Tanzen, turnen und derblecken:Ritter, Drachen und ein betrunkener Polizist

Beim Grafinger Faschingsvarieté ist die Halle voll, die Sportler des TSV sind auf der Bühne außer Rand und Band. Und die Lokalprominenz bekommt ihr Fett weg

Von Alexandra Leuthner, Grafing

Durch den Kakao gezogen wird, wer sich nicht schnell genug retten kann. Und wer sich gar nicht retten will. Auf der Liste der drei Clowns August (Christian Fischer), Giagl (Martin Weigand) und Wiggal (Hermann Holzmann), die schon seit Jahren beim Grafinger Faschingsvarieté in der Bütt stehen, ganz oben ist Thomas Huber: CSU-Stadtrat, Landtagsabgeordneter und ehemaliger Varieté-Direktor. Er ist geradezu prädestiniert als wohlfeiles Opfer, und so sitzt er bei der Vorstellung am Samstagabend auch in der ersten Reihe, ihm gegenüber Altlandrat Gottlieb Fauth. Was lag also näher, als Hubers gefühlte Allgegenwärtigkeit aufs Korn zu nehmen: "Wenn man auf die Facebook-Seiten schaut vom Andi Lenz oder vom Robert Niedergesäß, da sind mehr Bilder vom Thomas drauf als von den anderen beiden", frotzelten die Clowns, die auch nicht versäumten, Grafings übrige Lokalprominenz liebevoll abzuwatschen, vom Feuerwehrkommandanten bis zum Pfarrer, der für seinen tiefer gelegten Kleinwagen eine Garagenerweiterung brauche.

Und auch der Bundestagsabgeordnete Lenz und der Landrat Niedergesäß bekamen ihr Fett weg, der eine, weil er angeblich so schusselig ist, dass er schon mal ohne Geld und einen Anzug von Berlin in seinen Wahlkreis kommt und sich dann von - natürlich - Thomas Huber aushelfen lassen muss. Der andere, weil eine etymologische Erforschung der Bedeutung von Nachnamen ergeben habe, dass schon seine Vorfahren "den Arsch zu weit unten gehabt hätten". Niedergesäß wird der Namenswitz nicht ganz neu gewesen sein und auch nicht die Neigung der Grafinger Narren, den Nachbarn Ebersberg zu verunglimpfen, wo es immer geht.

Kurz vor dem Tod noch in die SPD wechseln? Lieber solle "eine von den denen sterben" als eine von der CSU

Doch das Faschingsvarieté ist nicht nur Ulk, sondern immer wieder vor allem der Abend der Turner des TSV Grafing. Schon der Parkplatz gegenüber der Stadthalle platzte aus allen Nähten, weil Eltern, Geschwister, Großeltern in Scharen anreisen, um den kleinen und größeren Sportlern und Sportlerinnen bei Überschlägen, Salti, Brücken und Hebefiguren zuzusehen. Und die schafften es auch diesmal, die Stadthalle zu begeistern, die Jüngsten vom Kinderturnen 1 und 2 des TSV tobten und kullerten als kleine Baumeister, Ritter und Drachen mit Warnwesten, grünen Pullis und Ritterkutten über die Bühne. Nur mit Hilfe einer gigantischen Gummibärchenbox schafften es die beiden Varietédirektoren Felix Richter und Thomas Urban die Kinderschar wieder in die Umkleide zu locken.

Mit zunehmendem Alter steigerten sich die sportlichen Leistungen und der Grad der Akrobatik, über die Lucky Wheels, die Sportlerinnen des Mädchenturnens 1 und 2 in pinkfarbenen Pumphosen, bis zum Showtanz mit Hebefiguren der "Highs". Die Damen und - wenigen - Herren von High Energy haben bereits eine Auszeichnung als deutscher Vizemeister im Gardetanz zu Hause. Bezaubernd auch die Turngruppe 1 des TSV, die mit weißen und hellblauen Plüschröckchen, die größeren bauchfrei und mit aufgemalten Flammen, die Naturgewalten darstellten. Gewalt, höhere nämlich, war es wohl auch, die das Grafinger Faschingsprinzenpaar Theresa II und Robert I den Vogel abschießen ließ, einen wirklichen aber. Das arme gefiederte Kerlchen sei ihnen auf dem Weg zu ihrer Krönung vor die Windschutzscheibe geflogen, erzählte der Prinz.

Die Grafinger Faschingsbären ließen im Stil der Augsburger Puppenkiste Grafinger Lokalprominenz von der Tankstellenchefin über den ortsbekannten Physiotherapeuten bis hin zu einem betrunkenen Polizisten darüber debattieren, ob man an der Thomas-Huber-Gedächtnistangente EBE K 1400 lieber ein Kamasutra-Studio oder eine Mega-Waschstraße bauen solle. Während die Freiwillige Feuerwehr in der KostBar unter anderem die Huaber Bäuerin, CSU-Mitglied seit 40 Jahren, auftreten ließ, die gerne noch schnell vor ihrem Tod in die SPD eintreten möchte, weil lieber solle "eine von den denen sterben" als eine von der CSU.

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