Schutz der Meere:Bedrohtes Paradies

View of the Chinese ship detained and guarded on the island of San Cristobal Galapagos Islands Ecu

Im Sommer 2017 drang dieses chinesische Fangschiff in die 200-Meilen-Zone um Galapagos ein und wurde festgesetzt. An Bord fanden die Beamten 6600 tote Haie.

(Foto: Jose Jacome/Imago/Agencia EFE)

Vor den Galapagosinseln tauchen seit einigen Jahren zur Fangsaison Hunderte chinesische Schiffe auf. Sie fischen am Rande des Erlaubten und bedrohen ein einzigartiges Ökosystem.

Von Christoph Gurk, Rio de Janeiro

Esperanza hatten sie den Walhai getauft. Ein Weibchen, sieben Meter lang, nicht viel für einen Walhai, die Fische können auch doppelt so groß werden, Giganten der Meere. Esperanza aber war noch jung, als sie damals, im September 2019, vor den Galapagosinseln mit einem Sender versehen wurde. Satellitendaten zeigten, dass das Tier in den folgenden Monaten weit hinaus in den Pazifik schwamm, kurz vor Französisch-Polynesien drehte es dann in einer langen Kurve um und schwamm in die Richtung zurück, aus der es gekommen war. Für die Wissenschaftler war das eine Sensation. Erstmals würden sie vielleicht eine vollständige Walhai-Wanderung aufzeichnen können. Esperanza tauften sie darum das Tier, auf Deutsch: Hoffnung. Doch nach 280 Tagen war es auf einmal verschwunden.

Keine Daten kamen mehr vom Sender auf dem Rücken des Tieres, stattdessen aber tauchte auf den Satellitenbildern eine Wolke aus Punkten auf. Jeder von ihnen stand für ein Boot, zusammen, das war bald klar, bildeten sie eine riesige Fischereiflotte, Hunderte Schiffe, die meisten anscheinend unter chinesischer Flagge, deren Weg sich mit dem des Walhai-Weibchens kreuzten.

Nachdem Esperanzas Signal von den Satellitenbildern verschwunden war, wanderten die Punkte der Fischfangflotte immer weiter. Seit Mitte Juli dümpelt sie nun dort, wohin wohl auch Esperanza zurückwollte: vor den Galapagosinseln, einem der einzigartigsten Ökosysteme der Welt.

Der Archipel gehört zu Ecuador, liegt aber fast 1000 Kilometer von der Küste entfernt im Pazifik. An Land haben sich Arten entwickelt, die es so sonst nirgendwo auf der Welt gibt. Leguane und Schildkröten leben im Schatten riesiger Kakteen. Noch vielfältiger ist das Leben unter Wasser, mehrere Meeresströmungen treffen hier aufeinander, es gibt glitzernde Fischschwärme, Robben, Seelöwen und die verschiedensten Hai-Arten, viele davon sind, wie der Walhai, vom Aussterben bedroht.

Charles Darwin hat seine Beobachtungen auf den Galapagosinseln zur Untermauerung seiner Evolutionstheorie benutzt, er machte das Archipel berühmt. Ecuadors Regierung erklärte die Inseln 1959 zum Nationalpark, 1978 wurden sie in die Liste des Unesco-Welterbes eingetragen. Fast die gesamten Inseln und die sie umgebenden Gewässer stehen unter strengem Naturschutz. Allerdings, und das ist das Problem, endet er dort, wo laut Seerecht internationale Gewässer beginnen - und genau dort zieht nun die riesige Fischfangflotte durchs Wasser.

Eine Katastrophe für das Ökosystem

Rein rechtlich ist das nicht verboten, solange die Boote außerhalb der 200-Meilen-Zone rund um die Inseln bleiben. Für das Ökosystem des Archipels sind die Fischer aber eine Katastrophe, sagt John Hourston von der Ozeanschutzgruppe Blue Planet Society: "Mit ihren Netzen und Leinen saugt die Fangflotte von außen das Leben aus dem Schutzgebiet heraus."

Dass chinesische Fischer überhaupt so weit entfernt von ihrer Heimat auf Fischfang gehen, zeige, wie prekär die Situation in anderen Teilen der Weltmeere schon ist, sagt Hourston: "Nach rund 150 Jahren industriellem Fischfang gibt es nur noch wenige Gebiete, in denen das marine Leben überhaupt noch einigermaßen intakt und reichhaltig ist." Auf der Suche nach neuen Fanggründen fahren Fischer darum immer weiter hinaus, so machen das auch andere Länder, keine Flotte sei aber so groß wie die von China, sagt Hourston. "Man muss sich das vorstellen wie eine schwimmende Stadt. Hunderte Boote, die aus dem Nichts heraus auftauchen und unglaubliche Zerstörung anrichten."

Die Flotte verfüge über schwimmende Kühlschiffe und Tanker mit Treibstoff. Zurück müssen die Fischer erst, wenn die Laderäume voll sind. Das dauert aber, weil sie teilweise Tausende Tonnen fassen können.

Die Schiffe kommen immer wieder, Jahr für Jahr

Hat eine solche Flotte einmal reiche Fanggründe entdeckt, kommt sie immer wieder. Mal taucht sie vor Westafrika auf, mal vor Argentinien oder Nordkorea. Und vor die Galapagosinseln kommt sie sogar schon das mindestens vierte Jahr in Folge. "Das hält kein Ökosystem auf Dauer aus", sagt Hourston.

Einen kleinen Einblick davon, welchen Schaden die Flotte anrichtet, bekamen ecuadorianische Behörden 2017. Damals beschlagnahmten sie ein chinesisches Boot, das bis vor die Galapagosinseln gefahren war. An Bord fanden die Beamten rund 300 Tonnen Fisch, darunter allein 6600 tote Haie, auch solche, die unter strengem Naturschutz stehen. Ein Gericht verhängte eine Millionenstrafe gegen den chinesischen Reeder, Besatzungsmitglieder mussten für Jahre ins Gefängnis. Abhalten konnte das andere chinesische Fischer aber nicht, allein dieses Jahr sind wieder 260 Boote gekommen.

Man würde sie streng beobachten, sagt die Marine Ecuadors, und Präsident Lenín Moreno verkündete, die maritimen Ansprüche seines Landes zu verteidigen. Sehr viel mehr aber geht nicht, Ecuador kann sich keinen Streit mit China leisten, die Volksrepublik ist wichtiger Wirtschaftspartner und Geldgeber, dazu fischt die Flotte zwar so nahe an den Gewässern Ecuadors, wie es nur geht, bisher wurden aber noch keine Grenzverletzungen beobachtet.

Pazifikstaaten schließen sich zusammen

Ecuador will nun mit anderen Pazifikstaaten zusammen eine Schutzzone deklarieren und seine eigenen Seegrenzen ausweiten. Das aber sind alles langwierige Unterfangen, die internationale Zusammenarbeit benötigen und öffentlichen Druck.

Und so können Umweltschützer und Wissenschaftler nicht viel mehr tun, als zu protestieren und die Katastrophe zu beobachten. Immerhin: Die Technik habe große Fortschritte gemacht, sagt Ozeanschützer Hourston. Fangflotten seien mit Satellitendaten heute viel besser zu orten und zu überwachen. "Wir können in Echtzeit dabei zusehen, wie unsere Ozeane zerstört werden."

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