Die Folgen der Gymnasialreform:Es gibt noch viele Hausaufgaben

Die Folgen der Gymnasialreform: Das Werner-Heisenberg-Gymnasium in Garching gehört zu den neueren Schulen im Landkreis. Schon bald wird es zu den älteren gehören.

Das Werner-Heisenberg-Gymnasium in Garching gehört zu den neueren Schulen im Landkreis. Schon bald wird es zu den älteren gehören.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Kommt nach dem G 8 wieder das G 9? Die Schulleiter im Landkreis sind dafür und rechnen fest damit. Die meisten Gymnasien dürfte das allerdings vor Herausforderungen stellen: Es fehlen Räume und Personal.

Von Martin Mühlfenzl

In den Sechziger- und Siebzigerjahren haben sie nicht nur in der Landeshauptstadt groß gedacht. Auch im Landkreis München wurden damals Entscheidungen getroffen, die spürbare Auswirkungen bis in die Gegenwart haben. Und sogar noch heute nützlich sind. Denn während das Münchner S-Bahnnetz heute vollkommen überlastet ist und das Olympiastadion Staub ansetzt, tobt etwa im Lise-Meitner-Gymnasium in Unterhaching - einem Bau aus dem Jahr 1972 - noch immer das Schülerleben.

Die Planer und Kommunalpolitiker hatten damals ein sehr feines Gespür dafür, was auf den Landkreis München zukommen könnte - obwohl sie die Wucht und Dimension nicht vorhersehen konnten, mit der sich der bevölkerungsreichste Kreis des Freistaats entwickeln würde.

In Unterhaching aber sind sie noch immer dankbar. Ziemlich genau 45 Jahre nach der Eröffnung des Lise-Meitner-Gymnasiums sagt dessen Direktorin Brigitte Grams-Loibl: "Die Pläne für unsere Schule wurden tatsächlich mit Weitsicht angefertigt." Denn während derzeit nahezu alle Schulen im Landkreis München klagen, aus den Nähten zu platzen, ist Grams-Loibl die pure Gelassenheit anzumerken: "Wenn das G 9 kommt, werden wir überhaupt keine Probleme bekommen. Wir sind als Schule groß genug und haben die dafür nötigen Räume. Dank der Pläne."

Derzeit läuft die Debatte um die Zukunft des bayerischen Gymnasiums wieder auf Hochtouren. Die neueste Volte der Staatsregierung besagt, dass bis Ostern entschieden wird, ob Bayerns Schüler nach zwölf oder 13 Jahren Abitur machen. Viele Eltern und Lehrer im Landkreis sind immer noch irritiert angesichts des Schlingerkurses, den die CSU bei der Bildungsreform hinlegt. Ein Direktoriumsmitglied zweifelt gar gänzlich an der Kompetenz der Staatsregierung in diesem Bereich und sagt in Anlehnung an den Werbespruch der Gelben Seiten: "Vielleicht hätten Sie jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt." Dass er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, ist verständlich: Sein oberster Dienstherr ist Kultusminister Ludwig Spaenle.

Ist die Rückkehr überhaupt machbar?

Die Frage, wie lange die gymnasiale Schulzeit dauern soll, prägt seit Jahren die bildungspolitische Debatte. Schon die damalige Kultusministerin Monika Hohlmeier hatte das G8 kurz nach seiner Einführung als "überstürzt" und einen "Fehler" bezeichnet. Inzwischen kristallisiert sich heraus, dass es wohl auf die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium hinauslaufen wird. Lehrer, Schüler, Eltern und Direktoren haben ein berechtigtes Interesse daran, dass endlich Klarheit geschaffen wird. Doch es gibt eine zweite, viel weiter reichende Frage, die aufs engste mit dem neunjährigen Gymnasium verknüpft ist: Ist eine Rückkehr überhaupt machbar? Haben die Schulen Räume für einen zusätzlichen Jahrgang. Gibt es genügend Lehrer?

Die erste Frage nach der Dauer kann Andreas Hautmann, Direktor des Carl-Orff-Gymnasiums in Unterschleißheim, eindeutig beantworten: "G 9. Das sage ich als Schulleiter und Vater." Am 5. April hält er einen Informationsabend für die Eltern künftiger Fünftklässler ab. Was er denen sagen wird, wenn der Weg noch immer nicht klar ist? "Dann schreibe ich rein: sehr wahrscheinlich!", sagt Hautmann.

