Kinderfotos auf Social Media:Auch Kinder haben ein Recht am eigenen Bild

Kinderfotos auf Social Media: Das Kinderhilfswerk ruft zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Kinderfotos in den sozialen Medien auf

Das Kinderhilfswerk ruft zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Kinderfotos in den sozialen Medien auf

(Foto: lumen-digital / photocase.de)

Der kleine Maxi auf dem Töpfchen, die süße Ida in der Badewanne: Viele Eltern teilen ständig Fotos ihrer Kleinen in den sozialen Netzwerken. Das Kinderhilfswerk fordert: Denkt nach, bevor ihr postet!

Von Ulrike Heidenreich

Es tut richtig weh, da hinzusehen. Ein nacktes Kleinkind mit Speckringen und Taucherbrille sitzt in einem Wäschekorb aus Plastik, die Eltern haben einen Propeller aus Pappe und zwei Flügel drangeklebt. Das Bild vom lustigen Baby, das gerade fliegen lernt, zeigen sie auf ihrem Facebook-Account. Wie mag es dem Kind gehen, wenn es älter ist und dieses Foto von sich im Internet entdeckt? Sei es auf Whatsapp, Facebook oder Instagram - Eltern verletzen zunehmend die Persönlichkeitsrechte ihrer Kinder im digitalen Raum. Oft unüberlegt, oft, um sich zu profilieren. Datenschützer sehen das mit Sorge. Das Deutsche Kinderhilfswerk startet an diesem Donnerstag eine Facebook-Kampagne - nicht etwa, um Kindern einen Leitfaden zu geben. Nein, um Väter und Mütter zu sensibilisieren, denen offensichtlich wenig peinlich ist.

Warum zeigt man auf dem Profilbild nicht sich selbst, sondern seine Kinder?

Es beginnt schon bei der Angewohnheit, auf dem eigenen Whatsapp-Profil lieber ein Bild seines Kindes zu zeigen anstatt eines von sich selbst. Auch dies ist falsch verstandener Elternstolz. Die wenigsten werden ihre Kinder vorher gefragt haben, ob sie möchten, dass der Freundeskreis von Mama oder Papa regelmäßig per Profilbild über ihre Entwicklung und jeweiligen Urlaubsorte auf dem Laufenden ist. Rein rechtlich gesehen sollten Eltern ihre Kinder aber informieren. Sobald ein Kind 14 Jahre alt ist, müssen Erwachsene es ausdrücklich fragen, ob sie ein Foto von ihm verwenden dürfen. Ab diesem Alter geht die Rechtsprechung davon aus, dass Kinder die notwendige Einsichtsfähigkeit haben, um über eine Veröffentlichung zu entscheiden. Aber auch Kleinkinder und Säuglinge haben ein Recht darauf, dass ihr Persönlichkeitsrecht nicht verletzt wird. Letztendlich gebietet dies auch der Respekt.

"Das Posten von Bildern oder von Informationen über Kinder ohne deren Zustimmung ist aus kinderrechtlicher Sicht bedenklich. Es verletzt zuallererst die Privatsphäre der Kinder", sagt Thomas Krüger, Präsident des Kinderhilfswerkes. Auch seien Schutzrechte in Gefahr. "Oft sind Fotos im Netz frei zugänglich und können in falsche Hände geraten." Die Fotos der Facebook-Kampagne zeigen ein Kleinkind mit Schmollmund im Giraffenkostüm, ein Baby, das einen Teller Spaghetti verwüstet, oder eines, das vor dem WC Klopapier ausrollt. Alle Bilder sind versehen mit dem Warnzusatz: "Liebe Mama, lieber Papa, denkt nach, bevor ihr postet!" Drei Wochen lang werden Facebook-Nutzer von nun an auf diese Motive stoßen.

Das Kinderhilfswerk will damit zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Kinderfotos animieren. "Viele teilen augenscheinlich unüberlegt Fotos über soziale Netzwerke. Es ist uns ein Anliegen, Erwachsenen keine Vorschriften zu machen, sondern sie zu Selbstreflexion und zum Dialog mit den Kindern anzuregen", sagt Krüger. Einer Umfrage des Forschungsinstituts Kantar Public zufolge haben sehr viele Erwachsene ein fehlendes Problembewusstsein, wenn es um die Veröffentlichung von Informationen oder Bildern über Whatsapp, Facebook oder Instagram geht. 34 Prozent geben an, Kinder gar nicht einzubeziehen, wenn sie Bilder posten. 30 Prozent informieren die Kinder lediglich. Ausdrücklich um Erlaubnis bitten nur 31 Prozent der Befragten.

Fotos, die heute niedlich sind, können Kindern später unendlich peinlich sein. Und ist ein Foto erst einmal veröffentlicht, hat niemand mehr die Kontrolle darüber. Das Onlineportal Jugendschutz.net, das seit 20 Jahren als Mahner und Anwalt von Kindern das Internet durchforstet, warnt eindringlich davor, wie leicht Fotos von Dritten heruntergeladen werden können und in komplett anderem Kontext erscheinen. Da finden sich die Fotos plötzlich auf Werbeseiten oder in Pädophilen-Foren. Vor einiger Zeit sorgte eine Facebook-Seite mit dem Namen "Little Miss & Mister" für Unruhe bei Eltern. Die unbekannten Betreiber hatten keine Profile gehackt, sondern lediglich öffentlich sichtbare Kinderbilder zusammengestellt - von Kleinkindern in der Badewanne, in der Badehose, in Unterwäsche. Angeblich, um auf die Unvorsichtigkeit von Facebook-Nutzern aufmerksam zu machen. Schockierte Eltern, die ihren Nachwuchs dort fanden, protestierten. Die Seite ist inzwischen abgeschaltet, es ist unklar, wer dahintersteckt.

Wer eigene Fotos auf Facebook stellt, bleibt zwar deren Urheber. Laut den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Netzwerks kann Facebook sie jedoch nutzen. Zum Beispiel auch, um Bildmaterial an Werbepartner weiterzugeben. Nach Berechnungen des Kinderhilfswerkes erleben es fast vier Millionen Jugendliche in Deutschland, dass Bilder von ihnen in sozialen Medien veröffentlicht werden. Der am häufigsten genutzte Dienst dafür ist mit 84 Prozent Whatsapp. Facebook und Instagram folgen mit 33 und 15 Prozent.

Dass Kampagnen gegen den sorglosen Umgang mit Bildern funktionieren können, zeigt eine Facebook-Aktion der Polizei Hagen vor zwei Jahren. "Hören Sie bitte auf, Fotos Ihrer Kinder für jedermann sichtbar bei Facebook und Co. zu posten. Danke!", hieß der Spruch neben einem Mädchen, dessen Gesicht mit einem roten Kreuz durchgestrichen wurde. Die Warnung wurde zum Klick-Hit auf Facebook, sie wurde gut 300 000-mal geteilt.

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