Hellabrunn:Der Münchner Tierpark hat einen neuen Star

  • Das Eisbärenmächen Q durfte zum ersten Mal das Freigehege im Tierpark Hellabrunn erkunden.
  • 90 Kameraleute, Fotografen und Radioreporter sowie Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) waren vor Ort.
  • Zoo-Chef Rasem Baban macht bei der Eisbärpräsentation auch auf die Artgenossen in freier Wildbahn aufmerksam, die stark bedroht sind.

Von Philipp Crone

Bis um 11.55 Uhr läuft alles wunderbar für den Tierpark am Freitagvormittag. Herumhüpfen, Fressen, Trinken und Erde aufwühlen haben die Zuschauer hinter den Scheiben da schon vom Eisbärnachwuchs gesehen. Doch dann steht das zehn Kilo schwere und 14 Wochen alte Tier an der Steinklippe, unten Wasser, und macht einen Schritt nach vorne.

Eine Stunde zuvor hatten sich 90 Kameraleute, Fotografen und Radioreporter hinter den eigens mit Osmose-Wasser noch einmal gereinigten Scheiben an der Polarwelt versammelt. Rasem Baban, der Zoo-Chef, bekommt von einem Mitarbeiter noch letzte Hinweise. Erst werde man die Hebebühne noch kurz hochfahren, es ist 10.57 Uhr. Dann darf Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD), die auch Aufsichtsratschefin des Tierparks ist, endlich das Zeichen geben.

Die Klappe am linken hinteren Ende des Geheges wird geöffnet, die Kameraleute drücken auf Aufnahme und alle hoffen, dass sich das noch namenlose Jungtier mit möglichst drolligen Bewegungen auf Erkundungstour begibt. Wobei der kleine Eisbär eine Generalprobe hinter sich hat. Am Tag zuvor wurde ohne Zuschauer geprobt, da lief alles wunderbar.

Die Eisbärpräsentation, die ein wenig wirkt wie ein Auftritt von Justin Bieber vor entzückten Teenagern, ist für Baban vor allem Mittel zum Zweck. Er wird die nächsten eineinhalb Stunden immer wieder versuchen, von den schwarzen Knopfaugen des Jungtiers und seinen tapsigen Hüpfschritten den Bogen zu schlagen zu den Artgenossen in freier Wildbahn, die stark bedroht sind.

31 000 Tiere gibt es nach optimistischen Schätzungen der Weltnaturschutzunion IUCN noch in freier Wildbahn, und spätestens zum Welteisbärtag am 27. Februar, der auch im Münchner Tierpark gefeiert wird, wollen Zoos und der Verband der zoologischen Gärten (VdZ) darauf aufmerksam machen, dass die Tiere "massiv unter dem Klimawandel leiden". Das lässt sich nicht besser unter die Leute bringen als mit einem putzigen kleinen Eisbären.

Und natürlich lobt Baban nebenbei bei jeder Gelegenheit seinen Tierpark, etwa die tolle Außenanlage und die wunderbare Mutter-Kind-Zone, die es erst ermöglicht habe, dass Eisbärmutter Giovanna nach den Zwillingen Nela und Nobby im Jahr 2013 wieder Nachwuchs bekommen hat.

Der streckt um 11.01 Uhr zum ersten Mal die Nase in den Wind, was Strobl gleich ein "Mei!" entlockt. Mutter Giovanna scheint schon ein Gespür für den großen Auftritt zu haben. Kopf rausstrecken, Kameraklicken hinter den Scheiben, Kopf zurück, Klickpause, dann schreitet sie raus und der Nachwuchs stolpert hinterher. Fast andächtige Stille herrscht die nächsten Minuten bei den Beobachtern, als Giovanna die beiden ausgelegten Fressstationen untersucht, die natürlich direkt am Wasser und nah bei den Kameras aufgebaut sind.

Giovanna genießt es, wieder die Krallen einzusetzen

Der Nachwuchs, bislang meistens noch mit Muttermilch ernährt, hüpft zunächst auf ein paar Salatblättern rum, ehe auch er zubeißt. Als nächstes entdeckt er eine Breze, die im Gemüse liegt, und versucht vergebens, mit den Vorderpfoten und dem Maul irgendwas davon abzubeißen. Dann allerdings ist es um ihn geschehen: Er erblickt eine knallgelbe, runde Honigmelone und rollt sie wild hin und her.

11.10 Uhr, das Eisbär-Mädchen, derzeit vom Tierpark "Q" genannt, weil es noch keinen Namen hat, trinkt aus dem Wassergraben, rennt dann gleich wieder zur Mutter zurück, die den kleinen weißen Fellball aber kurz aus den Augen verloren hat und ihn mit einem Wrestling-reifen Bodycheck von den vier Beinen holt. Q ist das völlig egal, sie hat längst der Mutter dabei zugesehen, wie sie Erde zu einer Kugel zusammenkratzt und macht mit. Immerhin war die Mutter drei Monate nicht mehr draußen und genießt es, wieder die Krallen einzusetzen.

Um 11.15 Uhr ziehen sich Mutter und Kind wieder zurück, die Beobachter stürzen sich sofort auf die zuständigen Pfleger, um Interviews zu führen mit Fragen wie: Ist Giovanna eine gute Mama? Ja, sagt Helmut Kern, sie habe ja Übung. Nach den ersten vier Wochen, wo noch eine Gefahr bestehe, dass das Jungtier in Folge einer Infektion stirbt, sei jetzt alles sehr entspannt. Kern hatte Q auch schon auf dem Arm, "die beißt und kratzt dann allerdings", sagt er. Musste sein, zur Impfung und Geschlechtsbestimmung.

"Nela ist ja beim ersten Auslauf gleich ins Wasser gefallen", sagt Kern noch. Diesmal ist Q, die gleich noch einmal raus läuft, erst am Hang in motorischen Schwierigkeiten und rollt einmal runter. Und dann steht sie eben auf dem Stein am Wasser, der einen halben Meter hoch ist. Noch einen Schritt, und auch sie ist im Wasser. Die Mutter schaut nur kurz und wartet, dass Q wieder hochklettert. Sie hat eben Übung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: