Fall Kachelmann:Neuer Anwalt Schwenn beendet "Schmusekurs"

Zu soft: Die "Zeit"-Journalistin Rückert hielt nichts von Kachelmanns Verteidiger Birkenstock. Nun kommt ein scharfer Promi-Anwalt zum Zug, ein Mann für schwierige Fälle - den Rückert gut kennt.

Der Neue ist smart und könnte auch in amerikanischen Gerichtsfilmen mitspielen. Er hat schon viele prominente Mandanten vertreten. Der Alte hat ein paar Kilos zu viel und wirkt so, als liebe er es gerne gemütlich. Auch er vertrat schon einige bekannte Klienten, nur sind es nicht ganz so viele.

Vielleicht war es zu erwarten, dass der angeklagte TV-Star Jörg Kachelmann irgendwann einen Verteidiger nimmt, der besser zu seiner einstigen Glitzer-Medienwelt passt.

Am Montag aber war es eine Sensation. Mitten in einer zweiwöchigen Prozesspause wechselte das Verteidigungsteam des einstigen ARD-Wettermoderators: Es ging der Kölner Anwalt Reinhard Birkenstock, der Mann, der immer neben Kachelmann saß. Auch der zweite Wahlverteidiger, der Karlsruher Rechtsanwalt Klaus Schroth, wurde von seinen Aufgaben entbunden. Nur die Pflichtverteidigerin Andrea Combé sowie der Medienanwalt Ralf Höcker bleiben.

Einzug hält ein Jurist, der als Spezialist für schwierige Fälle gilt: der Hamburger Strafverteidiger Johann Schwenn, 63. Er studierte Rechtswissenschaften in Lyon, Tübingen und Hamburg. Seine Mandanten waren oft Personen der Zeitgeschichte, Leute wie der Ex-Stasi-Mann Markus Wolf, der einstige RAF-Terrorist Peter-Jürgen Brook, der Mäzen Jan-Philipp Reemtsma, die Schauspielerin Barbara Wussow, der Ex- Radprofi Jan Ullrich, der Leichtathletik-Trainer Thomas Springstein sowie Klaus Volkert, der in der VW-Affäre belangte Ex-Betriebsratschef.

VIP-Mandantenliste macht Eindruck

So eine VIP-Mandantenliste macht natürlich Eindruck. Warum aber kommt es jetzt zum Wechsel? Sah Kachelmann seine Chancen schwinden, dass das Gericht eher seinen Unschuldserklärungen glaubt als den Schilderungen des mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers Sabine W.?

Die seit Prozessbeginn stets gut informierte Bild-Zeitung will herausgefunden haben, dass die Trennung von Birkenstock vom Moderator ausging. Der Anwalt selbst wollte sich "aus berufsrechtlichen und prozessualen Gründen" bislang nicht weiter äußern.

Am Montag informierte Kachelmann den Hilfsanwalt Schroth per E-Mail über den Mandatsentzug. "Er hat mir gedankt für meine Arbeit und hat gesagt, dass er einen neuen Verteidiger hat." Einen Grund gab's nicht. "Natürlich war das überraschend", sagt Schroth. Er habe "keinen Grund, Herrn Kachelmann böse zu sein". Schroth war von Birkenstock bei der Einlegung der Haftbeschwerde hinzugezogen worden; beide hatten eine Aufhebung des Haftbefehls erreicht.

Reinhard Georg Birkenstock, 65, war mit Mandaten wie dem Entertainer Willi Herren, DDR-Spion Karl Wienand und Fällen wie dem Kölner Schmiergeldskandal in die Schlagzeilen gekommen. Doch erst der Fall Kachelmann machte ihn richtig bekannt. Seitdem kennt ganz Deutschland seine wuchtige Gestalt, die hängenden Augenlider und die Reibeisenstimme.

Das Aus für "jedermanns Anwalt"

"Mich fasziniert der Konflikt zwischen dem Staat und dem einzelnen Bürger. In meinem Beruf kann ich kontrollieren, ob der Staat sich an seine eigene Regeln hält. Deshalb empfinde ich meine Arbeit auch als politischen Beruf", erklärte der Mann, der mit seinem Ruf als "jedermanns Anwalt" kokettiert, einmal dem Stern. Er verteidige alle, von der "Nutte bis zum Professor", sagt Birkenstock.

Allerdings ist seine Strategie im Kachelmann-Prozess heftig umstritten. Zwei Befangenheitsanträge hat er gegen die Richter eingebracht, beide wurden abgeschmettert. Die Staatsanwaltschaft traktierte er schon während des Ermittlungsverfahrens mit Dienstaufsichtsbeschwerden, auch sie: abgewiesen.

