Stuttgart 21:Vorsicht Schlüsselprojekt!

Kalkar, Transrapid - und Stuttgart 21: Wird ein Bau mit nationaler Bedeutung aufgeladen, wenn erst einmal Vokabeln wie "alternativlos, unumkehrbar, symbolhaft" bemüht werden, heißt das: Es steht schlecht darum.

Sebastian Beck

Es ist ein paar Jahrzehnte her, da sollten in Kalkar am Niederrhein Deutschland und die ganze Welt gerettet werden. Zwischen 1970 und 1991 tüftelten dort Ingenieure an einem neuartigen Atomkraftwerk vom Typ "Schneller Brüter". Nur mit dem Bau solcher Anlagen sei die Klimakatastrophe aufzuhalten, warnte damals der Leiter des Kernforschungszentrums Jülich. Der Schnelle Brüter, assistierte die FDP, sei Symbol für die "technologische Zuverlässigkeit und Beherrschbarkeit bei der Durchführung von Großprojekten in der Bundesrepublik". Schon deshalb müsse er ans Netz - also aus prinzipiellen Gründen.

Stuttgart 21 - Demonstrationsteilnehmer

In Stuttgart sind die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern des Bahnprojekts Stuttgart 21 klar. 

(Foto: dpa)

Nach der Jahrtausendwende ging es dann in Bayern um alles oder nichts: Die Magnetschwebebahn Transrapid sei ein nationales Schlüsselprojekt, sagte Ministerpräsident Edmund Stoiber und verkündete im September 2007 den "endgültigen Durchbruch" bei den Verhandlungen über die Finanzierung: "Die politisch Verantwortlichen werden das nicht mehr stoppen."

Kalkar, Transrapid und jetzt Stuttgart 21 - so unterschiedlich die Großprojekte auch sind: Die Argumente der Befürworter gleichen sich über Jahrzehnte hinweg bis aufs Wort. Zuletzt war es BASF-Chef Jürgen Hambrecht, der vor einer Woche in Stuttgart das Bahnprojekt mit der bewährten Standardfloskel verteidigte: "Ein klares Ja zu Stuttgart 21 ist ein klares Ja zu einem fortschrittlichen Industriestandort Deutschland."

Hambrecht reiht sich damit in die Riege der Lobbyisten aus Politik und Wirtschaft ein, die Stuttgart 21 mit schicksalhafter Bedeutung aufladen. Doch der Blick zurück zeigt: Wenn erst einmal Vokabeln wie "alternativlos, unumkehrbar, symbolhaft" bemüht werden, dann steht es in Wirklichkeit ziemlich schlecht um ein Projekt. Denn solche Begründungen werden stets dann ins Feld geführt, wenn die Analyse der Fakten ergeben hat, dass man im großen Stil Geld rausschmeißt. Oder anders gesagt: Wenn ein Projekt schon keinen Nutzen hat, dann wird es eben im Namen des großen Ganzen vorangetrieben. Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus glaubt, dass er mit dieser Taktik Entschlusskraft an den Tag legt, zumindest aber sein Gesicht wahrt.

Getreu diesem Prinzip wurde auch der Schnelle Brüter für fast sieben Milliarden Mark fertig gebaut - und dann stillgelegt. Seitdem symbolisiert er Deutschlands größte Industrieruine und beherbergt unter anderem "Kernie's Familienpark". Stoiber hat mit seinem Bekenntnis zum Transrapid tatsächlich ein Vermächtnis hinterlassen: Sein vergeblicher Versuch, den Nutzen der Magnetbahn zu erläutern, ist ein Klassiker auf Youtube.

Was dagegen aus Stuttgart 21 wird, ist noch nicht klar: Ein Verzicht darauf könnte einmal als ein Beispiel für späte Einsicht der Politik gelten. Andernfalls hat Stuttgart 21 gute Chancen, als teuerstes Bahnprojekt in die Geschichte einzugehen. Aber - anders als Kalkar - zumindest nicht als Ruine.

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