Anschlag in Barcelona:Das Fahrzeug als Waffe

Kleintransporter fährt in Barcelona in Menschenmenge

Vermutlich handelt es sich bei dem Lieferwagen links im Bild um das Tatfahrzeug.

(Foto: dpa)
  • Nizza, Berlin, Stockholm, London - und jetzt Barcelona. Immer wieder werden Fahrzeuge für tödliche Anschläge genutzt.
  • Die Strategie ist nicht neu - die Täter setzen darauf, mit allen verfügbaren Mitteln zu töten, vor allem aber auch Angst und Schrecken zu verbreiten.
  • Sicherheitsbehörden stehen vor dem Problem, dass solche Anschläge relativ einfach zu begehen und sehr schwierig zu verhinden sind.

Von Markus C. Schulte von Drach

Mehr als 100 Menschen wurden bei dem Terroranschlag verletzt, vierzehn getötet: Ein Van ist in Barcelona über die berühmte Flaniermeile Las Ramblas gefahren und hat dabei etliche Menschen erfasst. Die Ramblas sind an einem Sommertag wie diesem voller Menschen. Wieder eine belebte Straße, wieder ein Fahrzeug als Waffe. Erst am 12. August war ein Rechtsradikaler in der US-Stadt Charlottesville nach einer Demonstration von Ultrarechten in eine Gruppe von Gegendemonstranten gefahren, hatte eine Frau getötet und 19 verletzt.

Im Juni wurden sieben Menschen getötet, als in London drei Männer mit einem Kleinlaster über den Gehweg der London Bridge rasten. Mindestens 48 Menschen wurden bei dem Anschlag verletzt, die Täter erschossen. Es war bereits das zweite Mal, dass in diesem Jahr in der britischen Hauptstadt auf diese Weise gezielt getötet wurde. Erst im März hatte ein islamistischer Terrorist zwei Menschen auf der Westminster Bridge totgefahren und 29 verletzt. Ein drittes Todesopfer, ein Polizist, wurde vom Mörder am Eingang des Parlamentsgebäudes erstochen.

Es ist offensichtlich, dass diese Art von Angriffen, die sich einfacher verüben lassen als etwa Bombenanschläge, zunimmt.

Im April hatte ein mutmaßlicher Sympathisant des sogenannten Islamischen Staates in Stockholm auf der zentralen Einkaufsstraße mit einem Lastwagen etliche Menschen überfahren und war in die Front eines Kaufhauses gerast. Fünf Menschen starben, 15 wurden verletzt.

In Deutschland hatte im vergangenen Dezember ein Attentäter einen Lkw in eine Menschenmenge auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz in Berlin gesteuert, dabei elf Menschen ermordet und 55 verletzt; den eigentlichen Lastwagenfahrer tötete er vorher.

Die Reihe von Anschlägen dieses Musters begann Juli 2016. Damals waren 86 Menschen getötet und mehr als 400 verletzt worden, als ein Terrorist mit einem Lkw in eine Menschenmenge auf der Promenade des Anglais in Nizza raste.

Der Anschlag in Barcelona ist demnach der siebte binnen 13 Monaten in Europa, bei dem ein Fahrzeug als Mordwaffe eingesetzt wurde.

Attentate mit Autos als Waffe seit 2006

Neu ist dieses Vorgehen von Terroristen nicht. Allerdings versuchen Attentäter im Westen offenbar immer häufiger, Menschen direkt mit Fahrzeugen zu töten, und Autos nicht nur als mobile Bomben einzusetzen.

