Unerfüllter Kinderwunsch:Tomaten essen, Sport treiben, Leihmutter engagieren

Newborn girl wrapped in a towel holded by the doctor in the delivery room model released Symbolfoto

Der Traum vom eigenen Kind: Mithilfe der Methoden, die auf den Kinderwunsch-Tagen präsentiert wurden, soll er Wirklichkeit werden.

(Foto: imago/Westend61)

Auf der ersten Kinderwunschmesse Deutschlands informieren Fruchtbarkeitskliniken aus dem Ausland - unter anderem über selbstlose Spenden und "begnadete Eizellen".

Reportage von Tim Neshitov

Wie kann man Spermaqualität erhöhen? Diese Expertin hat folgende Ratschläge: Tomaten essen, Austern, Spargel, dunkle Schokolade ...

Der Mann im Publikum drückt seine Daumen aneinander, hört zu. Seine Freundin macht Notizen: Bananen, Kürbiskerne, Rindfleisch, Melone sind gut. Koffein, Cola, Soja, Alkohol, Tabak sind nicht gut. Sport machen. Nicht zu viel fernsehen, ja, auch dazu gibt es eine Studie: Mehr als 20 Stunden Fernsehen pro Woche schaden demnach den Spermien. Enge Unterwäsche vermeiden. Wifi: Nicht gut, also Handy nicht in der Hosentasche tragen; auch Laptops auf dem Schoß schaden den Spermien.

Reproduktionsmesse in Deutschland ein Novum

Der Mann im Publikum atmet tief durch die Nase. Sie sind seit fünf Jahren zusammen, sie 33, er 38. Seit drei Jahren versuchen sie, ein Kind zu kriegen, aber sein Sperma ist nicht gut genug. Sagen die Ärzte.

Andere Ärzte sagen, die Werte seien in Ordnung. Die beiden sind genervt. Verunsichert. Nun sitzen sie im fensterlosen Seminarraum eines Hotels in Berlin Moabit, auf einer Messe zum Thema Kinderwunscherfüllung. Sie sind aus Hamburg angereist und schlafen sogar in diesem Hotel.

"Spermahölle", sagt die Spermaexpertin. So heißt der Gebärmutterhals in Fachkreisen. Von den durchschnittlich ejakulierten 250 Millionen Spermien schaffen es nur 3000 durch den Gebärmutterhals.

Diese Messe - sie heißt "Kinderwunsch Tage" - ist umstritten; der Veranstalter ist eine Agentur aus England, dort sind solche Messen üblich, aber in Deutschland ist das eine Premiere. Es werden diverse Verfahren der Reproduktionsmedizin vorgestellt, von denen einige hierzulande aus ethischen Gründen verboten sind, obwohl sie in den USA, Tschechien oder Spanien nicht nur nicht verboten, sondern auf dem Kinderwunschmarkt sogar sehr gefragt sind, zum Beispiel die Leihmutterschaft oder die Eizellspende.

Vorstellen darf man sie in Deutschland trotzdem, unter der Voraussetzung, dass man sie kommerziell nicht bewirbt. Der Veranstalter versicherte in der Ärzte-Zeitung: "Im Vorfeld haben sich die Aussteller in einem Verhaltenskodex verpflichtet, keinerlei werbliche Handlungen durchzuführen, Erfolgszahlen oder Preise zu nennen."

Eizelle aus Tschechien

In der Praxis läuft das dann in etwa so ab: Im Seminarraum 1 hält Dr. med. Petr Uher von der Kinderwunschklinik Karlsbad Fertility einen Vortrag mit dem Titel "Eizellspende als Ultima Ratio". Der Raum ist luftarm und rappelvoll, Menschen stehen, sitzen auf dem Boden. Das Paar aus Hamburg hat Sitzplätze bekommen.

Der tschechische Experte Dr. Uher spricht Deutsch. Die Eizellspende sei eine "freundliche Therapie", der Ablauf sei "wenig frustrierend". Eizellen, die zur Schwangerschaft führen, heißen bei ihm "begnadete Eizellen". Er zeigt sie in 6600-facher Vergrößerung, und er zeigt lachende Gesichter junger Frauen, die in Karlsbad Eizellen spenden.

Das ist etwas verwirrend, denn er betont gleichzeitig, dass die Spenderinnen anonym bleiben, so will es das tschechische Gesetz. Immerhin sind unter den Fotos keine Namen. Die Spenderinnen seien "junge gesunde Frauen zwischen 20 und 32", Studentinnen, Krankenschwestern, Frauen im Mutterschutz. "Wir schützen die Spenderinnen", sagt Dr. Uher.

Erfolgsquote: 54 bis 78 Prozent

Eine Eizellspende ist ein starker Eingriff: Die Spenderin bekommt Hormone gespritzt, zur Stimulation, damit nicht eine oder zwei Eizellen heranreifen, sondern zehn bis zwölf, es kann der Frau davon schwindelig werden, sie kann Hitzewallungen bekommen, und dann werden die Eizellen unter Narkose geerntet.

Alle Spenderinnen machen das freiwillig, betont Dr. Uher. Bekommen sie Geld dafür?, fragt jemand. 850 Euro plus Erstattung der Kosten, aber es gehe hier keinesfalls ums Geld, beteuert Dr. Uher. "Es ist eine Spende." Das Publikum hat keine weiteren Fragen.

Die Erfolgsrate seines Unternehmens dürfe er ja nicht nennen, sagt Dr. Uher, also wie viele Frauen schwanger werden, aber so als Richtwert: zwischen 78 und 54 Prozent, zwinker, zwinker. Die kinderlose Frau aus Hamburg schreibt mit. Die Hälfte von Dr. Uhers Kundschaft kommt nach seinen Angaben aus Deutschland.

Gutscheine für Erstuntersuchungen in der Ukraine

Am Stand von Karlsbad Fertility, zu dem das Paar aus Hamburg dann auch hinwandert, geht es ausgesprochen fröhlich zu. Junge gut gelaunte Mitarbeiterinnen schenken Becherovka ein, es gibt Schokokugeln und Gummibärchen. Und es gibt, ohne viel Aufhebens, einen Aufnahmefragebogen auf Deutsch und eine Preisliste. Befruchtungszyklus mit gespendeten Eizellen: 5900 Euro.

Gleich daneben verteilen Mitarbeiter von Intersono Medical Center, einer Klinik aus dem westukrainischen Lwiw, Voucher für kostenlose Erstuntersuchungen. Die Notizen, die die Frau aus Hamburg macht, macht sie sich praktischerweise in einem überall ausliegenden Notizheftchen von Oregon Reproductive Medicine, das sind Kollegen aus den USA.

Dieses Paar will eine Behandlung in Tschechien machen. Erst mit eigenen Eizellen, aber wenn es nicht klappt, gleich dort mit fremden Eizellen und fremdem Sperma, auch wenn das Kind dann nie erfahren wird, wer seine biologischen Eltern sind. Zur Not: Adoption. In Deutschland fühlen sich die beiden überhaupt nicht gut beraten. "Wir haben einen akuten Kinderwunsch", sagt die Frau, den Tränen nah. "Aber keiner sagt uns, was überhaupt möglich ist."

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