Kürzungen der Koalition:Unions-Granden kritisieren Merkels Spar-Hammer

NRW-Arbeitsminister Laumann vermisst soziale Balance, Saarlands Ministerpräsident Müller fordert Steuererhöhungen, Sozialpolitiker Bäumler schimpft auf die FDP.

Nicht nur Gewerkschaften und Opposition machen Front gegen die Beschlüsse der Haushaltsklausur der Bundesregierung - auch die Arbeitnehmervertreter und Sozialpolitiker der Union kritisieren das Sparpaket. Der nordrhein-westfälische Arbeits- und Sozialminister und Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, sagt der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: "Wenn man die höheren Einkommen einbezogen hätte, dann wäre das Gesamtpaket sozial noch runder geworden. Damit wäre die soziale Balance deutlicher geworden."

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Die soziale Balance des Sparpaketes hätte deutlicher ausfallen können, findet NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann.

(Foto: ag.ddp)

Bedenken äußert der Sozialpolitiker bezüglich des Wegfalls der Zuschläge beim Übergang von der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I zur Grundsicherung. Das sei ein "heikles Thema, weil wir wieder diejenigen treffen, die lange geleistet haben", sagte Laumann. Man müsse auch noch mal sehr genau hinterfragen, ob diese Kürzung nicht bei den Kommunen die Kosten für Unterkunft und Wohngeld erhöhten. "Das würde ja wenig Sinn machen", sagte der CDA-Chef. Gerade der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hatte sich für die Verlängerung des Arbeitslosengelds bei Älteren starkgemacht - und dies gegen Widerstand auch durchgesetzt.

Peter Müller fordert Steuererhöhungen

Zudem befürchtet Laumann, die Sparvorhaben der Bundesregierung könnten zu Lasten der Länder gehen. "Als Länder werden wir bei der Umsetzung des Sparpakets sehr genau darauf achten, dass hier nicht ein gigantischer Verschiebebahnhof stattfindet und zwar zu Ungunsten der Rentenversicherung und zu Ungunsten der Länder und Kommunen", sagt Laumann der Rheinischen Post .

Ähnliches äußerte der Bundesvize der CDU-Sozialauschüsse, Christian Bäumler. Die Abschaffung des Rentenbeitrags für Hartz-IV-Empfänger und des Rechtsanspruchs behinderter Arbeitsloser auf eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sei nicht akzeptabel, findet Bäumler. "Da werden diejenigen getroffen, die keine Lobby haben und sich am wenigsten wehren können." Bäumler beklagte, dass die Bundesregierung Vermögende und die Finanzbranche schone. Schuld daran sei die FDP.

Ärger über die Liberalen

Wut auf den Koalitionspartner hat auch der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Weiß. Im Südwestrundfunk bemängelte er dass bisher "kein einziger FDP-Bundesminister" Sparbeiträge leisten müsse. Vielmehr werde Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) mit zwei Milliarden Euro bedacht. Er bezeichnet das Sparpaket als "sozial unausgewogen". "Man hätte mehr tun können, um auch die Gutverdienenden in die Pflicht zu nehmen", sagt Weiß dem Kölner Stadt-Anzeiger.

Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) verweist darauf, dass man dem Gesichtspunkt der Belastungsgerechtigkeit Rechnung tragen müsse. Müller erneuert im Saarländischen Rundfunk seine Forderung nach Steuererhöhungen: "Ich glaube, dass wir auch über den Spitzensteuersatz noch einmal reden müssen. Hier besteht weiter Diskussionsbedarf."

Die FDP habe in dieser Frage zwar eine sehr grundsätzliche Position, doch auch sie werde die Frage beantworten müssen, ob man in gleicher Weise Opfer von allen verlange. Für ihn gelte der Grundsatz "starke Schultern müssen mehr tragen als schwache Schultern", sagt der CDU-Politiker.

