Iran:Mord vor laufender Kamera

"Reality-TV" à la Iran: Die zur Steinigung verurteilte Sakineh Aschtiani muss die angebliche Tötung ihres Gatten nachstellen. In der Sendung werden auch die inhaftierten deutschen Reporter gezeigt.

Rudolph Chimelli

Die wegen Ehebruchs zum Tod verurteilte Sakineh Mohammadi Aschtiani könnte nach einem Auftritt im staatlichen iranischen Fernsehsender Press TV der Steinigung entgehen. Jedoch blieb unklar, ob die Hinrichtung nicht auf andere Weise vollzogen wird. Ein Kommentator sagte während der halbstündigen Sendung am Freitag, das Steinigungsurteil sei "symbolisch", denn diese Bestrafung sei vom Chef der iranischen Justiz, Mahmud Haschemi Schahrudi, bereits 2005 für abgeschafft erklärt worden. Das Parlament habe diese Neuerung lediglich noch nicht ins Gesetzbuch eingefügt. Außerdem hätten zwei der fünf Richter das Steinigungsurteil nicht bestätigt.

Sakineh Mohammadi Ashtiani

Musste in ihrem Haus den angeblichen Mord an ihrem Gatten nachstellen: Die zum Tode durch Steinigung verurteilte Sakineh Aschtiani.

(Foto: AP)

Die 43-Jährige war aus dem Gefängnis in Tabris für drei Tage in ihren Heimatort Osghu in Aserbaidschan gebracht worden. Sie wirkte in ihrem Haus bei der Nachstellung des Mordes an ihrem Ehemann mit, dessen Tötung ihr in einem separaten Todesurteil ebenfalls angelastet wird. Ein Berufungsgericht hat diese Strafe schon auf zehn Jahre Haft reduziert. Erste Fernsehbilder, die Sakineh zusammen mit ihrem Sohn Sadschad zeigten, hatten die in Deutschland lebende Regimegegnerin Mina Ahadi, Vorsitzende eines Komitees gegen Steinigung, zur voreiligen Mitteilung veranlasst, die beiden seien zusammen mit ihrem Anwalt Hutan Kian freigelassen worden. Alle sind jedoch weiterhin in Haft.

Inszenierung für das Ausland

Beim jüngsten Fernsehauftritt war im Gegensatz zu drei früheren Sendungen das Gesicht der Beschuldigten klar zu sehen. Sie trug keinen schwarzen Tschador, sondern ein braunes Kopftuch sowie einen Mantel, und sprach klares Farsi, das in englischen Untertiteln übersetzt wurde. Während der drei anderen TV-Auftritte hatte sich Sakineh in aserbaidschanischem Türkisch ausgedrückt. Es wurde mit gesprochenem persischen Text überlegt, so dass ihre Stimme schlecht hörbar war.

Bei der Nachstellung der Tat streifte sie sich Gummihandschuhe über und injizierte ihrem schlafenden Mann ein Betäubungsmittel mit einer Spritze, die sie von ihrem angeblichen Liebhaber Issa Taheri erhalten hatte. Danach tötete Taheri, der von einem Schauspieler dargestellt wurde, den Betäubten mit sieben Stromstößen. Die Leiche mit ihren Verbrennungen wurde durch gerichtsmedizinische Fotos vorgeführt. Es gibt Vermutungen, dass Sakineh für ihre Mitwirkung bei der Inszenierung, die für das Ausland bestimmt war, Begnadigungshoffnungen hegen könnte.

Auch die beiden deutschen Journalisten, die am 10. Oktober im Büro des Anwalts verhaftet wurden, als sie versuchten, Sadschad zu interviewen, waren zu sehen. Sie hatten nicht vor der Kamera sprechen wollen, wurden aber mit Fotos gezeigt - erst in einem Lokal, dann beim Gespräch im Anwaltsbüro, während erkennbar ein Aufnahmegerät lief. Das iranische Fernsehen nannte die Namen der beiden, die von deutschen Stellen und Medien verschwiegen werden, und zeigte ihre Pässe. Der Mörder Issa Taheri war in der Sendung auf einem Foto im Gespräch mit seinem Vater zu sehen, äußerte sich aber in der Dokumentation nicht.

Wieso er sich in Freiheit befindet, erklärte Press TV ebenso wenig wie andere regimenahe iranische Stimmen, die sich mit der westlichen Kampagne zur Schonung von Sakineh polemisch auseinandersetzen. So weit zu erfahren ist, war Taheri nach dem Mord im Dezember 2005 gleichfalls zum Tod verurteilt. Doch die Familie des Opfers - Sohn Sadsched und dessen jüngere Schwester - hat ihm verziehen. Dies ist nach islamischem Recht möglich. Danach kann die Hinrichtung durch Haft ersetzt werden. Offensichtlich fiel die Ermäßigung für den Mörder viel höher aus als für seine Komplizin.

Der Geheimdienst hört mit

Und das ist nicht die einzige Ungereimtheit: Der Mörder und der Ermordete sind verwandt, möglicherweise direkte Vettern. Auch Sakineh scheint der Verwandtschaft zu entstammen. Kein Außenstehender weiß, wie weit beim Ablauf der Ereignisse sowie in den Aussagen der Beteiligten persönliche Animositäten, materielle Interessen oder mögliche Rache eine Rolle spielen. Die Justiz und die politischen Behörden haben kein Interesse daran, solche Fragen aufzuklären.

Zudem darf davon ausgegangen werden, dass der iranische Geheimdienst mit seinem effizienten Überwachungsapparat die Ereignisse von Anfang an verfolgte. Alle Gespräche vom Telefon der Steinigungs-Gegnerin Mina Ahadi mit Iran werden mit Sicherheit abgehört. Sie hat die beiden Journalisten mit Informationen versorgt sowie während des Gesprächs beim Anwalt, das mit der Verhaftung endete, gedolmetscht. Sakinehs erster Anwalt Mohammed Mostafai, der wesentlich an der Auslösung der Kampagne im Ausland beteiligt war, konnte sich nach einem ersten Verhör nach Skandinavien absetzen. Doch kurz darauf, als er schon ein Verfemter war, durfte ihm seine Familie unbehelligt nachreisen.

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