Herausforderung Berufswahl:Topf sucht Deckel

Unzählige Möglichkeiten und kein Überblick: Nicht nur Schulabgänger verzweifeln mitunter an der Suche nach dem Beruf, der zu ihnen passt. Aber es gibt Hilfe.

Maria Holzmüller

Es ist wohl eine der wichtigsten Fragen, die sich junge Menschen im Laufe ihres Lebens stellen - und kaum eine Antwort hat so weitreichende Folgen. Nein, es geht nicht um "Willst du mich heiraten?"; sondern um "Welcher Beruf passt zu mir?". Die Herausforderung, sich für eine Laufbahn zu entscheiden überfordert viele Schüler, nicht selten ist "Und, was machst du jetzt?", die verhassteste Frage, die einem Jugendlichen nach dem Schulabschluss gestellt werden kann.

Wahrsagen

Ob die Wahrsagerin auf der Suche nach dem Traumjob weiterhelfen kann?

(Foto: iStock)

Es gibt in Deutschland derzeit 349 anerkannte Ausbildungsberufe, und 8869 Grundstudiengänge. Dazu kommen nach Angaben der Hochschulrektorenkonferenz noch 5744 weiterführende Studiengänge. Die Auswahl ist groß, unübersichtlich und schüchtert ein. Wer so viele Wahlmöglichkeiten hat, der droht mitunter an der Qual der Entscheidung zu verzweifeln.

Und mit dem Laufe der Jahre wird es nicht leichter. Einen Beruf hat man, aber mit dem eigenen Job ist man dann doch nicht so ganz zufrieden. Wieder gibt es zahlreiche Möglichkeiten: verschiedene Spezialisierungen, andere Arbeitgeber, neue Verantwortungsbereiche - welche Entscheidung bringt einen in die Position, die wirklich glücklich macht?

Die Entscheidung muss am Ende jeder Einzelne für sich treffen - aber Hilfe dabei gibt es. Am naheliegendsten für Schulabgänger ist die Berufsberatung der Agentur für Arbeit. Ihr Berufsbildungszentrum besucht so ziemlich jede Schulklasse irgendwann. Es gibt Infobögen über einzelne Berufe und kleine Tests. Detaillierter wird die Beratung dann im persönlichen Gespräch.

Petra Sprenger ist Teamleiterin der Berufsberatung für akademische Berufe in der Agentur für Arbeit in München. Zu ihr kommen Jugendliche mit Hochschulreife. "Viele machen den Fehler, sich nicht gut genug über die Berufe, die ihnen gefallen, zu informieren", sagt sie. Nur weil die Freunde einen Beruf gut finden, heiße das noch lange nicht, dass er auch zu einem passe.

Zu Beginn des Gesprächs wird zunächst geklärt, worum es eigentlich geht. Hat der Schüler oder Absolvent ein Entscheidungsproblem, oder fehlen ihm weitergehende Informationen zu Berufen oder Studiengängen? Bei Entscheidungsproblemen versucht Petra Sprenger in ausführlichen Gesprächen und bei Bedarf einem Berufswahltest sich den Interessenschwerpunkten und der Persönlichkeit ihres Gegenübers anzunähern. Ist jemand eher technisch orientiert oder mehr sprachlich begabt, ist er eher kontaktfreudig oder mehr der gründliche Analytiker komplexer Problemstellungen?

Vorsicht bei Modeberufen

"Die persönlichen Interessen stehen im Vordergrund - aber fast noch wichtiger sind die persönlichen Merkmale. Wennn ich erst einmal erfolgreich in einem Beruf bin, weil er meinen persönlichen Veranlagungen entspricht, dann entwickeln sich daraus auch neue Interessen. Umgekehrt ist das nicht möglich", sagt Sprenger.

Entscheidung

Welche Uni, welcher Studiengang, welche Stadt? Die Entscheidung fällt vielen Schulabgängern schwer.

(Foto: iStock)

Zur Vorsicht rät sie bei sogennanten Modeberufen. "Im Moment steht der Veranstaltungskaufmann ganz hoch im Kurs, so wie eigentlich alles, was mit Events, Sport und Fitness zu tun hat. Ich versuche den Jugendlichen klarzumachen, dass sie in diesen Berufen mit besonders viel Konkurrenz zu rechnen haben." Und Modeberufe ändern sich. Vor ein paar Jahren wollten noch alle Bankkaufmann oder -frau werden.

Wer sich jedoch nur nach dem Image eines Berufes entscheidet, der hat nur selten eine glückliche Berufslaufbahn vor sich. "Man sollte sich immer überlegen, ob der Job, der einem gefällt, auch zu einem passt. Um das herauszufinden, muss man sich intensiv informieren, mit Leuten sprechen, die ihn bereits ausüben, vielleicht ein Praktikum antreten. Bei der Berufswahl darf man es sich nicht zu bequem machen", so Petra Sprenger.

