Comedian Kaya Yanar im Gespräch:"Ich bewundere Otto Waalkes"

Kaya Yanar macht Integrationscomedy - mit der Religion hält er es eher vorsichtig. Ein Gespräch über sein erstes Buch, Tempolimits und Paranoia.

Tilman Queitsch

Kaya Yanar, 37, präsentierte mit Anfang 20 noch Autos auf Messeständen. Zwischen seinen Moderationen baute er Gags ein, die ihn nur wenig später zur Mitternachtsshow des Chamäleon Varietés in Berlin bringen sollten. Ganze Bühnenprogramme entwickelte der aus einer türkisch-arabischen Familie stammende Yanar gegen Ende der 90er Jahre. Immer dabei: Hakan, Francesco und Ranjid, seine fiktive Multi-Kulti-Clique. Bekannt wurde Yanar vor allem durch seine Sat.1-Fernsehshow Was guckst du?!. Heute erscheint sein erstes Buch, "Made in Germany".

kaya yanar

Wildert in Klischees, obwohl er damit eigentlich nur Liebeserklärungen machen möchte: Kaya Yanar, Comedian und seit neuestem auch Buchautor.

(Foto: S2-Management)

sueddeutsche.de: Herr Yanar, auch wenn Sie nicht gerne gefragt werden, ob Sie sich als Deutscher oder als Türke fühlen: In welchen Situationen stellen Sie sich selbst diese Frage?

Kaya Yanar: Wenn ich im Ausland unterwegs bin, merke ich: "Oh, du bist deutscher als du denkst!" In der Schweiz zum Beispiel: Dieses Tempolimit von 120 auf der Autobahn - das killt mich! Oder mir wird klar, dass ich Rom und Paris zu chaotisch finde und mir sehnlichst diese typisch deutsche Ordnung zurückwünsche.

sueddeutsche.de: Ihr Buch trägt den Titel "Made in Germany". So heißt auch ein Comedy-Programm von Ihnen. Vieles erkennt man wieder. Was gibt es Neues zu lesen?

Yanar: Es gibt sicher Überschneidungen, ich mache ja seit zehn Jahren Bühnensketche zu dem Thema. Nichtsdestotrotz bin ich im Buch ausführlicher, für das Thema "Kindheit" beispielsweise habe ich mir die Bildungswege in Deutschland angesehen. Ich selbst habe eine klassische Schulausbildung auf einem altsprachlichen Gymnasium genossen. Für ein Kapitel habe ich mich mit einem Bekannten unterhalten, der auf eine Waldorfschule ging.

sueddeutsche.de: Und was haben Sie dabei gelernt?

Yanar: Dass es kein perfektes Schulsystem gibt.

sueddeutsche.de: Sie setzen bei Ihren Auftritten auf Körpersprache und agieren viel mit Ihrem Publikum - schwierig, Ihre Art von Comedy in Buchform umzusetzen. Wie sind Sie vorgegangen?

Yanar: Ich lebe von Gestik und Mimik, von meinen darstellerischen Fähigkeiten auf der Bühne. Deswegen wollte ich wissen: Was bleibt, wenn man das alles abzieht? Beim Schreiben musste ich auf jeden Satz peinlich genau achten, über den ich auf der Bühne überhaupt nicht nachgedacht hätte. Das war die Herausforderung.

"Ich bin einer, der steht und macht"

sueddeutsche.de: Sie beschreiben, wie Ihre Eltern als Gastarbeiter nach Deutschland kamen. Integrationsprobleme gehen Sie teilweise an, wenn auch humorvoll. Welche "ernsten" Botschaften stecken in Ihrem Buch?

