Kanzleramtschef Pofalla:Koordinator des Chaos

Derzeit ist es wahrlich kein Vergnügen, sich Kanzleramtsminister nennen zu müssen. Zwar trägt Ronald Pofalla auch zum Durcheinander in der Koalition bei, die alleinige Schuld daran hat er aber nicht.

Stefan Braun, Berlin

Nein, heißt es. Er könne nicht. Man habe alles versucht, aber bedauerlicherweise keine Lücke gefunden. Nicht zum Kaffee, nicht zum Telefonieren. Es sei halt unglaublich vieles zu erledigen in diesen Tagen. Deswegen könne es mit Ronald Pofalla - leider, leider - kein Treffen und auch kein Gespräch mehr geben. Heißt es aus dem Kanzleramt.

Karikatur Ronald Pofalla

Er lächelt, doch es ist derzeit kein Vergnügen, sich Kanzleramtsminister nennen zu müssen: Ronald Pofalla sieht sich auch von Politikern aus dem eigenen Lager für das miserable Ansehen der Bundesregierung verantwortlich gemacht.

(Foto: SZ-Zeichnung: Oliver Schopf)

Irgendwie kann man das fast glauben. Derart viele Baustellen hat es in einer Koalition lange nicht mehr gegeben. Dass der Chef des Kanzleramts da besonders gefragt ist, dass er fast im Minutentakt von Termin zu Termin, von Thema zu Thema hechelt, steht außer Frage. Andauernd bedroht neuer Zwist das Klima im schwarz-gelben Bündnis.

Auch sonst ist es derzeit kein Vergnügen, sich Kanzleramtsminister nennen zu müssen. In den vergangenen vier Wochen ist derart viel holprig bis schlecht, sogar miserabel gelaufen, dass dieser Ronald Pofalla kaum anders kann, als schlecht auszusehen. So gesehen ist es ziemlich wahrscheinlich, dass Gespräche ihm derzeit ohnehin keinerlei Spaß machen.

Seit fast acht Monaten leitet der CDU-Politiker die Regierungszentrale. Und es ist keine Übertreibung, wenn man feststellt, dass es stürmische Monate waren. Erst ist in der Koalition fast jeder auf jeden losgegangen. Und seither muss er jene giftigen Wertungen ertragen, mit denen die Medien die Koalition in der Krise fast unisono bedacht haben. Immer mehr richtet sich der Blick auf Ronald Pofalla, und das auch, weil die Zahl derer in der Koalition ansteigt, die hinter ihm manchen aggressiven Bericht über die Koalitionspartner vermuten.

Minister wie Ministerpräsidenten, aber auch Mitglieder aus Fraktion und Parteiführung zeigen hinter den Kulissen immer häufiger auf ihn, wenn etwas schiefgeht - oder wenn kritische Geschichten über diesen oder jenen erscheinen. Spätestens seit Bild jüngst spekulierte, er könnte derjenige gewesen sein, der den bei Bild besonders beliebten Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg während der jüngsten Kabinettsklausur "Rumpelstilzchen" genannt hat, wird Pofalla als einer beschrieben, der angeblich immer wieder Giftpfeile gegen Minister oder Landeschefs abschieße. Die Intriganten in der Koalition geißeln ihn jetzt als Intriganten - was zuallererst viel über die Koalition aussagt.

Es gibt aber auch sachlichere Kritik an dem 51-jährigen CDU-Politiker. Sogar Minister der eigenen Partei räumen unumwunden ein, dass die Vorbereitung der letzten Projekte nicht sonderlich gut war. "Auf der Kabinettsklausur hätte es niemals solche Streitereien geben dürfen", ärgert sich einer. Und ein Kollege, ebenfalls Kabinettsmitglied, fragt ergänzend: "Warum haben wir dem Sparpaket nicht eine ganz große Begründung, eine große Überschrift gegeben?"

Ist er der Richtige in der Regierungszentrale?

