USA: Präsident und "Midterms":Von Reagan lernen, heißt siegen lernen

US-Präsident Obama hat mit Konjunkturpaket, Gesundheits- und Finanzmarktreform seine Versprechen gehalten - doch seine Umfragewerte sind mau. 1982 ging es dem Republikaner Reagan ähnlich.

B. Vorsamer

Als "legislativen Hattrick" feierte die New York Times die Verabschiedung der Finanzmarktreform von US-Präsident Barack Obama, und tatsächlich: Jubel ist angebracht. Die neuen Richtlinien geben dem Staat eine noch nie dagewesene Kontrollmacht über die Börse. Auch mit anderen Projekten seiner bisherigen Amtszeit schreibt Obama Geschichte. Seine Gesundheitsreform ermöglicht Millionen Amerikanern erstmals Zugang zu einer Krankenversicherung. Und das 787 Milliarden Dollar schwere Wachstumspaket federt die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise ab.

USA: Präsident und "Midterms": Barack Obama und Ronald Reagan - zwei große US-Präsidenten.

Barack Obama und Ronald Reagan - zwei große US-Präsidenten.

(Foto: Fotos: dpa, AP, iStockphoto / Grafik: sueddeutsche.de, Özer)

Mit den drei Gesetzen hat Obama genau das getan, was er im Wahlkampf versprochen hatte. Er hat grundlegende Reformen durchgesetzt und den Einfluss der Wirtschaft verringert. Die Bevölkerung jedoch kann sich höchstens mit der Finanzmarktreform anfreunden. Einer aktuellen CBS-Umfrage zufolge sind etwas mehr als die Hälfte der Befragten dafür. Beim Konjunkturpaket hingegen glauben drei Viertel der US-Bürger, es habe nichts gebracht, und für die Gesundheitsreform kann sich nur ein Drittel erwärmen.

Er habe zu wenig durchgesetzt, finden seine Anhänger, und wenden sich enttäuscht ab. Viele unabhängige Wähler, die Obama ins Weiße Haus gewählt haben, wollen in den kommenden Parlamentswahlen für Republikaner stimmen. Konservative Republikaner tragen seine Präsidentschaft bereits zu Grabe. Die derzeitige Unzufriedenheit mit dem Präsidenten ist mehr als die bekannte Midterm-Verdrossenheit, das Phänomen, dass die Partei, die das Weiße Haus erobert hat, bei den Wahlen danach abgestraft wird.

Derzeit haben die Demokraten in beiden Häusern des Kongresses eine komfortable Mehrheit. Im Repräsentantenhaus haben sie 79 Sitze mehr als die Republikaner, im Senat ist das Verhältnis 59 zu 41. Doch besonders die Mehrheit im Repräsentantenhaus ist gefährdet. Prognosen der New York Times zufolge sind den Demokraten nur noch 168 Mandate sicher, um 104 wird derzeit erbittert gekämpft.

Manche Konservative stellen sich schon auf einen Erdrutschsieg ein - doch sie sollten sich nicht zu früh freuen. 1982 ging einer der ihren in einer ähnlichen Situation in die Kongresswahlen - und musste am Ende nur geringe Verluste hinnehmen. Obwohl Barack Obama und Ronald Reagan für unterschiedliche politische Richtungen stehen, sind die Parallelen zwischen den beiden Politikern verblüffend.

Auch Reagan mutete dem amerikanischen Staat grundlegende Veränderungen zu, wenn auch in der entgegengesetzten Richtung wie Obama. Der Republikaner setzte die größte Steuersenkung der US-Geschichte durch, während er gleichzeitig staatliche Behörden massiv zurückstutzte. Seine Reaganomics, die Theorie, dass der Staat die Bürger in Frieden lassen und so wenig wie möglich regeln sollte, prägten die amerikanische Politik bis heute - bis Obama.

Trotzdem wurde Reagan gerade von rechts heftig für seine Reformen kritisiert, seinen Anhängern ging alles nicht weit genug. Mit miesen Zustimmungswerten steuerte Reagan auf die Midterms zu. Drei Monate vor den Wahlen waren dem Umfrageinstitut Gallup lediglich 42 Prozent mit Reagan zufrieden. Obamas Arbeit finden derzeit nur 46 Prozent der US-Bürger akzeptabel.

Dass die Republikaner bei den Wahlen 1982 dennoch glimpflich davonkamen, haben sie Reagans Motivationsfähigkeit zu verdanken. Der Präsident war in der Lage, den Menschen zu vermitteln: Wir sind auf dem richtigen Weg. "Seid optimistisch, glaubt an die Zukunft", das war Reagans Credo, das er bei jeder Gelegenheit in unzähligen Varianten wiederholte.