Yanar: Da tue ich mich schwer. Ich bleibe eher auf der komischen Schiene. Zwar mache ich es mir nicht zur Aufgabe, stehe morgens auf und sage: "So, ich möchte jetzt einen Beitrag zur Integrationsdebatte leisten." Aber ich sperre das Thema auch nicht aus. In dem Kapitel über Rituale stelle ich fest, dass meine Familie weder Ostern noch Weihnachten feierte. Und trotzdem hat die Integration bei mir geklappt.

sueddeutsche.de: Was können Comedians - ob nun mit Migrationshintergrund oder ohne - zu dieser Debatte beitragen?

Yanar: Sie können keine kompletten Probleme lösen, aber bestimmt eine Atmosphäre kreieren, in der es leichter fällt, das Thema anzupacken. Humor schafft keine schwierigen Konflikte aus der Welt, aber er bietet einen Boden, einen Teppich, auf dem beide Seiten einfacher miteinander umgehen können - und das ist das Maximum, das er leisten kann.

sueddeutsche.de: Wie werden solche Erfolge sichtbar?

Yanar: Wir haben in den vergangenen zehn Jahren Zuschriften bekommen, vor allem von deutschen Fans, die schrieben: "Vor Was guckst Du?! hatte ich ein schwierigeres Verhältnis mit meinen ausländischen Nachbarn." Heute sei das ganz anders. Sowas ermutigt einen natürlich sehr. Es kommen auch Mails von ausländischen Zuschauern, die meinen: "Hey, Du bist eine Inspiration!" oder "Du bist der Beweis, dass es doch möglich ist, in Deutschland zurechtzukommen".

sueddeutsche.de: Gibt es dazu auch eine Kehrseite?

Yanar: Nicht wirklich. Nur das Übliche, was Comedians eben bekommen - Mails, deren Verfasser kritisieren, dass ihnen das Programm oder die Art von Humor nicht gefällt.

sueddeutsche.de: 2007 haben Sie die ZDF-Show Kaya Yanar testet Deutschland - Die Multi-Kulti-Show moderiert. Dabei mussten unter anderem Prominente mit Migrationshintergrund herausfinden, was typisch deutsch ist und was nicht. Wie gefiel Ihnen diese Rolle?

Yanar: Es ging so. Ich fand das Konzept ganz nett. Und ich konnte endlich mal Gäste begrüßen, nachdem ich vorher in 120 Folgen Was guckst du?! immer nur mit mir selber gespielt hatte. Allerdings ist mein Humor öffentlich-rechtlicher gemacht worden. Das fand ich im Nachhinein schade.

sueddeutsche.de: Was genau meinen Sie damit?

Yanar: Ich hätte mir frechere Aktionen gewünscht, nicht nur herumsitzen und quatschen. Ich bin eher einer, der steht und macht. Das ist mir zu behäbig, wie das bei den öffentlich-rechtlichen Kanälen so läuft. Aber trotzdem war es eine interessante Erfahrung.

"Meine Karikaturen sind Liebeserklärungen"

sueddeutsche.de: Parodien auf ethnische Gruppen sind Ihr Metier. Sie spielen den Türken Hakan, den Italiener Francesco und den Inder Ranjid. Gibt es ein Tabu, eine Nationalität, die Sie nicht karikieren würden?

Yanar: Eine Gruppe per se gibt es nicht. Was ich als Thema nicht beackere: Religion. Weil die Humorgrenzen sehr eng gesteckt sind, sobald es um etwas geht, was den Leuten im wahrsten Sinne des Wortes heilig ist. Da wildere ich lieber in anderen Gebieten: Sprachenkulturen, feste Rituale, komische Gesetze, Brauchtümer im Ausland - damit kann jeder umgehen. Gottesanschauungen und so etwas - da habe ich nichts verloren.

sueddeutsche.de: Von welchen Themen sollten Comedians und Karikaturisten generell die Finger lassen?