Dann nämlich, so spekuliert dieser weiter, hätte sich kaum ein Minister getraut, kleinkrämerisch zu argumentieren. So aber habe es genau das mehrfach gegeben, bei Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) zum Beispiel, oder auch bei Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP). Der, so wird berichtet, habe zunächst keinen einzigen Cent in seinem Haushalt einsparen wollen. Gerade deshalb hätte man das alles bereits vor der großen Zusammenkunft regeln müssen.

Ronald Pofalla

Ronald Pofalla, der Chef des Kanzleramts, muss sich derzeit um äußerst viele Baustellen in der Koalition kümmern.

(Foto: ag.ap)

Diese Kritik wirkt besonders giftig, wenn man weiß, dass es im engsten Kreis Mahner gab, die ebendiese Überschrift, diesen Überbau "für das größte Sparpaket seit Jahrzehnten" (so Kanzlerin Angela Merkel) dringend erbeten, ja eingefordert haben. Noch mehr Kopfschütteln bei den eigenen Leuten hat allerdings das Debakel der Kanzlerin auf ihrem Bildungsgipfel ausgelöst. Dass sich Ende der vergangenen Woche alle sechzehn Ministerpräsidenten der Länder, also Schwarze wie Rote, gegen den Wunsch Merkels aussprachen, stabile Beschlüsse zu fassen, lasten viele Pofalla direkt an. "Dieses Desaster", schimpft einer aus dem CDU-Vorstand, "hätte der Kanzleramtschef vermeiden müssen - und sei es, indem er den Gipfel absagt, um Zeit zu gewinnen."

Angesichts dieser Unfälle, die an politische Katastrophen grenzen, stellt sich mancher in der Koalition die Frage, ob Pofalla der Richtige ist in der Regierungszentrale. Tatsächlich ist mit Pofalla ein Kulturwechsel ins Kanzleramt eingezogen. Ein Minister, der den Vorgänger Thomas de Maizière ebenso erlebt hat wie jetzt Pofalla, trifft eine klare Unterscheidung. "De Maizière benahm sich wie ein oberster Staatsbeamter. Für ihn war die Lösung fürs Land im Mittelpunkt, nicht das Parteiinteresse." Pofalla dagegen sei "politischer", womit meistens "parteipolitischer" gemeint sei.

Damit beseitigt der frühere CDU-Generalsekretär zwar einen Mangel, den mancher in der CDU bei de Maizière beklagt hat. Aber er ist für andere in der Koalition eine fortwährende Provokation, weil sie hinter seinen Handlungen - nicht immer zu unrecht - Parteimotive vermuten. Nicht wenige in CSU wie FDP haben sich noch im Wahlkampf herzhaft mit ihm gestritten. "De Maizière ist ein Diener der Sache", sagt ein anderer Minister, "Pofalla bleibt Parteistratege." Und er ist, so erzählt es einer aus der Parteispitze, seit zwanzig, dreißig Jahren immer im gleichen politischen Teich mit all den anderen aufstrebenden Christdemokraten geschwommen. Deshalb gebe es bei ihm deutlich mehr Freundschaften in der Partei, aber eben auch "manche echte Feindschaft".

Trotz all dessen wäre es falsch, ihm allein die Schuld an den Problemen der Koalition zu geben. Wenn man einen fragt, der lange in einer Regierungszentrale gearbeitet hat, dann erfährt man schnell, dass ein Kanzleramtsminister nicht mehr Herr ist über seine Zeit und sein Leben. "24 Stunden am Tag kann ein Feuer ausbrechen, da gibt es keine Flucht und fast kein Privatleben", sagt einer, der es bei de Maizière erlebt hat. Hinzu komme in dieser Koalition, so analysiert er, etwas zweites: Mit Verteidigungsminister zu Guttenberg und Umweltminister Norbert Röttgen gebe es mindestens zwei Fachminister, die dem "Kompromissminister Pofalla" das Leben durch Alleingänge zur Hölle machten. "Die zwei zielen aus ihrer Rolle auf maximale Profilierung, ohne jede Rücksicht. Pofalla dagegen muss eigentlich fortwährend und mit jedem Kompromisse schließen. Und das ist zurzeit fast unmöglich."

Deshalb sind sich an einer Stelle immerhin alle in der Koalition einig: Mit Pofalla möchte derzeit niemand tauschen.

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