  • Bereits 2006 steuerte ein junger Mann einen SUV in eine Gruppe von Passanten auf dem Geländer der Universität in Chapel Hill, USA. Neun Menschen wurden dabei verletzt. Der Täter wollte sich eigenen Angaben für den Tod von Muslimen rächen.
  • 2009 tötete ein Attentäter sieben Menschen in der niederländischen Stadt Apeldoorn und verletzte zehn weitere, als er mit einem Kleinwagen in einen Umzug zum Königinnentag fuhr. Der Täter war ein Niederländer, sein Ziel war vermutlich das offene Fahrzeug der Königin und ihrer Familie gewesen. Er starb an den Verletzungen, die er sich bei dem Anschlag zuzog. Im Gegensatz zu den meisten anderen ähnlichen Anschlägen hatte die Tat keinen islamistischen Hintergrund.
  • 2013 rammten zwei Attentäter in London einen britischen Soldaten in Zivil und ermordeten ihr verletzt am Boden liegendes Opfer mit Messern und einem Hackbeil.
  • 2014 kam es in Frankreich zu zwei Attacken mit Fahrzeugen. In Dijon verletzte ein Attentäter elf Menschen, als er in eine Gruppe von Fußgängern fuhr. Kurz darauf starb ein Mensch und neun wurden verletzt, als ein weiterer Attentäter in Nantes mit einem Kleinlaster in eine Menschengruppe auf einem Weihnachtsmarkt raste. Im selben Jahr überfuhr ein zum Islam konvertierter Kanadier zwei kanadische Soldaten, von denen einer starb und der zweite verletzt wurde.
  • Besonders häufig kam es in der Vergangenheit zu Angriffen mit Fahrzeugen in Israel. Dort starben 2008 drei Menschen, mehr als 70 wurden verletzt, als Terroristen mit zwei Radladern und einem Auto Anschläge verübten. 2009 rammte ein Attentäter ein Polizeiauto in Jerusalem und verletzte zwei Polizisten. 2014 kam es zu zwei weiteren Anschlägen mit einem Bagger und einem Auto, durch die drei Menschen getötet und zwölf verletzt wurden.

Töten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln

Experten warnen schon lange vor solchen Anschlägen. Insbesondere, nachdem die Arbeit der Sicherheitsbehörden es Gruppen wie al-Qaida schwer macht, große Anschläge vorzubereiten, setzen die Terroristen auch auf kleinere Attentate mit leicht zu beschaffenden Mitteln, die auch von Einzelnen - sogenannten Lone Wolves - geplant und begangen werden können.

So veröffentlichte das islamistische Webmagazin Inspire, das mutmaßlich vom Al-Qaida-Ableger in Jemen produziert wird, 2010 einen Text, in dem Terroristen in aller Welt aufgefordert wurden, Lastwagen als "Mähmaschinen" einzusetzen, um die Feinde Allahs "niederzumähen". Auch der sogenannte Islamische Staat rief 2014 seine Anhänger auf, "Ungläubige" mit allen Mitteln zu töten, die zur Verfügung stünden - seien es Messer oder eben Autos. Aus Sicht der Terroristen sind solche Anschläge besser als nichts. Denn Angst und Schrecken lassen sich auch auf diese Weise verbreiten.

Zwar fordern solche Anschläge eher weniger Opfer als etwa Bombenattentate. Dafür müssen die Menschen aber jederzeit mit einem solchen Angriff rechnen - denn es ist kein großes Problem, an ein Auto oder sogar einen Lkw zu kommen. Und erst wenn ein Fahrzeug tatsächlich auffällig schnell wird, auf Bürgersteige, in Fußgängerzonen oder andere abgesperrte Bereiche fährt, ist die Gefahr zu erkennen. Darüber hinaus hat etwa der Anschlag von Nizza gezeigt, dass solche Angriffe durchaus die Dimensionen eines großen Bombenanschlags haben können.

Die Sicherheitsbehörden können deshalb nicht viel mehr tun, als Bereiche, in denen sich größere Menschenmengen versammeln, abzusperren, zu überwachen und die Menschen selbst zu Wachsamkeit gegenüber auffälligen Fahrzeugen aufzurufen. Das US-Justizministerium hat in der Vergangenheit auch schon Mitarbeiter von Autoverleihern aufgerufen, auf verdächtiges Verhalten bei ihren Kunden zu achten. Dass mutmaßliche Gefährder überwacht werden müssen, versteht sich von selbst.

Eine absolute Sicherheit vor weiteren Anschlägen mit Fahrzeugen aber wird es nie geben.

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