Birma: Suu Kyi verhaftet:Rätselhafter Besuch mit Folgen

Der birmanischen Oppositionellen Aung San Suu Kyi droht eine jahrelange Gefängnisstrafe - der angebliche Grund dafür ist ein mysteriöser Gast.

Oliver Meiler

Sie haben sie am frühen Morgen abgeholt, ohne Ankündigung, und doch war es keine Überraschung mehr. Als die birmanische Polizei am Donnerstag bei Aung San Suu Kyi anklopfte, unten im "Haus am See", wiesen die Beamten die zierliche und gesundheitlich angeschlagene Dame an, sie möge ihre Tasche generös packen. Für mehrere Tage, vielleicht auch für mehrere Jahre.

Birma: Suu Kyi verhaftet: Der birmanischen Oppositionellen und Friedensnobelpreisträger Aung San Suu Kyi droht eine lange Gefängnisstrafe

Der birmanischen Oppositionellen und Friedensnobelpreisträger Aung San Suu Kyi droht eine lange Gefängnisstrafe

(Foto: Foto: AFP)

Die Friedensnobelpreisträgerin und legendäre Widersacherin von Birmas Militärjunta, die seit vielen Jahren unter Hausarrest steht, wurde sodann ins Insein-Gefängnis von Rangun gebracht. Eine berüchtigte Anstalt für politische Häftlinge, ein Ort der Folter.

Dort soll ihr am kommenden Montag unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Prozess gemacht werden. Der 63-jährigen "Daw" oder "Lady", wie man sie in Birma nennt, wird vorgeworfen, sie habe gegen die Verordnung verstoßen, die ihren Hausarrest regelt.

Aung San Suu Kyi hat vor eineinhalb Wochen einen rätselhaften Besuch erhalten von einem Amerikaner, von dem die staatliche birmanische Zeitung New Light of Myanmar schreibt, er heiße John William Yettaw. Diesen Namen hatten die Birmanen bis dahin noch nie gehört. Viel ist unklar und rätselhaft. Nun könnte aber Yettaws Besuch bei der "Lady" den Gang der birmanischen Geschichte maßgeblich beeinflussen.

Es heißt, John Yettaw sei ein Veteran aus dem Vietnam-Krieg, 53 Jahre alt, fülliger Körper, Mormone, Vater von sieben Kindern, wohnhaft in Falcon, US-Bundesstaat Missouri. Mehr ist bis heute weder über seine Person noch über seine Motive bekannt. Gewiss ist nur, dass Yettaw am 2. Mai mit einem Touristenvisum in Birma eingereist war. Auf direktem Weg soll er zum Inyan-See in Rangun gefahren sein.

Diesen Informationen zufolge stieg er ins Wasser, überquerte den See, stieg nach zwei Kilometern wieder aus dem Wasser und betrat das Grundstück von Aung San Suu Kyi' s weißer, etwas angeschimmelter Villa. Keine Patrouille, kein Wachtposten soll ihn gesehen haben. Zwei Tage verbrachte er demnach im Haus, schwamm dann zurück und wurde verhaftet.

Das Regime behauptet nun, Aung San Suu Kyi habe Yettaw in ihr Haus geladen und beherbergt, obschon sie laut Haftbedingungen nur ihre zwei Haushälterinnen und den (mittlerweile ebenfalls verhafteten) Familienarzt ins Haus lassen dürfte. Außerdem ist in Birma jeder Bürger gehalten, Gäste, die über Nacht bleiben und nicht zur Familie gehören, bei den Behörden zu melden.