"Birkenstock ging im Ermittlungsverfahren lange Zeit viel zu defensiv an die Sache heran", sagt ein Anwaltskollege aus dem Rheinland. Außerdem sei Birkenstock kein Spezialist für solche Sexualverbrechen.

Kachelmanns "drittes Problem"

Besonders scharf ging die Zeit-Journalistin Sabine Rückert im Juni zu Gericht. Da listete sie in einem dicken Dossier all die Gründe auf, die für eine Unschuld Kachelmanns sprächen. Birkenstock bezeichnete sie damals - neben Opferzeugin und Staatsanwaltschaft - als Kachelmanns "drittes Problem". Zwar habe der Kölner Anwalt "die Lügen der Opferzeugin von Anfang an gerochen" und die Staatsanwälte zu den entscheidenden Ermittlungen angehalten - darüber hinaus aber gebe es wenig zu rühmen.

Johann Schwenn uebernimmt Verteidigung Kachelmanns

Der Neue im Rampenlicht: Rechtsanwalt Johann Schwenn, Kachelmanns neuer Hauptverteidiger.

(Foto: dapd)

Birkenstock kenne sich aus mit Wirtschaftsstrafsachen und bewirke hier Deals, damit aber sei Kachelmann nicht gedient. Fast schon wütend kritisierte die Autorin "Birkenstocks Schmusekurs" und ätzte, der Anwalt nähere sich den Strafverfolgern "auf Samtpfötchen".

Da ist Johann Schwenn schon eine andere Größe. Den findet die Zeit-Journalistin gut. Das ist ein Mann mit klarer Kante, ja mit Handkante. Samtpfötchen? Eher Stahlpranken. Erst im September bewies der Hamburger Promi-Strafverteidiger die Unschuld zweier angeblicher Vergewaltiger.

Der neue Kachelmann-Verteidiger hat sich in der aktuellen Ausgabe des Magazins Cicero sogar schon zu dem Vergewaltigungsprozess geäußert. Darin kritisiert er die Staatsanwaltschaft und das Landgericht.

"Vom mutmaßlichen Opfer zum mutmaßlichen Täter ist der Weg manchmal nicht weit", heißt es da. Und: "Wer mit der Zeit geht, hält den sexuellen Missbrauch für die Pest unserer Tage. Da mögen die fallenden Zahlen der Kriminalstatistik sagen, was sie wollen: Gegen den Glauben an den Missbrauch scheint kein Kraut gewachsen. Dass dieser Glaube inzwischen auch jene erfasst hat, die es von Amts wegen besser wissen sollten, ist im Verfahren gegen Jörg Kachelmann zu besichtigen."

"Mehr als ein Gesichtsverlust"

Für die Staatsanwaltschaft Mannheim, so Schwenn, stehe "mehr auf dem Spiel als ein Gesichtsverlust". Werde der Angeklagte freigesprochen, so müsse das Gericht ihm das Anrecht auf Entschädigung für die erlittene Freiheitsentziehung zusprechen. Für die Vernichtung von Kachelmanns Reputation, "die ihm die Staatsanwälte durch ihr bloßstellendes und dilettantisches Herumermitteln zugefügt" hätten, müsste das Land Baden-Württemberg einstehen, so Schwenn.

Das klingt wirklich nicht nach Kuschelkurs.

Nun muss Schwenn erst einmal das Kunststück fertigbringen, sich in Rekordzeit in das bereits seit mehreren Monaten dauernde Strafverfahren einzuarbeiten - angesichts der Masse der Gutachten und Vernehmungsprotokolle eine echte Herausforderung. Sollte Schwenn am Ende des Verfahrens ein Plädoyer halten, so wird er Zeugenaussagen würdigen müssen, bei denen er selbst nicht dabei war.

Aber es gibt ja womöglich Hilfe von außen.

Im Jahr 2005 erreichte Schwenn vor dem Landgericht Oldenburg den Freispruch für Bernhard M.. Er war von seiner Tochter der Vergewaltigung bezichtigt worden. Auch der Onkel soll das Mädchen missbraucht haben. Am Ende erwies sich, dass alle Vorwürfe erlogen waren.

Damals hatte eine Journalistin erfolgreich mit Schwenn um die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den verurteilten Vater gekämpft: Sabine Rückert. Den Fall schilderte sie in einem Buch (Unrecht im Namen des Volkes). Auch in der Causa Kachelmann ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich die Zeit-Autorin noch länger einlässt.

Alles im Namen des Volkes, versteht sich.

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