Großeinsatz für Feuerwehr:Tritt ins Klo

Kurioser Einsatz für die Offenburger Feuerwehr: Wie eine Frau drei Stunden in einer Stehtoilette feststeckte - und warum es in Deutschland diese Form der stillen Örtlichkeit gibt.

Johann Osel

"Steckt eine Frau in der Toilette fest ..." - was wie ein Kalauer aus einem schlechten Witzbuch klingt, ist im baden-württembergischen Offenburg tatsächlich passiert. Eine 44-jährige Frau aus Syrien, die dort in einer Sammelunterkunft für Asylbewerber lebt, wurde am Wochenende von Feuerwehr und Polizei aus einer Toilette befreit.

Großeinsatz für Feuerwehr: Eine Schüssel im Boden, ein Loch, zwei Trittbette für die Füße, fertig: In Frankreich gibt es noch vereinzelt Stehklosette, in arabischen Länder gehören sie praktisch zum Standard.

Eine Schüssel im Boden, ein Loch, zwei Trittbette für die Füße, fertig: In Frankreich gibt es noch vereinzelt Stehklosette, in arabischen Länder gehören sie praktisch zum Standard.

(Foto: Foto: AP)

Wohlgemerkt nicht aus der Örtlichkeit an sich, sondern direkt aus der Toilette - einer türkischen Toilette, auf der man nicht sitzen kann, sondern über einem Loch steht oder hockt.

Die 44-Jährige war ausgerutscht und mit dem linken Bein bis auf Höhe des Knies in das Abflussrohr gerutscht. Darin steckte sie dann fest, das Bein ließ sich keinen Zentimeter mehr bewegen.

Schmerzensschreie bei jeder Bewegung

Mit ihrem Handy rief sie die Polizei. Erst habe man gedacht, das Ganze sei ein dummer Scherz, sagt ein Sprecher der Offenburger Polizeidienststelle zu sueddeutsche.de. Vor Ort fanden die Beamten dann tatsächlich die Frau in dieser misslichen Lage vor. Und wussten nicht so recht Rat: Die hinzugerufene Feuerwehr baute den Siphon der Stehtoilette ab und versuchte, das Bein der Frau nach oben zu drücken.

Ohne Erfolg, bei der kleinsten Bewegung schrie die Frau vor Schmerzen. Ein Notarzt kam hinzu, narkotisierte die Frau leicht. Doch auch das half nichts, jede Bewegung tat der Frau weh.

Den Rettungskräften blieb nur eine Möglichkeit: Sie rissen die komplette Toilettenanlage aus dem Fußboden heraus. Blechscheren und ein Winkelschleifer waren dazu nötig, drei Stunden steckte die Frau insgesamt in dem Rohr fest.

Der ungewöhnliche Unfall deckte damit noch ein weiteres Kuriosum auf: Es gibt in Deutschland tatsächlich Stehtoiletten - zumindest gibt es ein solches Exemplar in der Offenburger Asylbewerberunterkunft.

Umfrage: Sitzen oder Stehen?

So bestätigte es ein Sprecher des zuständigen Landratsamtes: In dem relativ neuen Teilgebäude der Asylunterkunft habe man eine Umfrage unter den Bewohnern gestartet: Sitz- oder Stehklo? 90 Prozent wollten nach westlichem Standard ihre Notdurft verrichten, ein Zehntel hingegen entschied sich für die Stehtoilette. Als Kompromiss wurde in dem Haus eine solche orientalische Toilette eingebaut. Eben jene, die der Syrerin zum Verhängnis wurde.

In arabischen Ländern, der Türkei, China, Indien oder teils in Südosteuropa haben solche Klosetts Tradition. Auch in Frankreich waren Hocktoiletten bis in die 1980er Jahre in öffentlichen Bereichen üblich und finden heute noch teilweise Verwendung, schreibt die Designerin Bettina Möllring in ihrer Doktorarbeit über die Gestaltung von Sanitärobjekten. Für Europa seien sie aber mittlerweile irrelevant geworden.

Die Fans der Stehtoilette hingegen verteidigen ihre Version des stillen Örtchens: Damit würde nicht zuletzt die Knie- und Beinmuskulatur trainiert. Ein deutscher China-Reisender hat in seinem Blog eine humorvolle "Anleitung zum Gebrauch der Teufelsdinger" veröffentlicht. Zur erforderlichen Hockhaltung schreibt er: "Dies ist sicherlich einer der Gründe, warum ältere Frauen in China so beweglich sind, sie bleiben schließlich im Training."

Großer Vorteil: die bessere Hygiene

Personen, die Hockklos gewohnt sind und mit einer westlichen Sitztoilette konfrontiert sind, stellen sich oftmals auf die Klobrille oder gehen darauf in die Hocke, um ihr Geschäft zu verrichten.

In dem selben Blog zu Chinas Toilettengewohnheiten berichtet ein User sogar von einem Studentenwohnheim in Deutschland, das größtenteils an Chinesen vermietet wird. Dort besuchten viele Studenten die europäischen Toiletten so, wie sie es von der Hocktoilette kennen. "Das Ergebnis kann sich sehen lassen", meint der User lapidar.

Ein Vorteil der Hocktoilette liegt jedoch auf der Hand: die Hygiene. Denn die Gefahr von Ansteckungen durch potentiell verschmutzte Klobrillen entfällt. Mehr noch: Sie sind schnell zu reinigen, billig in der Anschaffung und Vandalen finden auf Hocktoiletten kaum etwas zum Zerstören vor. Und weil sie nur bedingt zum ausdauernden Verweilen einlädt und Klo-Zeitungs-Leser verschreckt, ist sie nicht gerade in den ungünstigsten Momenten besetzt.

Doch so kurios der Vorfall von Offenburg auf den ersten Blick scheint, für die Syrerin hatte er ernsthafte Folgen: Sie musste laut Polizei zur weiteren Behandlung ihrer Blessuren in ein Krankenhaus.

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