Suu Kyi drohen bis zu sieben Jahre Haft

Sollte Suu Kyi verurteilt werden, drohen ihr zwischen drei und sieben Jahre Haft. Diese neuerliche Verhaftung und die dazugehörige Schmutzkampagne gegen die Oppositions-Ikone scheint perfekt geplant zu sein. In zwei Wochen hätte der Hausarrest der "Lady" enden sollen. Die Junta hatte ihn vor einem Jahr für ein weiteres Jahr verlängert mit der alten Begründung, die Oppositionelle, die durch ihren gewaltlosen Widerstand und ihre Leidensbereitschaft Anerkennung in der ganzen Welt genießt, gefährde die Stabilität der Nation

Schon jene Verlängerung verstieß gegen das Gesetz. Doch kümmerte das die Junta nicht. Nun glaubt sie, einen triftigen Grund gefunden zu haben, einen strafrechtlich relevanten, um Suu Kyi in Haft zu behalten und womöglich gar aus ihrem Haus am See ins Insein-Gefängnis verlegen zu können.

"Ein Verrückter und Einbrecher"

In den regierungsnahen Medien heißt es, John Yettaw sei ein Spion, der mit Suu Kyi den Umsturz des Regimes plane. In den Onlinezeitungen der oppositionellen Exilbirmanen dagegen glaubt man vielmehr, die Generäle hätten die ganze Geschichte inszeniert. Sie fragen auch, wie es sonst möglich sei, dass jemand unbemerkt ins Haus der "Lady" vordringen könne.

Und für den Anwalt von Suu Kyi ist Yettaw einfach "ein Verrückter" und ein Einbrecher. Seine Mandantin treffe keine Schuld, sagte er. Sie habe versucht, den Eindringling aus dem Haus zu werfen, der aber habe beteuert, er sei krank: "Wir sind alle sehr verärgert über diesen Amerikaner. Er ist der Grund für alle Probleme."

Die Aussichten der Verteidigung sehen nicht gut aus. Nichts und niemand vermag, Birmas hartes Militärregime aufzuweichen: keine Protestbewegung, kein Jahrhundertwirbelsturm, keine Wirtschaftssanktionen, keine diplomatischen Avancen, schon gar nicht der Anwalt der "Lady".

Regieren mit eiserner Hand

In den vergangenen zwei Jahren wurde die Junta um Senior General Than Shwe, der das Land seit 1992 mit eiserner Hand führt und abschottet, gleich mehrmals herausgefordert. Im Herbst 2007 stemmten sich buddhistische Mönche im Gespann mit Demokraten gegen seine Junta, nachdem er den Benzinpreis über Nacht verdreifacht hatte. Than Shwe ließ den Protest mit Gewalt niederschlagen.

Er trotzt den Hilfsangeboten

Im Frühling 2008 zog Nargis, der mächtigste Zyklon in der Geschichte des Landes, eine Schneise der Verwüstung und des Todes durch Birma. Than Shwe trotzte den Hilfeangeboten aus dem Westen, hinter denen er politische Motive vermutete, und setzte das Leben vieler Zehntausender seiner Landsleute aufs Spiel.Die Wirtschaftssanktionen der USA und der EU treffen das Regime deshalb nur schwach, weil dafür China, Indien und einige südostasiatischen Nachbarn umso intensiver Geschäfte mit den Birmanen machen. Es geht um die Schätze des Landes, Öl, Gas, Edelsteine und Teakholz.

Trotz dieser scheinbar unerschütterlichen Dominanz versucht die Junta, sich ein liberaleres Gesicht zu geben. 2010 sollen in Birma nach langer Zeit wieder Parlamentswahlen stattfinden. Überraschungen dürfte es keine geben. Ein Teil der Abgeordneten wird vom Militär bestimmt. Und von jenen Oppositionellen, die es im Vorfeld wagten, Kritik zu üben an der Junta und deren "Demokratisierungsprozess", sind in den vergangenen Monaten Hunderte verhaftet und zu Haftstrafen von 25 bis 64 Jahren verurteilt worden.

Ein 20-jähriger Student und Gewerkschaftsmitglied musste im Januar für 104 Jahre ins Gefängnis. Das Regime nennt diese politischen Häftlinge nicht Oppositionelle, sondern Kriminelle, die der Arm der Justiz gefasst habe. Ähnliches dürften sie bald auch von Aung San Suu Kyi sagen.

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