Biathlon-WM:Biathlon-WM: Veranstalter spielt falsche russische Hymne

Biathlon - IBU World Championships Hochfilzen -  Men 4 x 7.5 km Relay

Russlands Biathlon-Staffel: Kann die Hymne auch a cappella, angestimmt von Reporter Dmitrij Guberniew (re.)

(Foto: REUTERS)
  • Die deutsche Staffel wird bei der Biathlon-WM Vierter. Russland gewinnt vor Frankreich und Österreich.
  • Bei der Siegerehrung wird eine alte russische Hymne gespielt. Das Team reagiert schnell und gelassen.
  • Alle Ergebnisse der WM finden Sie hier.

Von Saskia Aleythe, Hochfilzen

Der Blick nach hinten bedeutete für Dominik Landertinger nichts Gutes. Der Österreicher war als Schlussläufer in diese WM-Staffel in Hochfilzen gegangen, mit zwei Nachladern hatte er seinem Team eine Medaillenchance gewahrt. Und als er dann wieder loslief auf die Schlusskilometer, lag er ja auf Rang drei. Doch hinter ihm, und das sah Landertinger genau, drohte Gefahr: Der Deutsche Simon Schempp verfolgte ihn, lag nur vier, fünf Meter zurück. Und Landertinger dachte: "Das darf doch nicht wahr sein."

Doch Landertinger bewältigte den Schreck, nachdem er Schempp erspäht hatte, doch noch ganz gut: Er flitzte ihm in beeindruckender Manier davon und sicherte seiner Nation die Bronzemedaille, die erste überhaupt bei dieser WM. "Das war unglaublich, eine Befreiung", sagte Startläufer Daniel Mesotitsch zum Erfolg. Wie ist das nun, dass Österreich nicht nur Ski-, sondern auch Biathlon-WM kann? Landertinger sagte: "Das ist schon lässig."

Am Abend gab es also die Premiere für Team Österreich bei der WM im eigenen Land: Sie durften aufs Podest hüpfen, neben ihnen die siegreichen Russen, daneben Frankreich auf Rang zwei. Die Russen holten sich ihr erstes Gold ab, stellten sich zur Hymne auf - und dann wurde es seltsam.

Ein Sportreporter stimmt die richtige Hymne an, die Sieger singen mit

Die ersten Töne erklangen auf dem Platz mit den Tausenden Fans, doch Anton Schipulin, Alexej Wolkow, Maxim Zwetkow und Anton Babikow wirkten alles andere als ergriffen. Ein paar Sekunden, dann setzte Verwunderung unter allen Athleten ein, Schipulin schüttelte den Kopf, machte mit den Armen eine Geste Richtung DJ zum Abbruch der Musik. Eingespielt wurde nicht die aktuelle russische Hymne, sondern das sogenannte "Patriotische Lied", das zwischen dem Zerfall der Sowjetunion und 2000 als offizielle Hymne galt. Die Sportler schauten sich ratlos um, Pfiffe hallten aus dem Publikum nach vorne. Dann kam Dmitrij Guberniew, der bekannteste Sportreporter der Russen: Er schnappte sich ein Mikro und stimmte das richtige Lied an. So sangen die Sportler ihre Hymne einfach selber, mit Ihnen auch zahlreiche russische Fans. Anschließenden schallte doch noch die richtige Hymne aus den Boxen. Insgesamt nahm das Team die Sache gelassen, der Veranstalter entschuldigte sich für den Fehler.

Als Favoriten dieser Staffel hatte eigentlich das Team um Simon Schempp gegolten, die Deutschen hatten ja eine erstaunliche Bilanz in dieser Saison: zwei dritte und ein erster Platz. "Seit langem haben wir kein so starkes Team am Start gehabt", sagte Schempp, der auf der Schlussrunde dran war an Landertinger und normalerweise auch läuferisch mithalten kann. Er schloss auch auf, doch dann, am letzten Anstieg, hüpfte ihm der Österreicher, der nur ein paar Kilometer von der WM-Strecke entfernt wohnt, davon. "Diesen Anstieg habe ich im Training schon 100 Mal gesehen", sagte Landertinger, "die ersten Meter habe ich noch etwas abgebremst." Doch dann legte er los, Schempp musste aufgeben. Später meinte er: "Auf der letzten Runde hat es mir gereicht."

