Kolumne "La Boum":Das Suppen-Emoji

Der Élysée-Palast kommuniziert über Whatsapp, und alle achten auch im Digitalen die Würde des Amtes. Bis es Popcorn gibt.

Von Nadia Pantel

La Boum
(Foto: Steffen Mackert)

Dinge, die man ironisch tut, werden schnell ernst. Eierlikör trinken zum Beispiel oder Minigolf spielen. Am Anfang ist es noch ein halb witziges Distinktionsmanöver. Hahaha, ich mach dasselbe wie meine Großeltern, dabei bin ich doch erst 20. Ein paar Jahre später ist man schon nicht mehr ganz so 20, hat sich aber aus Versehen daran gewöhnt, rohes Ei mit Alkohol zu trinken. Mein persönliches Minigolf sind Emojis. Ich durchlief drei Phasen. Erst hielt ich jeden, der Smileys verschickt, für einen kompletten Trottel. Dann wich meine Verachtung einer Obsession, und ich ersetzte so viele Wörter wie möglich durch bunte Bildchen. Wenn ich etwas gut fand, verschickte ich einfach nur einen Hammer. Oder ich schrieb "gehe auf dem Zahnfleisch" nur aus Emojis. Inzwischen bin ich in Phase drei. Ich setze hinter jedes "Hallo" einen Winke-Smiley. Das ist letztlich wie Phase eins, nur dass ich auf die Seite der Trottel gewechselt bin.

Die einzigen Orte, an denen ich mit meinen Emojis noch ein wenig haushalte, sind die Whatsapp-Gruppen des Élysée. Dort werden Korrespondenten und Reporterinnen von einem strengen Presseteam mit sorgfältig vorgesiebten Informationen versorgt. Nachrichten in diesen Gruppen beginnen immer mit einem höflichen "Bonjour" und enden mit Gruß und Nennung des eigenen Namens, als bestünde das Handy aus Büttenpapier. Doch einmal schrieb die Gruppenchefin "Stay tuned" (auf Englisch!) und postete dazu ein Popcorn-Emoji. Die Dämme brachen. In den folgenden Stunden gönnten sich alle die Emojis, auf die sie so lange verzichtet hatten. Klatschende Hände, Daumen hoch, Winke-Smiley, Europafahne. Das ließ sich auch thematisch begründen, weil gerade EU-Gipfel war und die Whatsapp-Gruppe die Nacht durchbrummte. Am nächsten Morgen waren alle wieder seriös.

Bis vor Kurzem ein Emoji-Virtuose einen Fonduetopf in eine Élysée-Gruppe sendete. Die Stimmung zwischen Élysée und Journalisten war angespannt, ein seit Stunden versprochenes Redemanuskript schimmelte irgendwo vor sich hin, und in den Redaktionen wuchs die Ungeduld. Die ersten fingen an, Cocktail-mit-Schirmchen zu verschicken. Dann meinte einer: "Alkohol reicht jetzt nicht mehr" und komponierte die Emoji-Reihe Fondue, Avocado, Wassermelone. Als hätte er einfach aufgegeben und sein Telefon einem hungrigen Kleinkind überlassen.

Am besten wird es, wenn jemand von uns in den Gruppen verrutscht und seine Urlaubsfotos ans Élysée schickt. Meist dauert es ein paar Minuten, dann werden die Pool- und Wanderbilder kommentarlos gelöscht. Folgende starke Nachricht blieb kürzlich etwas länger stehen: "War bei meiner Zahnärztin, die hat mir brutal die Fresse poliert." Aus Pietät taten alle, als hätten sie es nicht gesehen. Mein Daumen schwebte ein bisschen über dem Suppen-Emoji, dann zügelte ich mich.

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Paris-Kolumne
:La Boum

Nadia Pantel ist SZ-Korrespondentin in Frankreich. Über ihr Leben in Paris schreibt sie jeden Freitag die Kolumne "La Boum". Hier gibt es alle bisher erschienenen Folgen zum Nachlesen.

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