Geschlechteruntypische Hobbys:Er strickt, sie tunt Autos

Während im Job um Gleichberechtigung gekämpft wird, gelten einige Hobbys immer noch als Frauen- oder Männerdomänen. Manchen Leuten ist das egal, trotz der Vorurteile. Vier Beispiele.

Franziska Seng

Klemens Ketelhut, 34, ist Erziehungswissenschaftler und strickt

Handarbeitfans treffen sich in Leipziger Strickcafe

Klemens Ketelhut trifft sich mit anderen Strickfans regelmäßig im Strickcafe in Leipzig. Meistens jedoch bleibt er der Hahn im Korb.

(Foto: ddp)

Mein erstes Werk war ein gewöhnlicher Schal mit fünf Jahren, meine Mutter hatte mir damals das Stricken beigebracht. Es hat mir von Beginn an Spaß gemacht, wobei ich in all den Jahren zwischendurch immer mal wieder damit pausiert habe.

Mir gefällt das Arbeiten mit der Wolle, außerdem ist es interessant zu verfolgen, wie aus einem Wollfaden ein richtiges Produkt wächst. Mittlerweile stricke ich eigentlich nur noch Socken. Die werden dann an Freunde und Verwandte verschenkt und finden reißenden Absatz. Außerdem schreibe ich über das Stricken in meinem Blog.

Die Socken zu verkaufen würde sich kaum lohnen, da stecken zu viele Arbeitsstunden dahinter. Und gute Wolle ist nicht billig. Aber für mich ist es das perfekte Geschenk, um anderen eine Freude zu machen. Das war auch früher, als zur Gründerzeit das Handarbeiten bei adeligen und bürgerlichen Frauen sehr populär wurde, der Sinn von gestickten oder gestrickten Sachen: Man verschenkte ein Stück seiner Zeit und konnte damit zeigen, wie sehr man den anderen schätzt.

Ich stricke abends beim Radiohören oder wenn ich mit dem Zug zur Arbeit pendle. Die Zugbegleiter kennen mich mittlerweile und sind nicht mehr irritiert, wenn ich da mit meinen Stricksachen sitze. Die anderen Leute oftmals schon, vor allem Frauen sprechen mich an. Sie sind überrascht, dass ich als Mann das überhaupt kann.

Bei einem befreundeten Pärchen habe ich einmal erlebt, dass die Frau zugab, ihr würde es missfallen, wenn ihr Freund strickte. Es ist mit dem modernen Geschlechterbild nicht vereinbar, dass Männer handarbeiten, dabei war das früher anders.

Es gibt zum Beispiel ein Gemälde von Carl Spitzweg aus dem 19. Jahrhundert, das einen strickenden Soldaten neben einer Kanone zeigt. Früher waren die Soldaten laut einer Verordnung dazu angehalten, stricken zu lernen, um in Friedenszeiten eine Beschäftigung zu haben, mit der sie Geld verdienen konnten. Ich stricke, weil es mich entspannt und mir einfach Freude macht. Außerdem kann ich mich für Dinge wie etwa Autos einfach nicht interessieren.

Barbara Langenberger tunt Autos

Barbara Langenberger, 33, ist Außendienstkauffrau und tunt Autos

Barbara Langenberger

Barbara Langenbergers neueste Leidenschaft: ihr Audi RS6. Beim Tuning legt sie nicht Wert auf protzige Accessoires, sondern einen stimmigen Gesamteindruck.

(Foto: oH)

Es begann damit, dass mir mein Mann Rückleuchten und Räder für meinen damaligen Lupo geschenkt hat, das war mein erstes richtiges Tuningauto. Da das Tuning jedoch schnell zu einer Art Dauerbeschäftigung wurde, habe ich mir bald ein größeres Auto angeschafft.

Beim Tuning geht es mir darum, aus dem Auto etwas Besonderes zu machen. Allerdings würde ich keine grellen Airbrush-Motive oder Swarovski-Steinchen anbringen, wie man das bei den getunten Autos mancher anderen Frauen sieht. Bei meinem ersten größeren Auto, einem gebrauchten Audi, habe ich mich vielmehr bemüht, Originalteile aus neueren Modellen möglichst passgenau einzubauen und hochwertige Materialien, etwa Carbon, zu verarbeiten.

Ich bin beim Tuning sehr penibel. Alles was nicht hundertprozentig passt, kommt nicht ans Auto. Das Gesamtkonzept hat zu stimmen und die Leistung des Autos mit der Optik zu harmonieren. Und mein Wagen muss einfach etwas haben, was kein anderer vor mir in der Auto-Szene hatte.

Was ich nicht mag, ist alles, was in die Kategorie "tiefer, breiter, härter" fällt. Also zum Beispiel überdimensionierte Spoiler, extrem tiefergelegte Fahrwerke oder auch schlecht verarbeitete Tuningteile. Ich finde, manchmal werden die Autos richtiggehend verschandelt, aber darüber sollte man einfach nur dezent lächeln.

Ich bin auch viel unterwegs in der Auto-Tuning-Szene. In den Jahren 2003 bis 2006 habe ich auf Tuning-Treffen mit meinem damaligen Auto regelmäßig Pokale gewonnen, das Highlight war der Sieg beim TÜV Tuning OsCar Ende 2006.

Seit 2007 baue ich nun meinen aktuellen Audi auf, auch damit habe ich schon einige Pokale gewonnen. Als Frau ist es jedoch nicht immer leicht, mit einem solchen Wagen anzukommen. Mein Auto wird zwar grundsätzlich gut angenommen, aber man muss immer auf Neider und die dementsprechenden blöden Sprüche gefasst sein.

