Islam-Begräbnis:Bayern sucht Gräber für die Attentäter

Anschlag in Ansbach

Blumen liegen in der Nähe des Anschlagsorts in Ansbach.

(Foto: dpa)
  • Wo sollen die Attentäter von Ansbach und Würzburg beerdigt werden?
  • Noch sind die Leichen der beiden Männer nicht freigegeben, aber die bayerischen Behörden beschäftigen sich schon mit dieser schwierigen Frage.

Von Deniz Aykanat

"Hainler Mezarliği" steht auf einem großen Schild. Dahinter erstreckt sich ein kleines Fleckchen Erde, eine niedrige Mauer darum, darin Geröll und Brocken wie in einem Steinbruch. "Hainler Mazarliği" bedeutet "Friedhof der Verräter" auf Türkisch. Das Bild stammt nicht aus einem Geschichtsbuch, es ist nicht Teil eines Historienfilms, der im Mittelalter spielt. Es zeigt einen Friedhof in Pendik, einem Stadtteil Istanbuls, im Sommer 2016.

Wenn es nach Kadir Topbaş geht, dem Bürgermeister von Istanbul, sollten hier diejenigen begraben werden, die in der Nacht zum 16. Juli versucht hatten, die türkische Regierung zu stürzen. Mehrere Gräber sind bereits ausgehoben, ein mutmaßlicher Putschist wurde bereits beerdigt, nur ein aufgeschütteter Hügel deutet darauf hin. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte nach dem Putschversuch den Imamen des Landes unmissverständlich klargemacht, dass sie keine muslimischen Begräbnisse für Putschisten ausrichten sollten.

Juli 2016, Saint-Étienne-du-Rouvray, ein Städtchen in der Normandie. Zwei Männer töteten mit einem Messer einen 85-jährigen Priester in einer Kirche während der Messe. Die örtliche muslimische Gemeinde weigert sich, die beiden 19-jährigen Attentäter zu bestatten. Weder der Imam noch der Vorsitzende des Rates der Muslime der Normandie wollen an der Beerdigung teilnehmen.

Mai 2013, im US-Bundesstaat Virginia. Tamerlan Zarnajew, der mit seinem Bruder einen tödlichen Anschlag auf den Boston-Marathon verübte, wird in einer kleinen Gemeinde auf einem muslimischen Friedhof bestattet. Fast einen Monat hatten Polizei und Angehörige nach einem Friedhof gesucht, der sich bereit erklärte, ein Grab zu stellen.

Wie soll eine Gesellschaft umgehen mit diesen Toten, die großes Leid über sie gebracht haben?

Noch sind die Leichen der Männer von Ansbach und Würzburg nicht freigegeben

Auch in Bayern stellt sich diese Frage nun. Noch sind die Leichen der Attentäter von Ansbach und Würzburg von den Ermittlern nicht freigegeben worden. Doch es zeigt sich bereits, dass die Beerdigung der beiden jungen Männer Behörden und Gesellschaft auch hierzulande vor Probleme stellen werden. Das Landratsamt Würzburg etwa ist noch dabei zu klären, was mit der Leiche des Flüchtlings geschehen soll, der in einem Zug mehrere Menschen mit einer Axt schwer verletzte und anschließend von der Polizei erschossen wurde. "Vermutlich ist in solchen Fällen zunächst einmal die Wohnortgemeinde zuständig. Aber wir müssen noch klären, ob das auch der Fall ist, wenn der Tote Muslim ist", sagte eine Sprecherin des Landratsamtes.

Was aber, wenn sich die islamischen Gemeinden wie in Frankreich und den USA weigern, einen Selbstmordattentäter zu beerdigen? "Grundsätzlich sollte ein Muslim auch muslimisch beerdigt werden", sagt Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland. "Es gibt aber aus theologischer Sicht keine Verpflichtung, dass ein Imam und die Gemeinde an einer Bestattung teilnehmen." Die Rituale seien einfach, Angehörige der Attentäter könnten diese auch selbst ausführen. Bleibt die Frage, welche Gemeinde sich überhaupt bereit erklärt, eine Grabstelle zur Verfügung zu stellen.

Reaktionen wie in Frankreich und den USA kann Mazyek verstehen: "Die Gemeinden halten eher Abstand, weil sie eine Abscheu gegenüber den Taten empfinden. Aber: Die Würde des Menschen ist unantastbar, egal was sie gemacht haben. Ein Mensch hat ein Recht auf ein Begräbnis." Eine Bestattung habe nicht die Funktion, die Strafe Gottes vorwegzunehmen. "Mit dem Begräbnis übergeben wir den Toten dem hohen Richter."

Jede Gemeinde müsse dies individuell entscheiden. Dies sei so auch den bayerischen Gemeinden mitgeteilt worden. Man könne es beispielsweise auch den Angehörigen der Opfer nicht zumuten, dass der Attentäter in deren Nähe begraben sei.

"Die, die ihr Volk verraten, finden auch im Grab keine Ruhe", hatte Istanbuls Bürgermeister den "Friedhof der Verräter" noch vor wenigen Tagen gerechtfertigt. Die Stadtverwaltung von Istanbul hat das Schild vor dem Geröllfeld mittlerweile abhängen lassen. Die türkische Religionsbehörde empfahl dies aus Rücksicht auf die Familien der Toten, nachdem auch Theologen die Grabstätte kritisiert hatten.

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