Europawahl:SPD-Spitzenkandidat aus Sachsen nach Angriff schwer verletzt

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Vier Unbekannte sollen am Freitagabend auf SPD-Politiker Matthias Ecke eingeschlagen und ihn schwer verletzt haben. (Foto: Heiko Rebsch/dpa)

Unbekannte attackieren den Europaabgeordneten Matthias Ecke beim Aufhängen von Wahlplakaten in Dresden. Die Politik zeigt sich entsetzt, Bundeskanzler Scholz fordert ein geschlossenes Vorgehen gegen rechts.

Der sächsische SPD-Spitzenkandidat zur Europawahl, Matthias Ecke, ist am Freitagabend in Dresden beim Plakatieren angegriffen und schwer verletzt worden, teilt die SPD in Sachsen mit. Der Überfall soll sich laut Angaben der Polizei gegen 22.30 Uhr ereignet haben. Vier Unbekannte sollen auf den 41-Jährigen eingeschlagen haben. Ecke sei in ein Krankenhaus gekommen und müsse operiert werden.

Nach Polizeiangaben handelt es sich bei den Angreifern um junge Männer zwischen 17 und 20 Jahren. Alle vier seien Zeugenaussagen zufolge dunkel gekleidet gewesen, sagte ein Polizeisprecher am Samstag. Ein Zeuge habe die Angreifer dem rechten Spektrum zugeordnet. Die Ermittlungen würden zeigen, ob das stimme.

Minuten zuvor attackierte laut Polizei bereits eine vierköpfige Gruppe einen 28-jährigen Wahlkampfhelfer der Grünen ebenfalls beim Plakatieren. Die Täter schlugen und traten ihn, auch der 28-Jährige wurde verletzt. Die Ermittler des Staatsschutzes gehen aufgrund der übereinstimmenden Personenbeschreibungen sowie der zeitlichen und örtlichen Nähe davon aus, dass es sich in beiden Fällen um dieselben Täter handelt.

Die Vorfälle ereigneten sich im bürgerlich geprägten Villen-Stadtteil Striesen. Nach Angaben des sächsischen Innenministeriums übernahm das Landeskriminalamt die Ermittlungen.

"Wir müssen gemeinsam dagegen stehen."

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat als Reaktion ein geschlossenes Vorgehen gegen rechts gefordert. Der Angriff auf Ecke sei bedrückend, sagte Scholz am Samstag bei einem Demokratiekongress zur bevorstehenden Europawahl in Berlin. "Die Demokratie wird von so etwas bedroht, und deshalb ist achselzuckendes Hinnehmen niemals eine Option", sagte Scholz. "Wir müssen gemeinsam dagegen stehen."

Auch mit Attacken auf grüne Kandidatinnen und Kandidaten sowie Kommunalpolitiker und -politikerinnen dürfte man sich nicht abfinden. Dass so etwas geschehe, habe auch etwas mit Reden, die gehalten würden, und mit Stimmungen, die erzeugt würden, zu tun, sagte Scholz mit Blick etwa auf die rechtspopulistische AfD. Scholz wünschte Ecke beste Genesung - er sprach sich zudem für eine rückhaltlose Aufklärung aus.

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Von Roland Preuß

Scharfe Kritik kam von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne): "Brutale Angriffe auf engagierte Demokrat*innen, Wahlkämpfer*innen & Politiker*innen sind Attacken auf das Fundament unserer #Demokratie: Freie Wahlen", schrieb die Grünen-Politikerin am Sonntag auf der Plattform X. Die Berichte seien erschreckend. "Gewalt ist nie ein Mittel der Demokratie - egal aus welchem Spektrum."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte, dieser Ausbruch von Gewalt sei eine Warnung: "Alle, die unsere liberale Demokratie erhalten möchten, müssen nun parteiübergreifend zusammenstehen gegen Angriffe und Übergriffe im politischen Wettbewerb." Steinmeier appellierte an alle Bundesbürger, die politische Auseinandersetzung friedlich, mit Argumenten und Respekt zu führen. "Lassen wir nicht zu, dass Radikale durch Brutalität das zerstören, was Demokratien im Wahlkampf ausmacht: die friedliche, angstfreie politische Willensbildung."

"Eine neue Dimension von antidemokratischer Gewalt"

Die SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil verurteilten den Angriff scharf: "Dieser hinterlistige Angriff macht unsere gesamte Partei betroffen", hieß es in einer Erklärung vom Samstag. "Die Täter wollen uns als Repräsentanten einer demokratischen Gesellschaft einschüchtern. Aber das wird ihnen niemals gelingen." Man erwarte, dass die Tat aufgeklärt und die Täter zur Rechenschaft gezogen würden.

Matthias Ecke ist Mitglied des Europäischen Parlaments (Foto: Matthias Rietschel/REUTERS)

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) teilte auf der Plattform X mit: "Es ist schockierend und ein Angriff auf unsere demokratischen Werte, die Attacke auf SPD-Spitzenkandidat Matthias Ecke entsetzt mich zutiefst und ist durch nichts zu rechtfertigen." Angriffe und Einschüchterungen von politischen Mitbewerbern kenne man aus den dunkelsten Epochen unserer Geschichte.

"Wenn sich ein politisch motivierter Anschlag auf den Europaabgeordneten Matthias Ecke wenige Wochen vor der Europawahl bestätigt, dann ist diese schwere Gewalttat auch ein schwerer Angriff auf die Demokratie", äußerte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Samstag. "Wir erleben hier eine neue Dimension von antidemokratischer Gewalt."

In NRW wurden zwei Grünen-Politiker attackiert

Auch Sachsens Innenminister Armin Schuster bekundete seine Betroffenheit: "Jeder dieser Angriffe trifft uns alle, es geht um nicht weniger als unsere freien, gleichen, allgemeinen, unmittelbaren und geheimen Wahlen." Der Schutz von Amts- und Mandatsträgern habe für das Innenministerium hohe Priorität. Die aktuelle Häufung der Attacken nannte Schuster beunruhigend.

Für die Verrohung im gegenseitigen Umgang macht die SPD Sachsen die AfD und Rechtsextreme verantwortlich. "Deren Anhänger sind mittlerweile völlig enthemmt und betrachten uns Demokraten beim Ausüben ihrer Grundrechte offenbar als Freiwild", schreibt die Partei auf ihrer Webseite.

Übergriffe auf Wahlhelfer und Politiker nehmen zu, besonders aufgeheizt ist die Stimmung im Osten Deutschlands, wo dieses Jahr drei Landtagswahlen stattfinden. Während es im Jahr 2019 in Sachsen 110 Übergriffe auf Bürgermeister, Landtags- oder Bundestagsabgeordnete gab, sollen es vergangenes Jahr bereits 302 solcher Attacken gewesen sein. In Thüringen ist die Zahl der Übergriffe seit 2018 um das Achtfache gestiegen, zeigen Zahlen des sächsischen Kriminalamts.

In Nordrhein-Westfalen kam es am Donnerstag zu einem tätlichen Angriff. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kai Gehring und sein Parteikollege Rolf Fliß waren nach eigenen Angaben in Essen am Abend nach einer Parteiveranstaltung attackiert worden. Nach einem zunächst freundlichen Gespräch mit Passanten sei es zu einem Streit und zu Beleidigungen gekommen. Schließlich sei Fliß ins Gesicht geschlagen und dabei leicht verletzt worden. Die beiden Tatverdächtigen seien dann in einem Taxi in Richtung Innenstadt geflüchtet. Da es sich um eine politisch motivierte Tat handeln könnte, hat der Staatsschutz auch hier die Ermittlungen übernommen.

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