Als Alternative zur Berufsberatung der Agentur für Arbeit bieten sich inzwischen zahlreiche kommerzielle Beratungen an. Marion Schaake, früher selbst als Managerin und Headhunterin tätig, betreibt heute eine solche Berufsberatung in München. Im Moment hat sie reichlich zu tun - die Einschreibefristen für Studiengänge laufen in den nächsten Wochen aus, ratlose Teenager suchen hektisch Hilfe - oder werden von ihren Eltern geschickt.

In sieben Persönlichkeits- und Neigungstests sowie intensiven Gesprächen wird einen Tag lang gemeinsam ausgelotet, welche Möglichkeiten es für den Kunden gibt. "Danach analysiere ich die Ergebnisse und suche mit meinem Team konkrete Studiengänge oder Ausbildungsberufe, die ich den jungen Menschen vorschlage", sagt Schaake. Dabei spielt auch der Ausbildungsort eine Rolle.

Niemand will aus München weg

Umstrukturierung

Ein Labyrinth ist ein Spaziergang dagegen: Bei der Berufswahl herrscht Verwirrung.

(Foto: ddp)

"München ist da ein Sonderfall, wer hier lebt, möchte meistens nicht weg und informiert sich deshalb ausschließlich über die Studiermöglichkeiten, die die Stadt bietet", erzählt Schaake. Dass Schüler solch große Probleme damit haben, sich für einen Job oder Studiengang zu entscheiden, liegt ihrer Meinung nach vor allem daran, dass sie kaum über Hilfsmittel verfügen, strukturiert zu suchen. Die ausführlichen Fragebögen ihrer Beratung sowie die intensiven Gespräche sollen genau diese Lücke schließen.

Private Berufsberatungen und Coaches, die sich auf Schulabgänger spezialisiert haben, gibt es in ganz Deutschland. Zwischen 150 und 1000 Euro kosten die Beratungsangebote je nach Intensität und Dauer.

Wer sich bereits für einen Beruf entschlossen hat, hat zwar den wichtigsten Schritt hinter sich, ist aber noch lange nicht aus dem Schneider. Auch nach jahrelanger Tätigkeit in einem Unternehmen treten Zweifel auf: Ist das der perfekte Job für mich? Gibt es noch Steigerungsmöglicheiten? Das herauszufinden hilft Julia Glöer. Die Berufsberaterin arbeitet nach dem Life-Work-Planning-Verfahren. Es soll den Menschen helfen, sich bewusst zu werden, was sie wirklich wollen und was ihre Stärken sind. "Viele haben Träume in der Schublade, die sie nicht umsetzen. Das kann auch daran liegen, dass sie keine Methode kennen, um diese Träume Schritt für Schritt zu zu realisieren", sagt die Trainerin aus Hamburg.

Wer sich von Julia Glöer trainieren lässt, muss erst einmal nachdenken. Das simple Bauchgefühl, dass im Job irgendetwas nicht ganz rund läuft, reicht nicht. Es geht darum, die Störfaktoren zu identifizieren: Sind die Werte des Unternehmens auch meine Werte? Mag ich das Produkt, an dem ich arbeite? Wie soll mein idealer Chef sein?

Auch hier ist es wichtig, dass der Job am Ende zur Person passt. "Jeder muss sich über seine Stärken klarwerden. Das ist manchmal gar nicht so einfach. Viele Dinge, die man gut macht, laufen nach neusten Ergebnissen aus der Hirnforschung automatisiert ab. Menschen haben daher einen blinden Fleck was ihre persönlichen Stärken betrifft. Hier hilft der Blick von außen, allerdings nicht unbedingt durch einen Coach oder Trainer, aber eine Gruppe Gleichgesinnter ist oft hilfreich", sagt Julia Glöer.

Den Blick von innen müssen ihre Kunden dann suchen, wenn sie einen möglichen Jobwechsel ins Auge gefasst haben. "AAnstatt sich einfach irgendwo blind zu bewerben, sollten sie mit Hilfe einer fundierten Methode mit Leuten sprechen, die den Wechsel bereits vollzogen haben und jetzt dort arbeiten, wo man selbst am liebsten hin will. Nach mehreren solcher Gespräche kommt man möglicherweise auch auf alternative Ideen und baut sich Netzwerke auf- und ist wieder einen Schritt weiter", sagt Glöer.

Schnelle Erfolge sind bei dieser Art von Jobsuche nicht unbedingt zu erwarten - aber über die steigende Zahl von Kontakten entwickelt sich ein Netzwerk, das einen irgendwann auf den Posten bringt, der zu einem passt, davon ist Julia Glöer überzeugt. Und dass die Suche des perfekten Arbeitsplatzes mit Mühen und Arbeit verbunden ist, dass weiß man ja schon aus Schulzeiten. Von der ersten Berufswahl.

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