Erik Lesser übergibt als Führender, doch es folgen zu viele Fehlschüsse

Mit Startläufer Erik Lesser ging es wunderbar los für die deutschen Männer, er traf sowohl stehend als auch liegend alles. Als Führender übergab er an Benedikt Doll, der bei dieser WM etwas überraschend Sprint-Weltmeister geworden war. Doch am Samstagnachmittag holten ihn die Probleme im Stehendschießen wieder ein. Er brauchte alle drei Nachlade-Patronen, um die fünf Scheiben zu bezwingen. "Ein bisschen liegt die Hauptschuld auch bei mir", sagte Doll später.

Die Deutschen fielen von Rang eins auf sieben zurück. Auch Arnd Peiffer patzte beim Schießen, konnte zu den Medaillenrängen aber wieder aufschließen und übergab auf Position vier an Schlussläufer Schempp. "Ich habe auf der zweiten Runde viel investiert, um überhaupt noch was rausholen zu können beim letzten Schießen", erklärte Schempp. Mutig ging er die Sache an, wurde auch mit fünf Treffern belohnt - aber die Kraft für einen ordentlichen Schlussspurt fehlte ihm. "Es ist bitter, wenn man ohne Medaille nach Hause geht", sagte er, "wir haben uns schon mehr vorgenommen".

Der Streit zwischen Russland und Frankreich scheint ausgeräumt

Ganz vorne gab es einen Zweikampf, der einen Rahmen um die WM legte. Mit einem Eklat zwischen dem Franzosen Martin Fourcade und Anton Schipulin aus Russland hatten die Wettbewerbe begonnen. Der Anti-Doping-Kampf Fourcades hatte sich hochgeschaukelt zu verweigerten Handschlägen der Russen und einer boykottierten Siegerehrung. Nun standen beide wieder auf dem Podest: Russlands Staffel holte Gold, Frankreich Silber.

"Den Streit haben wir ausgeräumt"; sagte Schipulin, Fourcade nickte. Und Ricco Groß, der die Russen seit zwei Jahren trainiert, war vom Erfolg seines Teams erheitert. "Es ist uns gut gelungen, dass wir ganz eng zusammengerutscht sind", berichtete er. "Wir haben alles, was passiert ist, im kleineren Kreis diskutiert, dass die Sportler nichts davon mitbekommen und nur an ihre Leistungsfähigkeit denken."

Der zweite McLaren-Report hatte im Dezember Indizien geliefert, dass 31 russische Biathleten zwischen 2011 und 2014 manipulierte Dopingproben abgegeben hatten, darunter auch noch derzeit aktive. Zwei, die ihre Karriere schon beendet haben, wurden suspendiert. Während der WM wurde Jekaterina Glasyrina aus den Wettbewerben genommen. Gegen sieben Athleten wird noch ermittelt, die restlichen hat der Weltverband IBU aus Mangel an Beweisen vom Dopingverdacht befreit. "Den Sieg hat sich die Mannschaft schwer erkämpft", sagte Groß nun nach dem Triumph.

Letzte Chance für Simon Schempp: das Massenstart-Rennen am Sonntag

Für die Männer wie für die Frauen gibt es noch eine Chance auf eine Medaille in Hochfilzen, am Sonntag beim Massenstart. Simon Schempp ist zwar schon Weltmeister mit der Mixed-Staffel zu Beginn der Wettbewerbe geworden, ihm fehlt saisonübergreifend aber als einzigem Deutschen im Team eine Einzel-Medaille. "Natürlich hängt mir das nach, ich stand im Weltcup so oft auf dem Podium", sagte er nach dem Rennen.

Auch wenn er den Österreichern diesmal den Vorrang lassen musste, sieht die Lage für den Massenstart ganz gut aus: Da steht Schempp mit einem ersten und zweiten Platz in der Weltcup-Gesamtwertung ganz oben. In Oberhof hatte er im Schlussspurt sogar Martin Fourcade besiegt.

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