Yanar: Jeder Kollege muss für sich selber entscheiden, mit welchen Themen er auftritt. Es gibt natürlich auch viele, die Religion auf's Korn nehmen. Zum Beispiel englische Comedians, die katholisch erzogen wurden und sich über ihre eigene Kirche lustig machen. Wenn ich das machen würde - das wäre komisch. Manche könnten denken, ich wäre irgendein Islamist, der versucht, den Katholizismus zu diffamieren.

sueddeutsche.de: So eine heftige Reaktion können Sie sich vorstellen?

Yanar: Beim Thema Religion gibt es Fundamentalisten auf beiden Seiten. Ich habe darüber schon alles Mögliche gehört und gelesen. Nicht über mich, aber man stößt auf viele Paranoiker. Deswegen fühle ich mich auf dem Terrain auch nicht wirklich wohl.

sueddeutsche.de: Politik ist normalerweise auch nicht Ihr Ding, aber warum nicht mal einen Politiker karikieren?

Yanar: Ehrlich gesagt: Das könnte ich mir nicht vorstellen. Meine Karikaturen sind ja immer Liebeserklärungen.

sueddeutsche.de: An wen? An die Gruppen, die Sie parodieren?

Yanar: Ja, wenn man das so ausdrücken will. Hakan ist zum Beispiel eine Liebeserklärung an alle tumben Türsteher, die einfach gestrickt, brutal, aber doch irgendwie liebenswürdig sind. Das macht den Reiz eines Hakans aus. Ranjid ist da eher das Kind im Manne. Um die beiden spielen zu können, muss ich sie lieben. Und das tue ich. Das ist meine verschrobene Art zu sagen: Ich mag diese oder jene Kultur. Dazu muss ich sie lange studieren - wenn ich eine niederländische Figur darstellen möchte, reise ich nach Holland, spreche dort mit Leuten und atme diese Kultur ein.

sueddeutsche.de: Das wäre bei Politikern natürlich nicht so verlockend wie bei Holländern.

Yanar: Nein, das reizt mich überhaupt nicht.

"Jeder kennt einen Hakan"

sueddeutsche.de: Wieso, glauben Sie, funktionieren Ihre Figuren? Was macht Ihr Programm erfolgreich?

Yanar: Jeder kennt einen Hakan, einen Türsteher wie ihn. Die Figuren fußen auf echten Charakteren und ich kann ihnen Leben einhauchen. Beides zusammen macht die Pointen aus. Meine Fans werden auch immer jünger. Ich bewundere solche Leute wie Otto Waalkes, die über mehrere Generationen hinweg unterhalten. Das ist ein lohnendes Ziel.

sueddeutsche.de: Wobei selbst Fans von Otto viele seiner Witze nicht mehr hören wollen ...

Yanar: Man muss eine Mischung aus Klassikern und neuem Material finden. Ich bin mir sicher, in zehn Jahren möchte man immer noch den Spruch "Was guckst du?!" von mir hören. Dabei bleibt es eine Kunst, sich gleichzeitig neu zu erfinden. Madonna ist ja ein super Beispiel aus einem anderen Metier. Die kriegt das hin, sogar auf spannende Art und Weise.

sueddeutsche.de: Gibt es Gags, die Ihnen nachträglich peinlich sind?

Yanar: Ja, sicher. Mein erstes Programm "Suchst du?" war wirklich spätpubertär. Ich war damals 26 und mein Publikum ungefähr so alt wie ich. Heute erinnere ich mich und sehe das mehr als eine Art "Sturm und Drang"-Zeit von mir (lacht). Zum Beispiel lieferte ich bei "Suchst du?" viele Masturbationswitze. Das würde ich heute nie bringen! Meine jungen Fans würden sich fragen: Wovon redet der da, was macht der unter der Dusche?

Kaya Yanar: "Made in Germany", Heyne-Verlag, München 2011

Am Wochenende startete Kaya Yanars neues Comedy-Format Kaya Yanar & Paul Panzer - Stars bei der Arbeit. Dabei probieren die beiden Comedians verschiedene Berufe aus. Die nächste Folge zeigt RTL am Samstag, 15. Januar um 21.15 Uhr.

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