Fälschungen in der Kunstszene:Das kann doch nicht teurer Ernst sein

Verdächtige Aufkleber: Auktionshäuser verkauften mehr Kunstfälschungen als angenommen. Auch das Duisburger Museum ist betroffen. Die Nachfolger der Sammler decken sich gegenseitig.

Renate Meinhof

Wen nagende Unsicherheit befällt, ob er tatsächlich einen Pechstein, einen Max Ernst, einen Léger, Derain, gar einen Heinrich Campendonk zu Hause hat - oder doch nur eine Fälschung, der sollte sich mit den Provenienzaufklebern auf der Rückseite seines Bildes etwas genauer beschäftigen.

Fälschungsskandal

 Bei dem Bild "Portrait Alfred Flechtheim" von Louis Marcoussis handelt es sich womöglich um eine Fälschung. Ein zweifelhafter Aufkleber deutet darauf hin.

(Foto: dpa)

Der Skandal um die "Sammlung Werner Jägers", von dem die Süddeutsche Zeitung am vergangenen Freitag erstmals berichtete, erschüttert die Kunstszene in einem größeren Ausmaß als bisher angenommen. Nicht nur die Bilder aus der "Sammlung Werner Jägers" haben zweifelhafte Aufkleber auf ihren Rückseiten, einer dieser Aufkleber taucht auch auf einem Bild aus einer weiteren fraglichen Quelle auf, die mit der Sammlung Jägers in engem Zusammenhang zu stehen scheint. Es handelt sich um die sogenannte "Sammlung Knops".

Sensationsfunde

Experten sprechen von bis zu 28 Gemälden, die womöglich aus der Werkstatt eines Mannes kommen, der inzwischen zusammen mit seiner Frau und deren Schwester - es sind Werner Jägers' Enkelinnen - in Untersuchungshaft sitzt. Die Berliner Kriminalpolizei und die Kölner Staatsanwaltschaft ermitteln wegen schweren bandenmäßigen Betruges.

Werke der Provenienz "Sammlung Werner Jägers" kamen nach Jägers' Tod 1992 durch dessen Enkelinnen, Helene B. und Jeanette S., über Auktionshäuser auf den Markt. Sie wurden bei Christie's in London, bei Lempertz in Köln und in der Galerie Cazeau-Béraudière in Paris verkauft und von Fachleuten als Sensationsfunde gefeiert.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wie hoch die Schadensummen ausfallen.

Außergewöhnliches Fälschertalent

Nur war dieser Werner Jägers nie Kunstsammler, auch wenn er selber gern gemalt hat. Seine Nachfahren jedoch beherrschten womöglich die Kunst, aus ihrem außergewöhnlichen Fälschertalent sehr viel Geld zu machen. Der Berner Kunsthändler und Galerist Wolfgang Henze, der das inzwischen als Fälschung identifizierte Bild von Max Pechstein "Liegender weiblicher Akt mit Katze" im Auktionshaus Lempertz in Köln erworben hatte, nennt die Zahl von etwa 80 Millionen Euro als Schadensumme.

Die sogenannte "Sammlung Knops", die nun identifizierte zweite Quelle, ist wie die "Sammlung Werner Jägers" keine historisch belegbare Sammlung. Mindestens zwei Bilder dieser Herkunft trifft der Verdacht der Fälschung. Auch das Gemälde "Radrennen" nämlich, das angeblich von Jean Metzinger stammen soll, trägt auf seiner Rückseite wie die Bilder aus der "Sammlung Werner Jägers" den fraglichen Galerie-Aufkleber "Sammlung Flechtheim", den der Flechtheim-Forscher Ralph Jentsch eindeutig als Fälschung identifiziert hatte. Bozena Nikiel, die bekannte Metzinger-Expertin, hatte das Bild für eine Fälschung gehalten.

Auch bei der "Sammlung Knops" gab der Enkel des angeblichen Sammlers Knops an, er habe die Bilder von seinem Großvater geschenkt bekommen. In einem Zivilprozess um das ebenfalls aus der "Sammlung Werner Jägers" stammende Campendonk-Gemälde "Rotes Bild mit Pferden" wurde dieser Enkel Knops', Otto S.-K. aus Krefeld, von den Jägers-Enkelinnen als Zeuge benannt. Er gab sogar schriftlich an, das fragliche Campendonk-Bild schon aus den fünfziger Jahren zu kennen, zumal sein Großvater mit Werner Jägers befreundet gewesen sei. Die beiden Männer hätten sogar erwogen, Bilder untereinander auszutauschen.

