Fernsehen:Günther Jauch geht zur ARD

Groß wurde er bei der ARD, nun kehrt er nach Stationen bei ZDF und RTL zurück: Günther Jauch moderiert künftig sonntags im Ersten Programm eine Talksendung. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat somit einen neuen Star und Vorzeigejournalisten. Schöne Produktionsaufträge ebneten den Weg.

Hans-Jürgen Jakobs und Christopher Keil

Die Sache lief unter konspirativen Umständen. Dementis gehörten dazu, wann immer ein Journalist danach fragte. Günther Jauch, der Fernsehstar in Diensten des Vergnügungsdampfers RTL, zurück zur ARD? Nichts dran, hieß es da. Dass der ausgebildete Journalist immer öfter in Talkrunden der ARD als redefreudiger Gast dasaß, wurde als hübsche Nebenerscheinung abgetan.

RTL - Günther Jauch

Begehrter Moderator: Günther Jauch, hier bei der Show zum 25-jährigen Jubiläum von RTL im Januar 2009

(Foto: dpa)

Jetzt ist es soweit. Günther Jauch kommt tatsächlich zurück - so wie der Bundesliga-Fußball vor einigen Jahren nach Fremdzeiten bei RTL und Sat 1. "Football's coming home", ließen die Strategen im Ersten damals spielen. Nun können sie ähnlich feiern bei jenem Mann, der einst im Bayerischen Rundfunk in München groß wurde und inzwischen als quotensicherer Infotainer gilt.

Von Herbst 2011 an wird Günther Jauch am Sonntagabend nach dem Tatort eine Talkshow moderieren. Am Sonntag ist bis jetzt Anne Will zu sehen, die einen anderen Sendeplatz erhalten soll. Günther Jauch wiederum werde "im Zuge der Übernahme der Moderation des Polittalks am Sonntagabend bei der ARD" im Laufe des Jahres 2011 die Moderation von Stern-TV abgeben, teilt RTL mit. Die gemeinsame Arbeit bei Wer wird Millionär? und im Show-Bereich werde fortgesetzt, inklusive neuer Formate.

Mit Wer wird Millionär? selbst Millionär geworden

Die Deutschen würden Jauch, das kommt regelmäßig in Umfragen heraus, sogar zum Bundespräsidenten wählen. Nun sehen sie ihn wieder regelmäßig im Ersten. Er könnte auch große Galas oder Jahresrückblickssendungen moderieren sowie bei Wahlen Fragen stellen. Überhaupt: Er könnte das gute Gesicht der ARD sein.

Jauch ist einer, der sich im Merkantilen bewährt hat, der den Geldmaschinen des Privatfernsehens sein eigenes Marktwert-Optimierungsmodell entgegengeschleudert hat. So wurde er mit Wer wird Millionär? selbst Millionär, blieb aber bescheiden und sparsam. Seit 20 Jahren läuft mittwochs sein Stern-TV, das er leitet und moderiert. Und bei besonderen Gelegenheiten - wie jetzt der Fußball-WM - ist er natürlich für RTL im Sondereinsatz.

So einer entwickelt sich in der ARD leicht zum Magneten, das wissen auch die Intendanten dieses Systems. Der 53-Jährige passt zur Zielgruppe, er verbindet Seriosität mit Spontanwitz, er wirkt unterhaltend, ohne platt zu sein. Jauch kann unfallfrei Fragen stellen, was viel heißt im deutschen Fernsehen.

Jauch sei ein "sehr beliebter Moderator und ein sehr kompetenter Journalist. Er hat diesen Beruf ja mal gelernt", lobte ARD-Programmdirektor Volker Herres schon Ende 2009 in einem Gespräch mit sueddeutsche.de. Er führte die inhaltlichen Gespräche mit dem Mann von RTL. Nach der gelungenen Neuplatzierung des Eurovision Song Contest in Kooperation mit Pro Sieben ist die Anwerbung der zweite große Erfolg innerhalb kurzer Zeit.

Um die Details kümmerte er sich zusammen mit den Intendanten Monika Piel (WDR) und Lutz Marmor (NDR). Sie haben die Top-Personalie in den vergangenen Monaten in aller Ruhe vorbereitet. Eine wichtige Rolle spielt dabei Jauchs zehn Jahre alte Produktionsfirma I & U, die plötzlich schöne Aufträge aus der ARD bekam. So wurde der Weg geebnet.

Die Monster gebannt

Jauch ist nicht zu Discount-Sätzen zu haben. Die zwei großen Sender NDR und WDR schlossen den Vertrag, vorbehaltlich der Genehmigung durch die Rundfunkräte. Am Ende sollen die Kosten dann von allen ARD-Anstalten per Umlage getragen werden. NDR und WDR waren schon an dem alten Versuch im Jahr 2006 maßgeblich beteiligt.

