Filmfestival:Film, Schweiß und Tränen

Eröffnungsabend beim 9. fsff; 9. Fünf Seen Film Festival

Ganz entspannt und völlig uneitel: Ehrengast Michael Verhoeven mit seiner Frau Senta Berger und Festivalleiter Matthias Helwig (li.).

(Foto: Fuchs)

Ein Jammertal auf Großleinwand: Beim Fünfseen-Filmfestival ist vor allem schwere Kost geboten

Von Gerhard Summer, Starnberg

Eine neuere Komödie, ach bitte, das wäre so schön zur Abwechslung. Zum Beispiel "Learning to drive". Darf man da nicht heitere Blechschäden und Fahrlehrerwitze erwarten? Nein, es kommt, wie es kommen muss: Auch dieser Film ist wieder ein Beziehungsstück und gar nicht lustig, weil sich eine Frau nach der Trennung neu sortieren muss. So geht das Tag für Tag auf dem Fünfseen-Filmfestival. Der Kinogänger schlappt oder radelt unter der sengenden Sonne hoch zur Schlossberghalle, zum Breitwand oder zum Strandbad, auf der Suche nach einem Stück Unterhaltung. Das Leben ist ja schwer genug. Und was findet er? Das Jammertal auf Großleinwand.

Mal geht es darum, dass in Chile Menschen bei lebendigem Leib gevierteilt oder komplett ins Meer geworfen worden sind. Mal um Paare, die aneinander vorbei leben oder sich zusammenketten. Mal um die unbestreitbare Tatsache, dass die modernen Zeiten eine Zumutung sind. Um die ethnischen Säuberungen im Baltikum, den Zerfall auf Kuba, das unerträglich schwere Leben im dörflichen Kalmückien und die Traumata von KZ-Überlebenden. Grob geschätzt 150 der mehr als 160 Filme, die in diesen Tagen laufen, sind entweder sehr schwere Kost oder längst gesehene Streifen in der " In Memoriam"-Reihe. Neben Hitchcocks Klassiker "Die Vögel" läuft nur ein einziger aktueller Thriller: der im Wahnsinn endende "Time Lapse". Ein richtiger Science Fiction? Leider nein. Dafür jede Menge Blut, Schweiß, Tränen, Dramen, Tragödien und einsame Ehefrauen. Woran das liegt? An den Scheißkerlen. Sie suhlen sich mit Jüngeren im Bett, sind gestorben oder haben sich sonst wie unehrenhaft aus dem Staub gemacht. Gibt es denn keine Männer mehr, auf die man sich verlassen kann? Doch. Ben Kingsley spielt so einen in "Learning to drive". Winnetou wäre auch ein Kandidat, aber gezeigt wird Teil III, und wer die Tragödie mit 14 gesehen hat, der weiß: Da wird das ganze Kino heulen. Bleibt noch der Monaco Franze, der schlimmste Hallodri. Aber der ist wenigstens lustig, genauso übrigens wie "About a Girl", eine der ganz wenigen Komödien mit Tiefgang, die auf diesem Festival von Matthias Helwig zu sehen sind.

Ja gut, wenn es andersherum wäre, wenn nur federleichte Filme liefen, würde jeder auch sofort aufschreien: Ist denn der noch bei Trost, der Helwig! Überall Kriege, Not, Elend, die halbe Welt in Auflösung - und der Mann kommt mit Komödien. Mache es einer dem Cineasten recht. Aber ein klein wenig bunter könnte Helwigs Mischung schon ausfallen.

Trost bietet in diesen Tagen ausgerechnet ein Mann: der entspannte und völlig uneitle Michael Verhoeven. Ein Ehrengast, wie man ihn sich nur wünschen kann. Ihm zuzuhören, ist pures Vergnügen. "Jaaaah", sagt er oft nach einer Frage aus dem Publikum und dehnt die Vokale. Oder kurz: "Na ja." Und geht auf alles ausführlich ein. Das gibt einem den Glauben an diese oft von Schminke und Koketterie zusammengehaltene Filmbranche zurück.

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