Das Gemälde "Rotes Bild mit Pferden", das der Expressionist Heinrich Campendonk 1914 gemalt haben soll, ist sehr wahrscheinlich eine Fälschung. Im November 2006 brachte es im Kölner Auktionshaus Lempertz einen Rekorderlös von 2,4 Millionen Euro und ist bis heute das teuerste Bild, das je von Campendonk versteigert wurde. Erworben hatte es die Trasteco Limited auf Malta. Schon vor zwei Jahren hat sie Lempertz auf Rückzahlung des Kaufpreises und der Provision verklagt.

Lesen Sie weiter auf Seite 3, wie man sich Legitimität verschafft.

Nicht mal die Freunde haben was gemerkt

Friederike Gräfin von Brühl, Rechtsanwältin für Kunst- und Urheberrecht in der Kanzlei K&L Gates, vertritt die Klägerseite. Für sie zeichnet sich ab, dass die Inhaber beider Sammlungen versucht haben, "sich gegenseitig Legitimität zu verschaffen".

Sind die beiden Sammlungen also Parallelkonstrukte?

Aus der "Sammlung Werner Jägers" stammt auch das Bild "La Horde", das von Max Ernst gemalt worden sein soll. Der Max-Ernst-Experte Werner Spies hatte es für echt befunden. Es wurde am 20. Juni 2006 beim Auktionshaus Christie's für 3,5 Millionen Pfund angeboten und im Nachverkauf von der deutschen Sammlung Würth erworben. Dieses Bild trägt auf der Rückseite den gefälschten Aufkleber "Sammlung Flechtheim".

Derselbe gefälschte Aufkleber findet sich auch auf einem Gemälde, das momentan als Leihgabe des spanischen Kommunikationsunternehmens Telefonica im Duisburger Lehmbruck-Museum ausgestellt ist. Der polnisch-französische Kubist Louis Marcoussis soll es gemalt haben. Der Museumsdirektor hat inzwischen neben das Bild einen Zettel hängen lassen, der die Besucher auf den Fälschungsverdacht hinweist.

Und was ist über die mutmaßlichen Täter zu erfahren? Die Enkelinnen Werner Jägers', Jeanette S. und Helene B., und auch deren Ehemann Wolfgang B. sitzen in Untersuchungshaft. Jeanette S. hat über Jahre in einem Geschäft auf dem Köln-Bonner Flughafen gearbeitet. Auf Bildern sieht man eine sportliche blonde Frau mit einem offenen Blick, mit kleinen Perlensteckern in den Ohren, mit Westernstiefeln.

Wolfgang B., der den Namen seiner Frau angenommen hat, ist Maler. Das Paar besitzt ein Anwesen in Südfrankreich und ein Haus in der Nähe von Freiburg. Menschen, die mit Wolfgang B. Kontakt hatten, würden ihn vom Typ her als "Hallodri" bezeichnen. In einem Interview erzählte er 2006 dem Spiegel von einer Schönheitsoperation, der er sich unterzogen hatte. Die Tränensäcke um die Augen herum hätten sein ästhetisches Empfinden gestört, vor allem morgens beim Rasieren. "Nicht mal meine Freunde haben was gemerkt", sagte er dem Magazin, das sei das Beste gewesen.

Als die Polizei in Köln und Freiburg mit den Hausdurchsuchungen begann, kehrten Wolfgang B., seine Frau und deren Schwester hoch alarmiert aus Frankreich nach Deutschland zurück. Die Polizei verhaftete die Drei auf dem Weg in ein Freiburger Restaurant, wo sie zu Abend essen wollten.

Im Internet kann man ein Bild finden, das der Maler Wolfgang B. im Jahre 1978 gemalt haben soll. Da steht ein Schrank in einem Zimmer. Der Schrank ist grün. Eine der Türen ist ganz geöffnet, die andere nur halb und mit zerborstener Scheibe. Vorn rechts sitzt ein Tier, eine Mischung aus Vogel und Schaf. Schaut man in den Schrank hinein, so rast der Blick auf einer Art Pritsche in die schwarze Weite des Universums.

Ein Ende ist nicht zu sehen.

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