Der Unterschleißheimer Direktor weiß, dass er sich momentan in einer komfortablen Situation befindet. Schließlich wird derzeit der Erweiterungsbau seiner Schule fertiggestellt, der dem Gymnasium zehn neue Klassenzimmer bescheren wird. Darunter zwei Natur- und Technikräume und einen Musiksaal. Auf das Carl Orff gehen derzeit 1230 Schüler. "Wir haben aber noch Luft nach oben bis 1400. Und es kommt auf die Verteilung an", sagt Hautmann. "Wir würden es schaffen, dass die Klassen nicht überfüllt sind."

Das ist auch das Ziel beim neuen Kirchheimer Gymnasium, das noch nicht steht - sich mit Fertigstellung aber zu einer der modernsten Schulen Bayerns entwickeln soll. Geplant wird die neue Schule als reine G-8-Schule. "Und daran wird auch nichts geändert. Die Schule wird genau so gebaut", sagt Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) über das Projekt, das in einem ersten konkreten Entwurf mit 88 Millionen Euro taxiert worden ist. Am offenen, hellen Raumkonzept werde festgehalten, sagt Böltl: "Wenn das G 9 kommt, werden wir allerdings von sechs auf fünf Züge reduzieren." Gleich bleibende Raumzahl, weniger Schüler. Das könnte in Kirchheim die Antwort auf ein länger dauerndes Abitur sein.

Haar, Bürgerhaus, Verleihung der Auszeichnung âÄžUmweltschule in Europa / Internationale Agenda 21-SchuleâÄœ Gymnasium Haar

Gabriele Langner, Schulleiterin am Gymnasium Haar.

(Foto: Angelika Bardehle)

Es werden weitere Gymnasien folgen

Nur wohin mit den Schülern, die dann keinen Platz mehr auf dem neuen Kirchheimer Gymnasium finden werden? Die Lösung für das Gymnasium Kirchheim liegt ein paar hundert Meter weiter im Osten - und in einer Ankündigung von Landrat Christoph Göbel (CSU): In Aschheim wird ein weiteres Gymnasium entstehen. Und es werden weitere folgen. Unterföhring ist beschlossen, Ismaning wird bereits gebaut, Feldkirchen ist die nächste realistische Option.

In der Landeshauptstadt gibt es 39 öffentliche Gymnasien bei mehr als 1,5 Millionen Einwohnern. 14 öffentliche und zwei private Gymnasien gibt es im Landkreis mit seinen etwa 340 000 Einwohnern; drei neue kommen in naher Zukunft dazu. Der Landkreis als Sachaufwandsträger der weiterführenden Schulen wird weiter bauen. Denn einfach ein Stockwerk auf eine bestehende Schule draufsetzen, wird langfristig keine Lösung sein. Auch wenn das etwa in der Gemeinde Haar diskutiert wird.

Die dortige Direktorin Gabriele Langner weiß, was auf ihre Schule mit dem G 9 zukommt: "Dann muss erweitert werden. Das ist ganz klar. Wenn nichts passiert, kann ich mir nicht vorstellen, dass das G 9 bei uns einfach so realisiert wird." Das Ernst-Mach-Gymnasium ist mit 1177 Schülern an seiner Kapazitätsgrenze angelangt. "Egal was kommt, kleiner werden wir auch nicht mehr", sagt Langner. "Deshalb ist es so wichtig, dass der Landkreis erkannt hat, nur mit neuen Schulen der Bevölkerungsentwicklung Rechnung tragen zu können." Die Direktorin sieht den Freistaat in der Verantwortung, die Schulen bestmöglich auszustatten. "Finanziell und mit mehr Lehrern."

Ihr Neubiberger Kollege Reinhard Rolvering sagt, er könne sich "ein zusätzliches Jahr sehr gut vorstellen". Das ist ein vorsichtig formuliertes Bekenntnis zum G 9. Denn auch seine Schule sei "bis zum Rand voll". Rolvering wünscht sich aber auch eine Diskussion darüber, mit welchen Inhalten das neue Gymnasium gefüllt werden soll. "Wir müssen das Sinnvolle mitnehmen. Es hat sich im G 8 etwa die integrierte Lehrerreserve bewährt. Andererseits waren auch die Leistungskurse in der Oberstufe sinnvoll." Das Beste aus beiden Welten wollen die Schulleiter vereint sehen. Denn in einem Punkt sind sich alle einig: "Es darf auf gar keinen Fall zwei Formen geben. Nie wieder", so Andreas Hautmann.

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