Die Bürger glaubten ihm. Schon als Kandidat 1980 symbolisierte Reagan den Neuanfang nach der glücklosen Amtszeit des Demokraten Jimmy Carter. Damals lechzte das amerikanische Volk nach Hoffnung, nach neuem Selbstbewusstsein, nach einer Wende. Reagan versprach all das.

Gewinnende Außenseiter

War es nicht 2008 genauso? Mit dem amtierenden Präsidenten George W. Bush wollten nicht einmal die republikanischen Kandidaten etwas zu tun haben, das Land ersehnte den Wandel. Obama wurde Präsident, weil er ihn am überzeugendsten verkörperte. Wie Reagan ist Obama ein Optimist, der das Volk wieder lehrte, an sich selbst zu glauben und "Hoffnung zu wagen" - so auch der Titel von Obamas Autobiographie.

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Die Zustimmungswerte der Präsidenten Obama und Reagan - nicht die einzige Parallele.

(Foto: Zahlen: Gallup.com Fotos: dpa, AP / Grafik: sueddeutsche.de, Helldobler)

Gemeinsam haben die beiden Politiker auch Lebensgeschichten, die sie glaubwürdig zu Außenseitern machten - ein Merkmal, mit dem in Amerika seit jeher Wahlen gewonnen werden. Anders als alle Präsidenten nach ihm hatte der Schauspieler Ronald Reagan nie ein Elitecollege besucht, sondern sich aus ärmlichen Verhältnissen hochgearbeitet. Sein Vater hatte sich mehr recht als schlecht als Schuhverkäufer durchgeschlagen.

Auch Barack Obama hat wenig mit den Sprösslingen der Politikerdynastien Kennedy oder Bush gemeinsam. Der Sohn eines Mädchens aus Kansas und eines Austauschschülers aus Kenia wuchs auf Hawaii und in Indonesien auf, schaffte es zwar an die Elite-Universität Harvard - doch dort war er schon wegen seiner Hautfarbe anders als die meisten Kommilitonen.

Außenseitern wie Reagan und Obama trauen die Amerikaner offenbar zu, das Land zu einen und Parteilichkeit zu überwinden, obwohl beide ihre politische Linie klar vertraten. Als Senator vertrat Obama eher den linken Flügel der Demokraten. Reagans Ziele entsprachen immer der konservativen Parteilinie.

Als neue Präsidenten jubelte das Land sie zu Heilsbringern hoch, um dann nach einem Jahr bitter enttäuscht zu sein, weil sie sich als Menschen mit Fehlern und Schwächen entpuppten. Um die Wahlen für seine Demokraten nicht zum Desaster werden zu lassen, sollte Obama nun von Reagan lernen und das Volk von der Botschaft überzeugen: Es ist noch nicht alles perfekt - aber wir sind auf dem richtigen Weg.

Kaufen ihm die Wähler das ab, werden sie ihm die hohe Arbeitslosigkeit, das horrende Staatsdefizit und die Ölkatastrophe im Golf verzeihen - wenn auch vielleicht nicht gleich. Reagans Zustimmungswerte waren nie so niedrig wie um die Midterms 1982 herum. Trotzdem verloren die Republikaner nur 20 Mandate im Repräsentantenhaus.

Ein solch geringer Verlust wäre für Obama in diesem November fast schon ein Sieg. Es ist gut möglich, dass er sich in diesen Tagen an Reagan orientiert - schon im Wahlkampf 2008 nannte er den Held der Konservativen als sein Vorbild. "Ich bewundere seine Fähigkeit, das Land grundsätzlich zu verändern", sagte der Kandidat Barack Obama damals. Er selbst hat das in seinen ersten 18 Monaten im Amt getan.

Ob es weitergeht, entscheiden die Wähler im November bei den Kongresswahlen - und wenn es 2012 um Obamas Wiederwahl geht. In dieser ersten Amtszeit wird es keine Durchbrüche mehr geben. Das haben nun auch die Demokraten im Kongress eingesehen und ihre Pläne für ein Klimaschutzgesetz bis auf weiteres verschoben.

Große Projekte setzt ein US-Präsident meistens nur in den ersten eineinhalb Jahren seiner Amtszeit durch - dann schwingt das Midterm-Pendel, er verliert Mehrheiten und ehe er es sich versieht, kandidiert er selbst wieder. Doch wenn Obama wie Reagan eine zweite Amtszeit schafft, hat er erneut eineinhalb Jahre. Vielleicht für einen neuen legislativen Hattrick.

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