Ich habe aber auch positive Erfahrungen gemacht. In der Szene sind Freundschaften entstanden und ich bin als Tunerin anerkannt. Vor allem in Fachforen gibt es viele Leute, die mich um Rat fragen. In einer von Männern dominierten Szene ist das, denke ich, ein gutes Zeichen.

Jurij Seitenzahl, 20, arbeitet in bei einem Pharmaunternehmen in der Qualitätssicherung und ist Cheerleader

Jurij Seitenzahl

Jurij Seitenzahl ist Cheerleader bei den FTG Allstars. Ihm gefällt die Mischung aus Stunts, die an Martial Arts erinnern, und Bodenturnelementen.

(Foto: oH)

Wenn ich erzähle, dass ich Cheerleading mache, bekommen meine Gesprächspartner einen seltsamen Gesichtsausdruck. Sie denken nur an die bunten Puschel, und an ihren Gesichtern kann man gut die Gedanken ablesen: "Der muss schwul sein." Wenn ich ihnen erkläre, was richtiges Cheerleading bedeutet und was für eine Sportart das ist, sind Vorurteile jedoch schnell vom Tisch.

Bevor ich zum Cheerleading kam, habe ich viele andere Sportarten ausprobiert: Thaiboxen und Hapkido zum Bespiel, und parallel dazu Geräteturnen. Dann habe ich mal bei einem Training meines jetzigen Vereins, des FTG Pfungstadt, zugeschaut und war begeistert von der Leistung, die dort gezeigt wurde.

Cheerleading ist ein sehr vielseitiger Sport, der aus verschiedenen Elementen besteht: dem Tumbling zum Beispiel, das ist in etwa mit Bodenturnen zu vergleichen. Außerdem die Baskets, das sind Figuren, in denen die Mädchen durch die Luft wirbeln, oder die Stunts, das sind die Hebefiguren.

Ursprünglich bin ich wegen des Tumbling dabeigeblieben, denn damit konnte ich meine vorherigen Sportarten, den Kampfsport und das Turnen, miteinander vereinen. Seitdem ich vier Mal pro Woche trainiere, ist für die nämlich weder Zeit noch Kraft übrig.

Leider denken die meisten Leute in Deutschland bei Cheerleading nur an eine Form dieser Sportart, nämlich den Cheer Dance: Das sind die Mädels mit den Puscheln, die beim Football die Spieler anfeuern. Das ist schade, denn eigentlich ist Cheerleading ein selbständiger Sport, wir haben sogar eigene Meisterschaften. Wir cheeren zwar manchmal für andere Sportarten, aber das ist eher, um unsere Vereinskasse aufzubessern.

In den USA sind männliche Cheerleader verbreiteter, es gibt sogar spezielle College-Stipendien. Dort liegt auch der Ursprung des Sports: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es Studenten, die auf das Spielfeld liefen, vom Rand aus das Team anfeuerten und das Publikum zur Unterstützung der eigenen Mannschaft animierten. Überhaupt war das Cheerleading ursprünglich eine reine Männersache.

Heidi Oehlmann angelt

Heidi Oehlmann

Heidi Oehlmann hat während eines Dänemarkurlaubs das Angelfieber gepackt. Seitdem angelt sie regelmäßig, entweder allein oder mit ihrem Mann.

(Foto: oH)

Heidi Oehlmann, 27, ist Kauffrau und Anglerin

Mein Mann war schon immer ein begeisterter Angler und hatte mich auch schon ein paar Mal mitgenommen, allerdings konnte ich dem stundenlangen am See sitzen und Warten damals nichts abgewinnen. Ich empfand es als langweilig, und wenn die Angler untereinander fachsimpelten, war das einfach nur nervig.

Im Urlaub hat mich dann doch das Angelfieber gepackt. Zusammen mit einem anderen Paar waren wir in Dänemark, die Männer gingen Angeln, wir wollten eigentlich an den Strand. Aber da es pausenlos regnete und es zum Baden zu kalt war, sind wir eben auch mit zum Angeln. Schlimmer, als in der Ferienwohnung zu sitzen, konnte es schließlich nicht werden. Ich nahm die Rute selbst in die Hand und nach ein paar Minuten hatte ich schon den ersten Biss, einen Barsch. Das war der Moment, in dem es bei mir "Klick" gemacht hat.

Seitdem gehe ich regelmäßig zum Angeln, entweder alleine oder mit meinem Mann. Es ist ideal, um Stress abzubauen, außerdem bin ich gerne draußen in der Natur. Wenn dann noch ein Fisch beißt und man ihn aus dem Wasser bekommt, ist das ein richtiges Glückserlebnis. Leider gibt es ansonsten wenige Frauen, die angeln. Sie denken womöglich, dass das ein reines Männerhobby ist, vielleicht finden sie es auch eklig. Die Fische riechen ja doch ein bisschen und sind glitschig.

Die Reaktionen, die ich von Männern bekomme, sind meistens positiv. Sie fragen mich zum Beispiel in meinem Blog, wie sie ihre Frauen überreden könnten, auch mit dem Angeln anzufangen. Sie würden sich nämlich freuen, wenn ihre Partnerinnen sie begleiteten. Das Klischee, dass man beim Angeln nur stillsitzen und nicht reden darf, um die Fische nicht zu vertreiben, stimmt nämlich nicht. Man sollte natürlich nicht laut in der Gegend herumschreien, aber normale Unterhaltungen sind kein Problem. Freilich gibt es auch Männer, die sich über Frauen am Wasser aufregen, aber die nehme ich nicht ernst. Das sind meistens solche, die nur zum Angeln gehen, um heimlich ihre Bierchen zu kippen.

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