Technische Universität:TU München bekommt 20 Professuren vom Discounter

Technische Universität: Die TU München - vor allzu großer Nähe zur Wirtschaft hatte man hier auch früher keine Angst.

Die TU München - vor allzu großer Nähe zur Wirtschaft hatte man hier auch früher keine Angst.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Technische Universität München bekommt traditionell viel Geld von der Wirtschaft, doch diese Größenordnung ist neu: Die Stiftung des Lidl-Gründers zahlt ihr gleich 20 Professuren.
  • Die Stellen sollen jahrzehntelang finanziert werden, bis zur Emeritierung der Hochschullehrer. Üblich ist sonst eine weit kürzere Einrichtung.
  • Mehr als jeder dritte TU-Wirtschaftsprofessor wird dann stiftungsfinanziert arbeiten.
  • Kritiker befürchten eine unzulässige Einflussnahme.

Von Jakob Wetzel

Es ist eine Zuwendung in bislang nicht dagewesener Höhe: Die Stiftung des Lidl-Gründers Dieter Schwarz schenkt der Technischen Universität (TU) München 20 neue Professuren für Betriebswirtschaftslehre. 13 von ihnen sollen auf einem neuen Campus in Heilbronn forschen und lehren, also in der Heimatstadt von Dieter Schwarz. Die übrigen sieben sollen die TU in München verstärken.

Am Dienstagnachmittag haben die Universität und die Stiftung hierzu ein Eckpunktepapier unterzeichnet. Über den endgültigen Vertrag wird noch verhandelt; er soll Anfang des kommenden Jahres vorliegen.

Das Geschenk der Dieter-Schwarz-Stiftung sprengt gleich in mehrerer Hinsicht den üblichen Rahmen. Stiftungsprofessuren werden meist einzeln vergeben; hier aber wächst die "School of Management", die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der TU, nun schlagartig von bislang 34 auf künftig 54 Professuren. Mehr als jeder dritte TU-Wirtschaftsprofessor wird also stiftungsfinanziert arbeiten. Und die Professuren werden nicht für fünf oder sechs Jahre eingerichtet wie bei den meisten Stiftungen, sondern bis zur Emeritierung der auf sie berufenen Wissenschaftler. Wie viel Geld das insgesamt kostet, verraten die Vertragspartner noch nicht. Realistisch ist aber ein dreistelliger Millionenbetrag.

Erstmals hat die TU nun einen Standort außerhalb Bayerns

Hinzu kommt: Die TU expandiert erstmals in ein anderes Bundesland. Bisher betreibt sie Standorte in Bayern, verschiedene Büros im Ausland und einen Campus in Singapur. Künftig forscht sie nun auch in Baden-Württemberg. Dort, in Heilbronn, betreibt die Dieter-Schwarz-Stiftung seit 2011 einen Bildungscampus, auf dem derzeit drei Hochschulen angesiedelt sind: die Hochschule Heilbronn, die Duale Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn sowie die von der Stiftung selbst getragene "German Graduate School of Management and Law", die langfristig wohl in die TU überführt werden soll; die Verhandlungen darüber sind nicht abgeschlossen.

Mit jenem Campus will die Stiftung den Heimatort des Lidl-Gründers zur "Wissensstadt" machen; die Münchner TU soll dabei helfen. Umgekehrt hofft die Uni, neue Partner unter den örtlichen Unternehmen zu finden - darunter viele kleine, aber technikstarke und in ihrem Bereich führende Zulieferfirmen; die TU spricht von einem "Techno-Hot-Spot".

Vor allem aber will die Universität ihre Forschung verbreitern. Bislang habe man sich in BWL auf Großkonzerne konzentriert, sagt ein Sprecher. In Heilbronn wolle man sich kleinen, inhabergeführten Mittelständlern und deren Herausforderungen widmen, von der Digitalisierung bis zur Globalisierung.

In Heilbronn will die TU künftig einen Bachelor, einen Master und einen "Executive Master of Business Administration" anbieten, die erste Lehrveranstaltung soll im Wintersemester 2018/19 beginnen. Am Ende sollen etwa 1000 Studenten in Baden-Württemberg "TUM-BWL" studieren, also nicht nur Management lernen, sondern auch Kenntnisse in Ingenieurs- und Naturwissenschaften erwerben. Konkret heißt das, dass die Heilbronner Studenten für den technischen Teil ihres Studiums nach Garching reisen werden. Dort sollen eigene Gästehäuser gebaut werden, in denen sie übernachten können.

Verhandelt wird bis dahin auch über die heiklen Punkte der Vereinbarung: So kläre man derzeit zum Beispiel, wie genau man ausschließen könne, dass die Stiftung das versprochene Geld nicht zurückziehen könne, heißt es aus der TU. Es geht um nicht weniger als um die Unabhängigkeit der Forscher von ihrem Förderer, etwa wenn letzterem die Forschung nicht gefällt.

Die TU ist stolz darauf, Geld aus der Wirtschaft anzuwerben

Tatsächlich stößt das Engagement des Lidl-Gründers in München auch auf Kritik. Es sei zwar grundsätzlich wenig gegen Stiftungsprofessuren einzuwenden, heißt es aus Hochschulkreisen: "Wer Geld geben will, soll das tun." Aber bei dieser Größenordnung sei eine Einflussnahme des Geldgebers auf die Universität, und sei sie nur subtil, kaum auszuschließen.

Das Problem ist nicht neu; um Interessenkonflikte bei Stiftungsprofessuren zu vermeiden, hat der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 2011 einen Verhaltenskodex formuliert. Der Geldgeber darf demnach nur dabei mitreden, welches Forschungsfeld grundsätzlich bearbeitet werden soll. Darüber hinaus darf er keinen Einfluss nehmen und sich insbesondere keinen Professor aussuchen; die Professuren sollen vielmehr nach den jeweiligen Hochschulgesetzen besetzt werden.

All das sei auch jetzt gewährleistet, beteuert die TU. Die Uni hat sich selbst einen ähnlichen Kodex verordnet, und Uni-Präsident Wolfgang Herrmann vertrete eine klare Haltung, heißt es. In der Vergangenheit habe man Stiftungsprofessuren auch abgelehnt, wenn die Universität den Eindruck hatte, der Stifter wolle weniger die freie Forschung fördern, sondern mehr eine Art von Forschungs-Werkvertrag.

Berührungsängste mit der Wirtschaft hatte die TU dabei noch nie, im Gegenteil: Sie ist stolz auf ihr Geschick, Geld von Firmen einzuwerben. Im vergangenen Jahr etwa betrug ihr Gesamtetat etwas mehr als 1,4 Milliarden Euro; davon bezahlte nicht einmal die Hälfte der Staat (630 Millionen), das Übrige erwirtschaftete die Uni selbst (473 Millionen) oder stammte von externen Geldgebern (304 Millionen). Letzterer Betrag wird sich mit dem Geld der Dieter-Schwarz-Stiftung deutlich erhöhen. Doch auch für die TU ist die neue Zuwendung mehr als außergewöhnlich. An der ganzen Uni mit 545 Professuren gibt es derzeit nur 21 Stiftungsprofessuren. Und von diesen sind fünf noch nicht besetzt.

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