Vorgehen gegen Demonstranten:1200 Liter Wasser pro Minute

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1200 Liter Wasser pro Minute könnten moderne Wasserwerfer von Daimler mit hohem Druck verspritzen, die Reichweite: einige Dutzend Meter. (Foto: dpa)
  • Immer wieder kommt es bei den Demonstrationen in Hongkong zu Polizeigewalt.
  • Bürgerrechtsaktivisten und Parlamentarier fürchten den Einsatz moderner Wasserwerfer. Das Wasserwerfer-Fahrgestell stammt von Daimler.
  • Der Fahrzeugkonzern aus Stuttgart erklärt, die Entwicklungen in Hongkong "genau" zu beobachten und auf "eine baldige Deeskalation" zu hoffen.

Von Christoph Giesen, Hongkong, und Max Hägler, Hongkong/München

Es ist eine Präsentation der Stärke, die Hongkongs Polizei einheimischen Medien erst vor ein paar Tagen geboten hat: Ein gewaltiger Lastwagen mit Gittern vor den Fenstern stand in einem Hof und fegte mit zwei Wasserkanonen auf dem Dach einen Plastikdummy davon. 1200 Liter Wasser pro Minute könne mit hohem Druck verspritzt werden, die Reichweite: einige Dutzend Meter. Bürgerrechtsaktivisten und liberale Parlamentarier in Hongkong fürchten den Einsatz dieser Wasserwerfer bei den Demonstrationen, die inzwischen beinahe täglich in der ehemaligen britischen Kronkolonie stattfinden. Immer wieder kommt es zu Polizeigewalt: Tränengasgranaten, die ohne Vorwarnung in U-Bahnhöfe geworfen wurden, eine Frau, die ihr Augenlicht verlor, nachdem sie von einem Polizeigeschoss im Gesicht getroffen wurde.

Jetzt also die modernsten Wasserwerfer der Welt? In Deutschland sorgt das für scharfe Reaktionen. Denn zumindest das Wasserwerfer-Fahrgestell stammt vom Daimler-Konzern und was die Wucht des Wassers anrichten kann, weiß man auch hierzulande: Während der Proteste gegen den Bahnhof Stuttgart 21 wurde ein Demonstrant durch einen Wasserwerfer so schwer verletzt, dass er beinahe komplett erblindete. Auch diesen Fall hat Jürgen Grässlin, Sprecher der Kampagne "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!" im Kopf, wenn er nun erklärt: "Daimler-Vorstandschef Ola Källenius muss die Wasserwerfer - zum Schutz der Demokratiebewegung - zurückfordern."

Daimler: Man habe sich nichts vorzuwerfen

Dazu dürfte es allerdings nicht kommen. Der Fahrzeugkonzern aus Stuttgart erklärt zwar, die Entwicklungen in Hongkong "genau" zu beobachten und auf "eine baldige Deeskalation" zu hoffen. Doch habe man sich nichts vorzuwerfen, weil man alle Ausfuhrbestimmungen beachte. Zudem stelle der Konzern selbst keine bewaffneten Fahrzeuge und keine Aufbauten für militärische Fahrzeuge her. Es liege "außerhalb unserer Kontrolle und Verantwortung", welche Aufbauten von Dritten auf Daimler-Fahrgestelle montiert und wohin die Fahrzeuge weiterverkauft werden.

Für Grässlin, der seit vielen Jahren Daimler beobachtet und auch auf Hauptversammlungen immer wieder die Stimme erhebt, ist das eine Ausrede: Der Konzern habe in den vergangenen Jahren vielfach sogenannte Dual-Use-Fahrzeuge an Staaten mit fragwürdigen Menschenrechtshistorie exportiert, also Fahrzeuge, die sich sowohl zivil wie auch militärisch einsetzen lassen. "Opfer dieser menschenverachtenden Geschäftspolitik sind vielfach Zivilistinnen und Zivilisten", meint Grässlin. "Wir erwarten von Daimler-Vorstandchef Ola Källenius, dass er die von dem Konzern unterzeichneten globalen Ethikrichtlinien der Vereinten Nationen ernst nimmt und endlich umsetzt." Viele Exporte von Polizei- und Militärfahrzeugen müssten dann gestoppt werden. Im Falle von Hongkong wäre das finanziell für einen Konzern mehr als verschmerzbar. Die Wasserwerfer kosten ein paar Millionen Euro. Viel größer allerdings ist bei Unternehmen die Sorge, es sich mit Peking zu verscherzen, wenn man sich in den Hongkong-Konflikt einmischt.

Die großen Rechnungsprüfungsfirmen sind unter Druck geraten

Voll erwischt hat es die Fluggesellschaft Cathay Pacific. Mitarbeiter, die an "illegalen Protesten" teilnehmen, dürfen weder in die Volksrepublik fliegen noch chinesisches Territorium überqueren. Cathay Pacific hat deshalb eine Art Demoverbot für alle seine Mitarbeiter verhängt.

Unter Druck geraten, sind nun auch die großen Rechnungsprüfungsfirmen: PwC, KPMG, Ernst & Young und Deloitte - oft nur die "Big Four" genannt. Ende vergangener Woche hatten Mitarbeiter anonym eine Anzeige im Hongkonger Boulevard-Blatt Apple Daily geschaltet, darin solidarisierten sie sich mit den Demonstranten. Die chinesische Reaktion folgte prompt: Rausfinden, wer Geld für die Anzeige gespendet hat und jene Mitarbeiter sofort entlassen, lautete die Anweisung. Peking greift ein ins Geschäft.

© SZ vom 21.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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