Zum Tod von Post-it-Erfinder Spencer Silver:Der Mann der Denkzettel

Post-its gehören auch im digitalen Zeitalter zum Alltag. Dabei wollte Chemiker Spencer Silver 1968 etwas ganz anderes erfinden. Nun ist er gestorben.

Von Violetta Simon

Subway Therapy post US election art project in New York

"U-Bahn-Therapie" nennt sich dieses Kunstprojekt in Manhattan, das aus lauter persönlichen Notizen von Passanten besteht.

(Foto: Alba Vigaray/dpa)

Die Erinnerung auf der Brotzeitbox des verträumten Achtjährigen, die kryptischen Zahlen am Bildschirm: Post-its sind so einfach wie genial, sie haften fast immer und überall. Und im Gegensatz zum rubinrotem Lippenstift, der den Spiegel großflächig verschmiert, kann man die dezente Liebesbotschaft leicht abziehen und aufheben.

Die Erfindung der Haftzettel ist einem Zufall zu verdanken. Und dem Chemiker Spencer Silver. Der Texaner sollte nach dem Studium für den US-Konzern 3M einen außergewöhnlich starken Klebstoff entwickeln. Heraus kam 1968 ein Kleber, der sich leicht ablöste - eine Enttäuschung für den Erfinder. Jahre später schlug sein Kollege Art Fry vor, Lesezeichen daraus zu entwickeln. Diese beschrieb Spencer regelmäßig mit Notizen, was vor allem die Sekretärinnen des Unternehmens sehr praktisch fanden. So kamen die kanariengelben, quadratischen Haftnotizen zunächst als Press 'n' Peel Memo Pad, 1980 dann unter der Bezeichnung Post-it-Note auf den Markt.

Die analogen Zettel überlebten selbst die Digitalisierung, ja, im Grunde wurde die Haftzettel-Idee Jahrzehnte nach ihrer Erfindung von den sozialen Medien übernommen und weiterentwickelt.

Thousands of colourful notes are displayed on 'Lennon Wall' as a couple carrying a yellow umbrella, a symbol of the Occupy Central civil disobedience movement, walks past at the Admiralty protest site in Hong Kong

Protest aus Papier: Studenten der Universität Hongkong heften Zigtausende Post-it-Botschaften an die sogenannte "Lennon Wall", um gegen die Regierung zu protestieren.

(Foto: BOBBY YIP/REUTERS)

Was sie von herkömmlichen Zetteln unterscheidet: dass sie auch nach mehrmaligem Entfernen wieder kleben. Somit lassen sich Ideen mehrmals umsortieren und Entscheidungen (Tante Erna auf die Gästeliste: ja, nein, vielleicht?) leichter bewältigen. Wer jemals mittels eines Post-its den Bohrstaub auffing (falten, unter der Bohrstelle ankleben und in den Knick rieseln lassen) oder seine Tastatur reinigte (Klebeseite durch die Zwischenräume ziehen), weiß: So ein Post-it kann mehr.

Natürlich lässt sich auch ein Daumenkino daraus machen. Oder, von Tausenden Studenten in Hongkong an die sogenannte Lennon Wall geheftet, Protest gegen die Regierung symbolisieren. Wer dreiste Falschparker zur Verzweiflung treiben will, beklebt deren Autos von oben bis unten mit Denkzetteln, so wie es Mitarbeiter der Stadt Heidelberg gemacht haben. Auf jedem einzelnen Post-it stand der Hashtag #WoParkstDuDenn?

Zum Tod von Post-it-Erfinder Spencer Silver: Spencer Silver, Erfinder des Post-its, verhalf dem US-Unternehmen 3M zu einem weltweit erfolgreichen Produkt.

Spencer Silver, Erfinder des Post-its, verhalf dem US-Unternehmen 3M zu einem weltweit erfolgreichen Produkt.

(Foto: AP/AP)

Wie erst jetzt bekannt wurde, ist der Mann, dem das alles zu verdanken ist, bereits am 8. Mai in seinem Haus in St. Paul im US-Bundesstaat Minnesota an Herzversagen gestorben. Spencer Silvers Haftnotizen werden weiterhin an Kühlschranktüren oder Magazinseiten kleben.

Daher sei einmal mehr auf die fachgerechte Verwendung hingewiesen: Post-its sollte man nie von unten nach oben aufrollen, sondern zur Seite abziehen. Damit die Blätter sich nicht aufbiegen, sondern flach anliegen und optimal haften. So bleibt die Liebesbotschaft, wo sie hingehört. Jedenfalls, solange sie soll.

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