Erfundener "Wetten-dass..?"-Bericht:Kritik der reinen Unvernunft

Eine österreichische Tageszeitung hat "Wetten, dass..?" zu Ende geguckt. Die Sendung, die es nicht gab. Und eine launige Kritik vorgelegt zu Gastauftritten, die nicht stattgefunden haben: "Robbie holte Show aus dem Koma" war denn auch der Titel.

Christina Maria Berr

Jeder Normalinformierte im deutschsprachigen Sendebereich des ZDF weiß: Am Samstag musste Gottschalks Wetten, dass..? vorzeitig beendet werden, weil der schreckliche Unfall eines Wettkandidaten den Show-Abbruch notwendig machte. Das geschah im Anschluss an die erste, fatal verlaufene Wette. Darum hatten die meisten der angekündigten Stargäste noch gar nicht auf Gottschalks Sofa Platz genommen. Kein Zuschauer hat sie also zu Gesicht bekommen. Und gehört wurden ihre Sangesdarbietungen demnach auch von niemandem.

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"Robbie holt Show aus Koma" - die Tageszeitung Österreich über die Wetten-dass..?-Sendung, die wegen eines Unfalls abgebrochen werden musste.

Das focht die Macher der Tageszeitung Österreich wohl nicht an, in der Abend-Ausgabe einen offensichtlich in Unkenntnis der Sendung, also im Vorfeld der Live-Sendung geschriebenen Bericht zu verfassen, der die exklusive Meinung vertrat: "Robbie holte Show aus Koma." Der - wie gesagt - war weder auf die Sitz- noch Sangesbühne gelangt.

Begleitet wurde die Kritikfiktion von einer Doppelseite Fotos der vermeintlich gelungenen Show. Robbie Williams als "Topstar" und Thomas Gottschalk mit Michelle Hunziker, brav in die Kameras lächelnd. Eine erfolgreiche Wetten, dass..?-Show im ZDF. So wie immer eigentlich.

Das war sie bekanntlich nicht. In der Familienshow am Samstagabend hatte es gleich bei der ersten Wette besagten Unfall gegeben. Der Wettkandidat hatte sich beim Sprung über Autos schwer verletzt. Moderator und Showtitan Thomas Gottschalk hatte die Sendung zunächst unterbrochen - und schließlich mit nachdrücklicher Begründung vor laufender Kamera vorzeitig beendet. Es ist das erste Mal in der fast 30-jährigen Geschichte der erfolgreichen Sendung, dass es in der Wetten-dass..?-Sendung einen so schweren Unfall gegeben hat und das erste Mal, dass die Sendung abgebrochen wurde.

Während also die meisten deutschsprachigen Zeitungen am folgenden Sonntag voll waren mit Berichten zum Unfall, Einschätzungen und dem Quotendruck und der damit verbundenen Waghalsigkeit von Wetten, fand sich in der Tageszeitung Österreich nichts davon. Der Artikel ist mutmaßlich vor der Sendung geschrieben worden - um damit trotz früheren Andrucks rechtzeitig auf dem Markt zu sein.

Keine Stellungnahme zur Geisterkritik

Damit verstößt die Zeitung gegen den sogenannten "Ehrenkodex für die österreichische Presse". Dort heißt es unter anderem: "Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten und Kommentaren sind oberste Verpflichtung von Journalisten."

Damit scheint es hier nicht weit her zu sein. So wusste der Verfasser des auf Seite 36 abgedruckten Textes: "Robbie trat in der Show zweimal auf, einmal solo und dann mit Band." Weiter erklärte er, "Oscar-Star Christoph Waltz" habe gemeinsam mit Cameron Diaz auf der Couch Platz genommen, "um dort mit Teenie-Idol Justin Bieber und der ewig jungen Cher zu plaudern". Diese Nachricht war den Redakteuren sogar eine Vorschau auf der Titelseite wert: "So rockte Robbie Gottschalk" heißt es da und: "Er machte TV-Auftritt zur Show." Zu derartigen Begegnungen kam es - wie gesagt - nicht.

Auf der dazugehörigen Onlineseite www.oe24.at findet sich mittlerweile eine ausführliche Berichterstattung inklusive eines Livetickers zum Unfall - eine Richtigstellung des eigenen Printartikels allerdings gibt es nicht. Stattdessen beginnt die Seite mit einer völlig anderen Stellungnahme "Im Namen der Republik!" Danach heißt es, der Verlag dürfe nicht mehr behaupten, die Tageszeitung Österreich sei "wenn auch bloß sinngemäß, als die neue Nr. 1 der österreichischen Auflagenkontrolle (ÖAK)" anzusehen.

Die Redaktion selbst wollte zu der Geisterkritik zunächst keine Stellung nehmen. Doch mittlerweile äußerte sich der Herausgeber Wolfgang Fellner: "Es ist unglücklich geschrieben", sagte er sueddeutsche.de, man werde aber in Zukunft bei Berichten über Wetten, dass ..? besser aufpassen. Immerhin.

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