Nahles kündigt "massiven Widerstand" an

Diese Sätze dürften der Opposition gefallen: Das Sparpaket sei "extrem feige, weil die Verursacher dieser Krise geschont und Bedürftige rasiert werden", erklärt die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Montagabend im SWR-Fernsehen. Sie kündigt massiven Widerstand ihrer Partei gegen die Sparpläne der Bundesregierung an. Die Pläne der Koalition seien "einfallslos und unsozial". Ihre Partei werde "diese massiven Einschnitte in der aktiven Arbeitsmarktpolitik nicht hinnehmen".

Nahles kritisiert auch die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei den Beratungen über das Sparpaket: "Ich finde, die FDP setzt sich hier durch. Das ist klar. Die Handschrift ist die von Guido Westerwelle, aber die Kanzlerin heißt Angela Merkel und die hat die Richtlinienkompetenz." Die SPD-Generalsekretärin fordert die Einführung einer Vermögens- und einer Finanztransaktionssteuer.

CDU-Generalsekretär: Gabriels Politikstil "ist unterste Schublade"

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel formulierte seine Kritik an der Kanzlerin salopper: "Mutti hat in der Waschmaschine den Schongang für Vermögende und für die Klientel der FDP eingelegt, den Schleudergang dagegen für Arbeitslose, Familien und für Kommunen." Das sei unausgegoren und armselig. CDU-Generalsektretär Hermann Grohe kritisierte Gabriels Wortwahl scharf. "Gabriels Politikstil ist unterste Schublade. Es ist eine Schande, dass der Vorsitzende der SPD derart unqualifiziert rumholzt."

Laut DGB führen die Einsparungen in der Arbeitsmarktpolitik dazu, dass die Arbeitslosigkeit steigt. "Langzeitarbeitslose werden in unglaublicher Weise mehrfach belastet", sagt der Vorsitzende Michael Sommer. Besserverdienende würden durch das Sparpaket geschont.

Der Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn hingegen findet die Einschnitte sozial gerecht: "Es ist nach meinem Eindruck ausgewogen", meint der Chef des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Zudem werde die Konjunktur durch das Sparpaket kaum beeinträchtigt: "Wir sind heute in einem starken Konjunkturaufschwung, in dem man Konsolidierung am ehesten verkraften kann."

Der Finanzminister sieht ebenfalls keine Alternative zum Beschluss des Kabinettes: "Wir mussten das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt zurückführen. Die Schuldenbremse des Grundgesetzes gilt, das haben wir immer gesagt." Alle Meinungsumfragen zeigten, dass die größte Sorge der Menschen die Zukunft der Sozialsysteme und die Stabilität der Währung seien, sagte Wolfgang Schäuble. "Wir haben insgesamt ein maßvolles, ausgewogenes, aber eben auch nachhaltiges Paket beschlossen." Der Minister sagte weiter, wenn man konkret spare, würden das die Betroffenen natürlich kritisieren. "Die Opposition hat bezweifelt, dass wir das schaffen werden, und nun sind sie natürlich ein bisschen enttäuscht, weil ihre großen Sprüche sich als falsch herausgestellt haben."

FDP-Chef und Vize-Kanzler Guido Westerwelle erwartet noch heftige parlamentarische Auseinandersetzungen bis zur Umsetzung des Sparpakets der Bundesregierung. "Da wird es noch viele Diskussionsbeiträge geben, selbstverständlich auch aus den Reihen des Parlaments, wie es zu einer Demokratie gehört", sagte Westerwelle am Dienstag in Berlin.

Der Außenminister wies den Vorwurf der sozialen Kälte zurück. "Das ist ein Programm, das die Wirtschaft genauso in die Verantwortung nimmt wie den Sozialstaat", sagte Westerwelle. "Nichts ist unsozialer, als die Staatsfinanzen vor die Wand zu fahren. Darunter würden zuerst die Schwächsten in einem Land leiden", betonte er. "Wir müssen jetzt das Richtige tun, wenn wir nicht wollen, dass Deutschland das Schicksal erleidet, das andere europäische Länder derzeit durchmachen."

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