Union streitet über Gesundheitsreform:Einigkeit? Pustekuchen!

Merkels Machtwort läuft ins Leere: Wenige Tage nachdem sich die Koalition auf eine Gesundheitsreform geeinigt hat, zweifeln Unionspolitiker an dem Werk. An vorderster Front stänkern zwei renitente Bayern.

Vor einigen Tagen strahlte die schwarz-gelben Koalitionäre noch über die soeben beschlossene Gesundheitsreform. Nach monatelangem Streit hatten sich die Spitzen von Union und FDP auf die künftige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung verständigt. Dass die Reform von der Opposition zerrissen wurde: geschenkt. Dass das Echo in den Medien wenig positiv war: Sei's drum. Die Koalition hat Handlungsfähigkeit bewiesen und Fachminister Philipp Rösler (FDP) gab sich größte Mühe, sein Reformwerk als sein Meisterstück zu verkaufen: Mit breitem Grinsen marschierte er zur Pressekonferenz und in die Talkshow von Maybrit Illner.

Bayerisches Kabinett tagt in Bad Kissingen - Pk

Einspruch aus Bayern: Zu wem diese Hand gehört, sehen Sie, indem Sie auf die Lupe klicken.

(Foto: dpa)

Auch die Chefin, Kanzlerin Merkel zeigte sich zufrieden mit der Einigung und pochte auf Ruhe vor der parlamentarischen Sommerpause. Nach den andauernden Streitigkeiten bei der Gesundheitsreform, der verkorkster Bundespräsidentenwahl und Kritik an ihrem Führungsstil las die Kanzlerin ihren Leuten bei einer Fraktionssitzung der Union die Leviten. "Es geht so nicht weiter", soll die Kanzlerin gesagt haben.

Doch Merkels Machtwort scheint die Halbwertszeit schon überschritten zu haben. Horst Seehofer, offiziell Ministerpräsident in Bayern, heimlich Gesundheitsminister qua Berufung, legt gibt seine Zurückhaltung schon vier Tage nach dem Kompromiss auf: "Ich kann immer nur schmunzeln, wenn ich wieder tapfere Politikerinnen und Politiker höre, die dann sagen 'Jetzt haben wir die langfristige Finanzierung gefunden und die wird auf Dauer halten.' - Pustekuchen", erklärt Seehofer. Mit einer Reform könne für "einige Jahre" ein System stabilisiert werden, nicht aber auf Dauer, so Seehofer im Deutschlandradio Kultur.

Markus Söder, Seehofers Adlatus in Gesundheitsfragen, lästert über die unausgewogene Belastung der Versicherten. Keiner könne "unbegrenzt Kosten auf die Versicherten übertragen", sagte Söder dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel.

"Schwer vermittelbar"

Außerdem seien die Reformpläne "politisch schwer vermittelbar". Die Pläne für die Zusatzbeiträge seien außerdem "noch recht vage" formuliert. "Wie das in der Praxis funktionieren soll, ist noch unklar", erklärt der bayerische Gesundheitsminister. Er sei auch "skeptisch", dass sich die Finanzlage der Kassen über das Jahr 2011 hinaus durch die Reform bessere. "Wahrscheinlich müssen wir dann wieder über die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung nachdenken", sagte er, "die jetzige Reform kann nur ein Zwischenschritt sein." Als Kompromiss sei die Reform zwar "tragbar", "langfristig bleibt es aber sicher bei unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Auffassungen von Gesundheitspolitik".

Doch Kritik kommt nicht nur von der kleinen Schwesterpartei. Sachsens Regierungschef Tillich sagte: "Es gibt erheblichen Gesprächsbedarf. Das, was da in Berlin vorgelegt wurde, kann definitiv nicht das Ergebnis sein." Höhere Krankenversicherungsbeiträge hätten schädliche Folgen für die Wirtschaft, insbesondere für die Arbeitsplätze. Das sei für Ostdeutschland eine zusätzliche Belastung, weil bereits mit der Einführung des Gesundheitsfonds die Kassenbeiträge erhöht worden seien. "Entscheidungen, die zu Lasten einzelner Regionen gehen, kann ich nicht mittragen", kündigte der CDU-Politiker an.

Hartes Urteil

Ein hartes Urteil fällte auch der Chef der Unions-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann: "Was da jetzt als Gesundheitsreform verkauft wird, hat den Namen nicht verdient."

Auch vom Koalitionspartner FDP kommen wenig freundliche Worte: "Störenfried", "Querschläger", "Fähnchen im Wind" - Bayerns FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser- Schnarrenberger hat die CSU mit solchen Bezeichnungen scharf angegriffen und für 2013 eine erneute Wahlschlappe prognostiziert. Es gehe am meisten zulasten der CSU, wenn sie gegen alle Kompromisse schieße, sagte die Bundesjustizministerin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit Blick auf die CDU-Kritik an der Gesundheitsreform. "Das sollte die CSU einmal in Ruhe analysieren. Sonst kann es sein, dass 2013 in Bayern Kräfte entstehen, die sagen: Jetzt machen wir es mal ohne die CSU."

Die Opposition dürfte sich über den neuen Streit in der Regierung freuen. Die Sozialdemokraten denken schon darüber nach, was tun ist, wenn die SPD wieder in die Regierung kommt: Generalsekretärin Andrea Nahles kündigte an, Röslers Pläne umgehend zu kassieren. Das Konzept sei eine "Pseudo-Reform". Das einzig Gute an dem Modell sei: "Diese ungerechte Reform ist so gestrickt, dass wir sie 2013 rückgängig machen können."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: