat jemand weder Herzdruckmassage noch Atemspende gelernt, müssen Notruf-Mitarbeiter über das Telefon zur Wiederbelebung anleiten, bis der Rettungsdienst da ist."

Die Leitlinien haben Ärzte aller Kontinente erarbeitet. Diskutiert wurde sogar, ob ganz auf die Atemspende verzichtet werden sollte. Doch US-Mediziner kamen mit dieser Forderung nicht durch, obwohl in einigen Studien mehr Menschen gerettet wurden, wenn Herzdruckmassage stattfand.

"Das ist allerdings vor allem dort so, wo die Qualität der Ersten Hilfe schlecht ist", sagt Dirks. "In Skandinavien sind Ersthelfer besser ausgebildet, dort starben mehr Menschen nach Wiederbelebung ohne Atemspende. Außerdem ist Atemspende bei Kindern oder Ertrunkenen unverzichtbar." Die neuen Wiederbelebungs-Leitlinien gelten in Europa, Nordamerika, Australien, Neuseeland, Südafrika und Asien.

Automatische externe Defibrillatoren (AED), die bei Herzstillstand Elektroschocks abgeben, um das Herz zum Schlagen zu bringen, werden von Notärzten ebenfalls befürwortet. Allerdings darf, so die Empfehlungen, durch Einsatz eines Defibrillators die Herzdruckmassage nicht unterbrochen werden: Während ein Helfer das Herz komprimiert, klebt ein anderer die Elektroden auf den Brustkorb des Patienten.

Nur für den Schock wird das Drücken kurz unterbrochen. Daneben wollen Ärzte Hilfsmittel fördern, die kaum verbreitet sind: kleine Platten, die zwischen Brustkorb und Hand des Helfers mit Hilfe von Drucksensoren messen und melden, ob der Helfer tief und schnell genug das Herz massiert.

"Das Wichtigste ist aber, die neuen Regeln zu kommunizieren", sagt Burkhard Dirks. "Als mein Sohn im vergangenen Jahr Führerschein gemacht hat, wurde er noch nach Regeln aus dem Jahr 2000 unterrichtet. Das darf nicht sein, das kostet Leben."

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