Bericht von Amnesty International:Deutschlands prügelnde Polizisten

Kein gutes Zeugnis für Polizeieinsätze in Deutschland: Laut Amnesty International kommen immer wieder auch Unschuldige zu Schaden - und die Verantwortlichen werden nicht zur Verantwortung gezogen. AI fordert eine Kennzeichnungspflicht für Beamte.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hat Gewaltakte deutscher Polizisten im Dienst angeprangert und als Konsequenz eine Kennzeichnungspflicht für die Beamten gefordert. "In Deutschland bleiben Polizisten meistens anonym, vor allem wenn sie Helme tragen und in geschlossenen Einheiten agieren", sagte die Generalsekretärin der deutschen Amnesty-Sektion, Monika Lüke, in Berlin. Großbritannien, Schweden und Spanien hätten gute Erfahrungen mit der Kennzeichnungspflicht gemacht.

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Wenn deutsche Polizisten in Großeinsätzen für Recht und Ordnung sorgen, kommen nicht selten auch Unschuldige zu Schaden. Für die Opfer ist es laut einem Bericht von Amnesty International schwierig, Entschädigungen zu erhalten. Die Beamten, so der Vorwurf, bewegten sich in einem "Klima der Straflosigkeit", Ermittlungsverfahren innerhalb der Polizei seien "mangelhaft", so das Ergebnis des Berichts.

(Foto: ddp)

In dem nun vorgelegten AI-Bericht zu Gewalt durch Polizeibeamte im Dienst ist von einem "Klima der Straflosigkeit" die Rede, solange Polizisten nicht identifizierbar seien. Zu dem in dem Bericht dokumentierten Fällen gehört der eines 33-jährigen Bundestagsmitarbeiters, der im August 2005 in eine Diskotheken-Razzia in Berlin geraten und dabei mit einem Schlagstock auf den Kopf geschlagen worden sei. Während des Einsatzes, der sich offenbar gegen gewalttätige Fußballfans richtete, wurden demzufolge mehrere Personen zum Teil schwer verletzt. Ein Mann erlitt demnach einen doppelten Nasenbeinbruch, ein Mann kollabierte nach einem Tritt in den Bauch. 37 Menschen erstatteten laut Amnesty Anzeige gegen die Polizisten. Die Ermittlungen seien jedoch eingestellt worden, da die Beamten mangels Kennzeichnung nicht identifizierbar gewesen seien.

Ein weiterer Fall ist der eines Asylbewerbers aus Tschetschenien, der seine Erfahrungen vom Februar 2005 schildert. Der Mann wurde wegen eines vermeintlichen Diebstahls nahe Chemnitz von der Polizei aufgegriffen. Nach seiner Schilderung brachen ihm die Polizisten mehrere Rippen. Sie verweigerten ihm den Angaben zufolge dann eine ärztliche Behandlung und entließen ihn nach einigen Stunden im Umfeld des Asylbewerberheims, so dass der Mann trotz seiner Verletzungen ohne Hilfe dorthin zurückgehen musste. Eine Ärztin in dem Heim rief dann den Notarzt, im Krankenhaus sei der Mann sieben Tage stationär behandelt worden. Der Mann erstattete laut Amnesty aus Angst vor den Polizisten keine Anzeige. Er habe jedoch wenig später einen Bescheid vom Freistaat Sachsen erhalten, wonach er den Beamten rund 250 Euro Schmerzensgeld hätte zahlen sollen - für Verletzungen, die er ihnen zugefügt haben soll, als er Widerstand gegen die Festnahme geleistet habe.

Die Tatsache, dass die Fälle bereits mehrere Jahre zurückliegen, begründete Amnesty mit den langwierigen Recherchen für den Bericht. Es gehe nicht um eine aktuelle Dokumentation, sondern um eine grundsätzliche Darstellung, sagte Lüke. Die Organisation kritisierte eine "mangelhafte Aufklärung der gegen die Polizei erhobenen Vorwürfe". In dem bestehenden System, in welchem die Polizei unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft die Ermittlungen führt, sei keine unparteiische, umfassende Untersuchung gewährleistet. Ermittlungsverfahren seien "mangelhaft" und würden häufig erst aufgenommen, nachdem mutmaßliche Opfer Beschwerden oder Klageerzwingungsverfahren eingeleitet hätten.

Neben der Kennzeichnungspflicht empfahl Amnesty unter anderem den Aufbau und die Ausweitung von Video- und Audioüberwachung in Polizeiwachen, sofern diese nicht in Persönlichkeitsrechte eingreife. Außerdem schlug Amnesty die Einrichtung unabhängiger Untersuchungsmechanismen vor, um Vorwürfe schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen gegen die Polizei zu überprüfen. Die Länder sollten dafür spezialisierte Dezernate einrichten.

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