Makler in München:Kein Platz für Kinder

Mitte 30, Single, keine Chance: Aus Angst vor Babygeschrei lehnt eine Münchner Maklerin alle Mieter ab, deren "Nachwuchsplanung" noch nicht abgeschlossen ist.

Bernd Kastner

Wer schon einmal eine Mietwohnung in München gesucht und sich um seine Traumwohnung beworben hat, weiß, dass Absagen etwas Alltägliches sind. Die Begründung des Vermieters ist meist allgemein und nichtssagend. Ganz anders bei einer Wohnung in Haidhausen, einem der begehrtesten Viertel Münchens. Zentral gelegen, ruhig, zwei Zimmer, großer Balkon, knapp 70 Quadratmeter, gut elf Euro pro Quadratmeter Kaltmiete.

So war sie inseriert im Internet, und es bewarb sich ein Mann, Mitte 30, Single, Nichtraucher, Akademiker, geregeltes Einkommen. Auf seine E-Mail an die Maklerin erhielt er prompt eine schriftliche Absage. Keine Ausreden, sondern Klartext: Was er schreibe, klinge sehr gut, so die Maklerin. Trotzdem müsse sie mitteilen, "dass die Eigentümerin Mieter sucht, die die Nachwuchsplanung abgeschlossen haben, da das Haus kinderlos ist und es auch bleiben soll".

Auch auf Nachfrage der SZ erklärt die Maklerin, dass in dem Haus ältere Herrschaften wohnten, und die wollten es weiter ruhig haben. Man stelle sich vor, es würde ein Baby in dieser Wohnung geboren, und das Kind wäre auf dem Balkon und würde schreien, die älteren Bewohner könnten sich gestört fühlen.

"Höchst problematisch" nennt Rudolf Stürzer eine solche Einstellung. Nun ist Stürzer kein Mieterlobbyist, sondern als Chef des Haus- und Grundbesitzervereins oberster Fürsprecher der Vermieter, aber diese Begründung empört ihn. Als Jurist denkt er auch an Gesetze, in diesem Fall an das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), besser bekannt als Antidiskriminierungsgesetz.

Da steht, dass man einen Menschen nicht wegen seiner Herkunft oder Rasse benachteiligen darf, und auch nicht wegen des Alters. Das sei ja wohl so ein Fall, sagt Stürzer, Diskriminierung aus Altersgründen. Nicht nur die Maklerin bekäme im Fall einer Klage Probleme, auch der Hausbesitzer müsse sich diese Äußerung zuschreiben lassen, sagt Stürzer und verweist auf ein obergerichtliches Urteil: Ein Makler hatte einen Schwarzen abgelehnt, was auf den Vermieter zurückfiel.

"Die Maklerin hat sich korrekt verhalten."

Die kleine, kinderfreie Zone ist also rechtswidrig? Fragt man beim Immobilienverband IVD nach, hört man dies: Das AGG enthalte eine Klausel, nach der das Diskriminierungsverbot erst für Anlagen mit mehr als 50 Wohnungen gelte. "Die Maklerin hat sich korrekt verhalten", sagt eine Sprecherin. Man hört auch bei ihr Unbehagen heraus, aber sie merkt positiv an, dass immerhin "mit offenen Karten gespielt" werde.

Jenseits der juristischen Bewertung beobachtet Haus- und Grund-Chef Stürzer, dass der Ärger unter Nachbarn wegen Lärms deutlich zunehme, auch wegen der Kinder. Das liege wohl daran, sinniert Stürzer, dass es immer weniger Nachwuchs gebe, und der eben mehr auffalle. Wo vor Jahrzehnten Kinderlachen normal war, ist es heute ein potentieller Störfaktor. Mitunter schon vor der Geburt. Auch bei Jana Frädrich, der Münchner Kinderbeauftragten, melden sich jüngst immer mehr Eltern, weil sie Ärger mit Nachbarn hätten. Offenbar trauten sich inzwischen mehr Eltern, sich zu wehren, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen wegen ihrer Töchter und Söhne. Auch die Intensität der Streitereien nähme zu: "Teilweise stehen wir fassungslos davor", sagt Frädrich.

Man hätte die Maklerin gerne noch gefragt, wie sie selbst zum Auswahlkriterium der garantierten Kinderlosigkeit stehe. Aber zuvor hat sie den Telefonhörer aufgelegt. Die Wohnung übrigens ist offenbar noch immer zu haben. Auf der Internetseite steht neuerdings ein Hinweis: Leider kämen nur Interessenten ab Ende dreißig in Frage, "da das Haus nicht für Nachwuchs geeignet ist". Der Satz steht dort in Großbuchstaben.

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