Atomkraftwerke:Merkel stoppt Laufzeit-Versteigerung

Die Kanzlerin spricht ein Machtwort und stoppt die Pläne von Koalitionsmitgliedern für eine Versteigerung von Atomstrommengen. Das Verfahren dauere zu lange und löse das Problem mit den Atomkraftwerken nicht.

M. Bauchmüller, S. Braun und C. Hulverscheidt

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat alle Pläne von Koalitionsmitgliedern für eine Versteigerung von Atomstrommengen gestoppt. Merkel sagte nach Angaben aus Koalitionskreisen bei einem Treffen der Unions-Minister in Berlin, ein solches Verfahren sei mit ihr nicht zu machen. Es dauere zu lang und löse das Problem der Restlaufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke nicht. Zuvor hatte insbesondere Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) Sympathien für eine solche Auktion erkennen lassen. Es sei "ein Gedanke mit Charme", bekräftigte er am Mittwoch noch einmal, ruderte dann aber kräftig zurück. Die Idee werde jedenfalls "in der Kürze der Zeit" nicht in Gesetzesform gegossen.

Restlaufzeit Kernkraftwerke - Isar 2

Weil die Kernkraftwerke nahezu vollständig abgeschrieben sind, machen die vier Stromkonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW durch die Verlängerung erhebliche Gewinne.

(Foto: dpa)

Auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) äußerte sich skeptisch. Zwar handele es sich um einen "marktwirtschaftlichen Weg". Für das geplanten Energiekonzept aber, das im Herbst die Grundlage für längere Laufzeiten legen soll, komme es nicht in Frage. "Bei dem, was jetzt ansteht, müssen wir bei dem jetzt vorgeschlagenen Weg bleiben", sagte Brüderle. Andernfalls seien die Fristen nicht zu halten. Noch in diesem Jahr will die Koalition die Laufzeiten der Atomkraftwerke endgültig klären, rechtzeitig vor der nächsten Landtagswahl im kommenden März.

Mehrere Parlamentarier von Union und FDP hatten zuletzt für den Auktions-Vorschlag geworben. Demnach sollten die längeren Laufzeiten für die 17 deutschen Kernkraftwerke in einem Versteigerungsverfahren vergeben werden. Dazu würden die längeren Laufzeiten in Strommengen umgerechnet. Auf entsprechende Kontingente könnten die Unternehmen dann bieten. Unklar blieb, ob nur die vier deutschen Konzerne oder auch andere Unternehmen bei der Auktion mitbieten könnten.

Eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung hatte den Wert einer Laufzeitverlängerung um acht Jahre auf 56 Milliarden Euro beziffert. Per Versteigerung ließen sich elegant die Extragewinne der Betreiber abschöpfen, warben die Autoren. Weil die Kernkraftwerke nahezu vollständig abgeschrieben sind, machen die vier Stromkonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW durch die Verlängerung erhebliche Gewinne. Die Koalition hatte verabredet, im Zuge längerer Laufzeiten einen "Vorteilsausgleich" zu verankern, mit dem ein Großteil der Sondergewinne abgeschöpft werden soll.

Die Kritik an dem Vorschlag riss am Mittwoch nicht ab. Nach der Opposition stellte sich auch die CSU gegen die Auktion. Sie diene nur dazu, "von politisch notwendigen Entscheidungen abzulenken", sagte Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich der Passauer Neuen Presse. Dagegen verlangte FDP-Fraktionsvize Michael Kauch, zumindest alle möglichen Varianten der Abschöpfung zu untersuchen. "Einen vorschnellen Ausschluss von Optionen durch einzelne Politiker kann es nicht geben", sagte Kauch.

Nach bisherigen Plänen der Bundesregierung soll eine Steuer auf Kernbrennstoffe zumindest einen Teil der Gewinne abschöpfen. Von 2011 an soll sie jährlich 2,3 Milliarden Euro bringen. Die Energiekonzerne wehren sich mit Händen und Füßen gegen diese Steuer. Sie selbst hatten einen Fonds ins Gespräch gebracht, den die Staatsbank KfW vorfinanzieren soll. Die Unternehmen wollen ihn über die Jahre abstottern, aus Erlösen zusätzlichen Atomstroms.

Neueste Überlegungen von Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble dürften den Unternehmen deshalb gar nicht passen. Denn nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sind sich beide darüber einig, dass die Betreiber von Atomkraftwerken künftig neben der geplanten Brennelementesteuer eine weitere Abgabe zahlen sollen. Wie genau sie aussehen soll, welchen Umfang sie haben wird und wem sie zugute kommt, blieb zunächst offen.

Ursprünglich sollten die abgeschöpften Atom-Einnahmen in die Förderung und Erforschung erneuerbarer Energien fließen. Sehr zum Verdruss der Länder würde die geplante Brennelementesteuer allein in die Kassen des Bundes gehen. Mit einer zusätzlichen Abgabe ließe sich dieses Manko beheben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: