Dreikönigstreffen der FDP: Reaktionen:"Absurder Auftritt"

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Die Erwartungen an Guido Westerwelles Rede am Dreikönigstag waren gewaltig. Nach dem Parteitreffen demonstriert die FDP Geschlossenheit und lobt den Chef - die Kritik der meisten Zeitungskommentatoren ist jedoch vernichtend.

von Marlene Weiss

Nicht weniger als die "Rede seines Lebens" war vor dem Dreikönigstreffen der FDP vom Parteivorsitzenden Guido Westerwelle erwartet worden. Nach dessen Ansprache fallen die Reaktionen aus der um geschlossenes Auftreten bemühten Partei zwar positiv aus - die meisten Zeitungskommentatoren haben jedoch Einiges auszusetzen.

Besonders vernichtend fällt die Kritik des Berliner Tagesspiegels aus. Westerwelle habe sich selbst zitiert und alte Einsichten als neue Aussichten verkauft. "Er kann nicht anders. (...) Das war, das ist Guido Westerwelle. Immer und immer wieder, ob im Bundestag, im Bierzelt oder im Staatstheater." Die Gelegenheit, den Liberalismus zu rechtfertigen oder angesichts neuer Herausforderungen neu zu definieren, habe Westerwelle verpasst: "Programmatische Leere wird durch ihn nicht gefüllt. Neuland beschreitet er nicht." Historisch ironisch sei, dass ausgerechnet Westerwelles Haltung jetzt der "politphänomenologischen" von Altbundeskanzler Helmut Kohl ähnele - ständig Wahlkampf, keine Selbstkritik. "Vielleicht denkt man so, wenn man zu lange Parteivorsitzender war."

Ähnlich urteilt das Handelsblatt. "Guido Westerwelle hat gestern im Stuttgarter Staatstheater eine besonders merkwürdige Rolle gespielt, nämlich die des Vogel Strauß", schreibt die Wirtschaftszeitung. "Er nimmt kaum noch Rat an und glaubt, seinen fragilen Führungsanspruch mit einer Rede aufrechterhalten zu können, die nur kämpferisch klingt, im Kern aber aus den klassischen Versatzstücken seiner Parteitagsrhetorik zusammengebaut ist." Westerwelle habe nicht gezeigt, dass er den Ernst der Lage verstanden habe: "Er ließ die Gelegenheit ungenutzt verstreichen - und bleibt damit ein Vorsitzender auf Abruf."

Die taz entwickelt zwar "fast Mitleid" mit der FDP, geht dann aber doch erbarmungslos mit deren Parteivorsitzenden ins Gericht: "Guido Westerwelles Durchhalterede hat in ihrer Hermetik etwas Gespenstisches, Endzeithaftes. (...) Die Erfolgsbilanz, die Westerwelle in Stuttgart dröhnend selbstbewusst wie immer präsentierte, ist gefälscht." Viel Perspektive sieht die taz weder für die Partei noch deren Chef: "Wenn die FDP in Baden-Württemberg es Ende März nicht in den Landtag schafft, werden die müden Rebellen in der FDP ihn als Chef der Liberalen wohl stürzen müssen. Auch das wird eher ein trauriger Putsch ohne Ziel. Denn ein brauchbarer Nachfolger oder gar jemand, der eine sinnstiftende Idee für die Liberalen verkörpern könnte, ist nicht in Sicht."

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Zwar lobt die Financial Times Deutschland, dass Westerwelles Rede kämpferisch und engagiert vorgetragen gewesen sei. Allerdings: "Das ist das einzig Positive, das sich über den Auftritt des FDP-Vorsitzenden beim Dreikönigstreffen sagen lässt. Denn ansonsten war er schlicht absurd. (...) Er deklarierte alles zu Erfolgen der FDP: das Wirtschaftswachstum, die sinkende Arbeitslosigkeit, ja selbst das - von Rot-Grün eingeführte - Schonvermögen für Arbeitslose. Und so oft, wie er über Grüne und Linke sprach, konnte man meinen, man sei auf dem falschen Termin."

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Deutlich milder urteilt die Welt über Guido Westerwelle, dem die Partei "neben Niederlagen und ein paar Peinlichkeiten auch hart und konsequent erkämpfte Erfolge zu verdanken hat." Zwar sei unangenehm aufgefallen, "dass die beiden Hauptredner allzu selbstverständlich für einen allzu großen Anteil an Deutschlands gegenwärtiger Hans-im-Glück-Lage liberale Urheberschaft reklamierten." Dadurch, dass neben der Fokussierung auf Fehler der anderen der eigene Abschwung nicht zur Sprache kam, habe die FDP ihrer vorhandenen Schwäche eine weitere hinzugefügt. Und dennoch: "Stuttgart hat gezeigt, dass es die FDP noch immer recht gut versteht, sich von sich selbst zu überzeugen. Das ist durchaus nötig in einem Land, in dem die Freiheit gewöhnlich nicht in der ersten Reihe sitzt."

Die Frankfurter Rundschau verweist darauf, dass sich die Frage nach Westerwelles Zukunft ohnehin erst nach den anstehenden Landtagswahlen stelle: "Westerwelle ist noch Parteichef, weil seine Partei sich schon vor Dreikönig entschieden hat, ihn in diesem Amt zu belassen. Die FDP hat abgewägt und befunden, dass sie derzeit keinen Anderen (geschweige denn Besseren) hat, der sie durch die ersten drei Monate dieses Wahljahres tragen kann. Danach ist alles offen."

Ähnlich sieht die FAZ die Dinge. Die Erwartungen an Westerwelles Rede hätten sich durch schlechte Umfragewerte und Rücktrittsforderungen hochgeschaukelt. "Dabei hätte klar sein müssen, dass kein noch so brillanter rhetorischer Auftritt einen Vorsitzenden retten kann, sondern nur ausreichende Wahlergebnisse im Jahr 2011 dies vermögen." Angesichts der Ausgangslage sei Westerwelles Rede sogar ordentlich gewesen: "Er hütete sich vor der Falle, mit Übertreibungen und grobschlächtiger Polemik punkten zu wollen; der notwendigen Parteiaufmunterungsrhetorik war eine kräftige Dosis Außenminister und Staatsmann beigemischt; gegenüber einigen Störern zeigte er seine Begabung als Debattenredner, der schlagfertig auf Zwischenrufe reagieren kann. Im Großen und Ganzen war die Balance gelungen."

Geradezu enthusiastisch kommentierte die Neue Zürcher Zeitung Westerwelles Rede. "Ein kämpferischer, rhetorisch wie immer brillanter Guido Westerwelle hat am Donnerstag am Stuttgarter Dreikönigstreffen der FDP klargemacht, dass er trotz deplorablen Umfragewerten und einer wahren Sturzflut von Kritik nicht ans Aufgeben denkt. (...) Hier erlebte man keine Show, sondern einen Mann, der bereit ist, für seine Ideen zu kämpfen, auch wenn ihm das ganze Land immer wieder erklärt, er irre."

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