Tunesien:Präsident Ben Ali tritt zurück - und flüchtet

Nach tagelangen blutigen Unruhen hat der autoritäre tunesische Präsident Ben Ali sein Amt aufgegeben und das Land verlassen. Zuvor hatte er die Regierung aufgelöst und den Ausnahmezustand ausgerufen. Das Militär hat den Flughafen der Hauptstadt Tunis abgeriegelt.

Der Druck des Volkes war zu groß: Tunesiens Präsident Zine el-Abidine Ben Ali ist nach tagelangen gewaltsamen Protesten gegen ihn zurückgetreten und hat das Land verlassen. Ministerpräsident Mohamed Ghanouchi erklärte im Staatsfernsehen, er habe vorübergehend das Amt übernommen. Ben Ali äußerte sich bislang nicht dazu.

Tunesien: Nach 23 Jahren im Amt ist Tunesiens Präsident Ben Ali am Freitag zurückgetreten. Er hat das Land bereits verlassen.

Nach 23 Jahren im Amt ist Tunesiens Präsident Ben Ali am Freitag zurückgetreten. Er hat das Land bereits verlassen.

(Foto: AFP)

Ghanouchi sagte, er werde die Verfassung respektieren und die Stabilität im Land wiederherstellen. Der Präsident sei derzeit nicht in der Lage, sein Amt auszuüben. Zudem plane er vorgezogene Parlamentswahlen innerhalb der kommenden sechs Monate, hieß es weiter. Er äußerte sich jedoch nicht, ob er selbst zurücktreten werde.

Ben Ali hatte am Freitagnachmittag die Regierung aufgelöst, Neuwahlen innerhalb von sechs Monaten angekündigt und den Ausnahmezustand ausgerufen. Anschließend hatte die Armee die Kontrolle über den Flughafen der Hauptstadt übernommen und ihn abgeriegelt. Nach Informationen des französischen TV-Senders BFM soll Ben Ali unterwegs nach Paris sein, während sich seine Frau in Dubai aufhalte. Er war 23 Jahre lang im Amt.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich beunruhigt über die Gewalt in Tunesien. Mit Nachdruck mahnte er in New York zu Zurückhaltung und forderte alle Parteien auf, durch Gespräche eine friedliche Lösung zu finden.

Am späten Freitagnachmittag hatten gepanzerte Fahrzeuge den Flughafen umstellt. Der Luftraum sei gesperrt worden, eine Maschine der Fluggesellschaft Air France sei zur Umkehr nach Frankreich gezwungen worden, meldete BFM. Einem Flughafenvertreter zufolge war zuvor ein Unbefugter über einen Zaun geklettert und hatte das Rollfeld betreten. Daraufhin sei ein Alarm ausgegeben worden.

Noch am Donnerstagabend hatte Ben Ali in einer Rede an die Nation ein Ende der Gewalt gegen Demonstranten angeordnet und eine Fehleinschätzung der sozialen Lage des Landes eingestanden. Neben Preissenkungen etwa für Brot und Milch versprach er außerdem die Gewährleistung der Pressefreiheit und ein Ende der Zensur im Internet. Außerdem hatte er für 2014 das Ende seiner bis dahin 23-jährigen Präsidentschaft in Aussicht gestellt.

Doch trotz der Zugeständnisse waren am Freitag erneut landesweit mehrere tausend Menschen auf die Straße gegangen und hatten den Rücktritt von Ben Ali gefordert. Sie skandierten Parolen wie "Ben Ali - raus" oder "Ben Ali - Mörder". Andere trugen Transparente mit der Aufschrift "Wir werden nicht vergessen" und erinnerten damit an die zahlreichen Toten der vergangen Wochen. Die Sicherheitskräfte setzten Panzer und Tränengas ein.

Angesichts der Krise in Tunesien hat das Auswärtige Amt den Reisehinweis für das nordafrikanische Land verschärft. "Aufgrund der unsicheren Lage wird derzeit von nicht unbedingt erforderlichen Reisen nach Tunesien abgeraten", teilte das Auswärtiges Amt in Berlin mit. Das Ministerium empfahl "dringend", Anweisungen der Sicherheitsbehörden zu beachten. "Mit weiteren gewaltsamen Demonstrationen und Ausschreitungen im ganzen Land ist zu rechnen. Eine weitere Zuspitzung der Lage ist nicht auszuschließen", hieß es.

Keine Flüge nach Tunesien

Der Reiseveranstalter Thomas Cook holte wegen der Unruhen rund 4000 Touristen aus Deutschland, Großbritannien und Irland zurück. Urlauber seien zwar bislang nicht direkt betroffen, die Sicherheitslage in dem Land sei jedoch sehr angespannt, sagte Cook-Deutschland-Chef Peter Fankhauser. Der größere Konkurrent TUI Deutschland entschied, seine rund 1000 deutschen Gäste vorerst in Tunesien zu lassen.

Alle deutschen Reiseveranstalter stoppten hingegen die Anreise nach Tunesien. Alle Flüge in das von Unruhen geprägte Land am Samstag und Sonntag seien abgesagt, erklärte Torsten Schäfer, Sprecher des Deutschen Reiseverbandes (DRV) in Berlin. Es werde nun alles versucht, um die betroffenen Reisenden zu informieren.

Die tunesischen Demonstranten protestieren seit rund einem Monat gegen hohe Arbeitslosigkeit und die Politik des autokratisch regierenden Präsidenten. Der anfängliche Protest gegen die Massenarbeitslosigkeit im Lande hat sich längst zum Volksaufstand gewandelt. Die Demonstranten fordern, der Präsident soll abdanken - und haben jetzt offenbar ihr Ziel erreicht.

Laut offiziellen Angaben kamen bei den Protesten bislang 23 Menschen ums Leben, die Opposition geht aber vom Dreifachen aus. Auch das internationale Menschenrechtsbündnis FIDH spricht von mehr als 60 Toten.

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