Es gab damals sogar eine große öffentliche Absichtserklärung, eine wunderschöne Verlobung quasi, doch am Ende keinen konkreten Vertrag. Die Hochzeit fiel aus. Jauch sah nicht ein, rasch von RTL zu lassen und wollte quasi nebenbei als Nachfolger der ARD-Talklady Sabine Christiansen am Sonntagabend die übliche Gesprächsrunde leiten. Das aber machten Rundfunkräte, vor allem im WDR, nicht mit. Danach wurden die Gremien von Jauch öffentlich als "Gremlins" abgewatscht. Und er mokierte sich über die "politische Farbenlehre".

Jauch als ARD-Vorzeigejournalist

Nun aber sind die Monster gebannt. Es herrscht Harmonie. Beide Seiten haben etwas zu gewinnen. Die ARD einen neuen Star, Jauch journalistisches Renommee. Und beide zusammen viel Publikumsgunst.

Klar, wenn es auf die sechzig zugeht und die wilden Tage vorbei sind, dann erinnert man sich auch gern der Anfänge. Jauch hat einst im BR im Zeitfunk gearbeitet, das Studium geschmissen und sich ganz aufs elektronische Mediengeschäft verlegt. Was viele Jahre blieb, war die Sorge, arm zu sein oder arm zu werden. Offenbar umtrieb ihn die Furcht auch noch, als er die erste Million längst hatte.

Von 1985 bis 1989 machte Jauch zusammen mit Thomas Gottschalk in München die B3-Radioshow. Für den BR moderierte er auch die TV-Sendung Live aus dem Alabama, für den SDR den Rätselflug. Dann wanderte das Talent zum ZDF, wo er in Na siehste! oder im Aktuellen Sportstudio zu sehen war. Und dann kam der Kommerz, dann kam das große Geldverdienen bei RTL.

Sozialer Wertkonservativer

Jauch freilich sah sich, bei allem Gespür für Rendite, immer als politischer Journalist, als Wertkonservativer, der sich in die Zivilgesellschaft einbringt und Debatten hochreißt. In seinem Wohnort Potsdam, wo ihm Immobilen gehören, beteiligt er sich an sozialen Projekten, gab beispielsweise Geld für das Fortunaportal am Stadtschloss, für den Stadtkanal oder das Marmorpalais. In Berlin setzte er sich für ProReli ein, für obligatorischen Religionsunterricht an der Schule.

Auch mit dem ZDF und dessen Intendanten Markus Schächter bestehen seit Jahren gute Kontakte. Der Mainzer Sender machte sich wohl Hoffnungen. Das Rennen um den in Berlin aufgewachsenen Kaufmannssohn aber gewann jetzt die ARD - und das Nachsehen hat RTL. Dort könnte jetzt Oliver Geissen in einige Rollen Jauchs schlüpfen.

In dem Sender des Gütersloher Bertelsmann-Konzerns hat Jauch allem Anschein nach auch journalistische Kultur vermisst. Immer nur Zahlen, Deckungsbeiträge, Quoten, das kann nerven. Wo es ihm doch auch um Inhalte geht, um Debatten, um Scoops - oder das, was man bei Stern-TV dafür hält.

Immerhin gelingt es RTL, den vielseitig einsetzbaren Jauch als Showgröße zu erhalten. Wer wird Millionär? schafft immer noch, nach fast elf Jahren, im Schnitt rund 6,73 Millionen Zuschauer. Der Marktanteil beim jungen Publikum habe im Schnitt bei 20,3 Prozent gelegen. "Seit mehr als zwei Jahrzehnten arbeite ich gut und vertrauensvoll mit RTL zusammen. Diese erfolgreiche Kooperation werden wir fortsetzen", kommentiert Jauch. Die Millionärs-Show laufe weiter, "solange der Sender und ich Freude daran haben und die Zuschauer es sehen wollen".

RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt betont, dass ihr Sender "seit nunmehr 20 Jahren erfolgreich" mit Jauch zusammenarbeite. "Wir sind natürlich nicht glücklich über seine Entscheidung in Sachen Stern-TV, freuen uns jedoch sehr auf die Fortsetzung unserer bewährten Zusammenarbeit im Showbereich."

Jauch ist in seinen 33 Rundfunkjahren ausgezeichnet worden wie kaum ein anderer in der Branche. Goldene Kamera, Bambi, Grimme-Preis, Bester Journalist, Deutscher Fernsehpreis, alles Trophäen im Schrank. Früh schon wurde er Krawattenmann des Jahres.

Nun also wird Christian Wulff wohl Bundespräsident und Günther Jauch der ARD-Vorzeigejournalist. Und wenn dann Jauch den ersten Mann im Staat im Ersten interviewen wird, dann ist Deutschland wirklich anders geworden.

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