Oberhaching:Selbstbewusstes Genie

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Brachte die Moll-Töne in Oscar Wildes Leben gut rüber: Udo Wachtveitl, bekannt aus dem Tatort. (Foto: Claus Schunk)

Amüsant-tiefsinniger Abend mit Udo Wachtveitl über Oscar Wilde eröffnet Kammermusikfestival.

Von Irmengard Gnau, Oberhaching

Dass aufmerksame Leser große Schriftsteller in den Figuren ihrer Werke wiederentdecken, ist keine Seltenheit. Auch Oscar Wilde, einer der meist zitierten Literaten englischer Sprache, nutzte seine eigenen Lebenserfahrungen, um seine Charaktere zu zeichnen; mal verlieh er ihnen den dandyhaften Charme, mal legte er seine Kritik an der biederen britischen Oberschicht seinen Protagonisten in den Mund. Dabei konnte Wilde aus einem äußerst reichhaltigen und vielseitigen Portfolio schöpfen, wie die musikalische Lesung "Oscar Wilde - ein Leben zwischen Tragödie und Komödie" bewies, mit der am Freitag das Festival für Kammermusik, Literatur und Weltmusik in Oberhaching eröffnet wurde.

Seit dem vergangenen Jahr hat Leiterin Isabel Lhotzky das Festival auf gelungene Weise thematisch erweitert. So ergibt sich der Raum für die Verbindung verschiedener Künstler und Künste, die in diesem Jahr wieder regen Zuspruch fand. Getreu Oscar Wildes Ausspruch "Das einzig Schreckliche auf der Welt ist Langeweile. Das ist die einzige Sünde, für die es keine Vergebung gibt" nahmen Lhotzky und die Oberhachinger Kulturamtsleiterin Eva Hofmann das Publikum mit auf eine amüsante und zugleich tiefsinnige Reise durch das bewegte Leben des irischen Dichters. Udo Wachtveitl, neben seinen Auftritten als "Tatort"-Kommissar hochgeschätzt als Sprecher, durfte sein komödiantisches Talent beweisen in Wildes spitzzüngigen Bonmots, mit welchen jener sich in der biederen viktorianischen Gesellschaft des späten 19. Jahrhunderts rasch einen Namen gemacht hatte.

Sein unzweifelhaftes Talent und seine Geschliffenheit in der Rede brachten Wilde freilich nicht ausschließlich Bewunderung ein. Sein überaus präsentes Selbstbewusstsein - bei einer Vortragsreise in die USA soll Wilde an der Grenze verkündet haben "Ich habe nichts zu verzollen außer meinem Genie" - , seine unkonventionellen Schriften und sein extravagantes modisches Auftreten ließen manchen Zeitgenossen entrüstet nach Luft schnappen. Diese Doppelrolle zwischen Ruhm und Ruch, Verehrung und Spott ließ sich Wilde wohl gefallen, er zelebrierte seine Ruf als Ästhet, wie aus seinen eigenen Texten, aber auch denen von Schriftstellerkollegen wie William Butler Yeats oder seiner Nachfahren wie Merlin Holland hervorgeht.

Auch die Musik illustriert den Absturz

Doch auf dem Gipfel seines Erfolgs wird Wilde zur tragischen Figur. Stets auf der Suche nach Kunst und Schönheit in all ihren Erscheinungen geht der Familienvater Wilde verhältnismäßig offen mit seiner Homosexualität um. Anderen hingegen ist diese ein Skandal. Als der Vater seines langjährigen Geliebten Lord Alfred Douglas, der Marquis von Queensberry, Wilde provoziert, strengt dieser einen Prozess vor Gericht an - und eröffnet damit seinen Niedergang. 1895 wird Wilde wegen Unzucht zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt und muss Zwangsarbeit leisten. Das ruiniert seinen Ruf ebenso wie seine Gesundheit. Wilde stirbt wenige Jahre nach seiner Entlassung verschuldet in Paris.

Welchen Absturz der "geistreichste Plauderer Londons", so sein Geliebter Lord Alfred Douglas über Wilde, erlebt, illustrieren neben den wohlausgewählten Texten auch die Musik, die Festivalleiterin Lhotzky zusammengestellt hat. Gemeinsam mit dem Bratschisten David Ott und dem Cellisten Hanno Kuhns streut Lhotzky, wechselnd an Piano und Cembalo, virtuos Kompositionen unter anderem von John Dowland, Henry Purcell, Edward Elgar oder Benjamin Britten zwischen die Textpassagen. Wildes Lebensweg folgend, halten Cello und Piano in Benjamin Godards "Berceuse" aus der Oper Jocelyn noch einen sehnsuchtsvoll-heiteren Dialog; in der zweiten Hälfte des Abends überwiegen die Moll-Töne.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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