Bundesliga:Lewandowski rettet die Bayern in der 96. Minute

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Letzter Schuss: Robert Lewandowski (Nr. 9) trifft zum 1:1. (Foto: AFP)
  • Hertha BSC geht durch ein Tor von Vedad Ibisevic gegen den FC Bayern mit 1:0 in Führung.
  • Die Münchner finden kein Konzept gegen die defensiv stark organisierten Berliner. Dann macht Robert Lewandowski in der 96. Minute ein Tor.
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Von Martin Schneider

Es gibt aktuell nur vier Spieler in der Bundsliga, die das Tor häufiger getroffen haben als Vedad Ibisevic. 100 Tore hat der Bosnier gemacht und so jemandem darf man eine gewisse Kompetenz bei der Ausübung seines Berufes zubilligen. Vedad Ibisevic kennt zum Beispiel die Stürmer-Regel: Nimm immer den kürzesten Weg zum Tor.

Nach 21 Minuten gab es im Spiel Hertha BSC gegen Bayern München einen Freistoß für Berlin. Marvin Plattenhardt holte ihn gegen den sehr ungestüm einsteigenden Arturo Vidal heraus. Ob der Chilene den Berliner nun berührte, das konnte auch die dritte Zeitlupe nicht eindeutig belegen. Plattenhardt trat den Freistoß scharf und mit flacher Flugkurve aufs kurze Eck. Ibisevic nahm den kürzesten Weg zum Tor. Er stürzte sich auf den Ball wie ein Raubvogel auf seine Beute. 1:0 nach 21 Minuten. Es war sein 101. Bundsligator. Hertha führte 1:0 gegen den FC Bayern.

Einer der Spieler, die noch mehr Ligatore geschossen haben als Ibisevic, ist Robert Lewandowski. Lewandowski kennt auch eine Regel. Eine Fußball-Regel, aufgestellt von Sepp Herberger, die so langsam zur Bayern-Regel wird: Ein Spiel dauert 90 Minuten und in Zeiten der Nachspielzeit halt auch mal 96 Minuten. Es lief jene 96. Minute. Manuel Neuer stand im Strafraum der Berliner. Der Ball kam zu Arjen Robben, der schoss, abgewehrt, Lewandowski kam als Erster an den Ball. 1:1 in der letzten Aktion. Genau 5:59 Sekunden in der Nachspielzeit. Schiedsrichter Patrick Ittrich pfiff gar nicht mehr an.

Robert Lewandowski hat den FC Bayern gerettet. Schon wieder. Dabei saß er zu Beginn des Spiels tatsächlich: auf der Bank. Die Stechkarte des Polen zeigte, dass er seit dem achten Spieltag jede einzelne Bundesliga-Minute für den FC Bayern gespielt und gearbeitet und dabei mindestens die Partien gegen Augsburg, Mainz und Freiburg mehr oder weniger direkt entschieden hat.

Für ihn spielte Müller, dessen ewige Kombination aus Cleverness, Instinkt und Thomasmüllerigkeit in dieser Saison zum ersten Mal nur selten funktioniert. Es fehlen die Tore, auch wenn er eins immerhin bei seinem Kurzeinsatz gegen Arsenal am vergangenen Mittwoch in der Champions League erzielt hatte.

Was aber Thomas Müller und der gesamte FC Bayern recht schnell feststellten: Hertha ist nicht Arsenal. Hertha führt Zweikämpfe und hat so etwas wie eine Struktur in der Defensive. Nachdem Müller in den ersten Minuten nach einer Flanke von Philipp Lahm ein Kopfballduell im Fünfmeterraum gegen Sebastian Langkamp verloren hatte, kam der Ball nicht mehr so schnell in eine gefährliche Zone. Hertha zog das Spiel erfolgreich auf Hertha-Niveau herunter.

Dann gab es Freistoß für Berlin, Ibisevic traf und Hertha konnte sich ab diesem Moment komplett auf ihre drei Vs konzentrieren: Verengen, Verzögern, Verteidigen. Der FC Bayern sah stets ein 4-1-4-1-System mit zwei aggressiven blau-weißen Viererketten vor sich. Besonders Arjen Robben - über den Hertha-Trainer Pal Dardai noch vor dem Spiel sagte, seine Scouts hätten ihn gewarnt, dass Robben gerne nach innen ziehe - wurde teilweise von vier Berlinern eingekreist.

Die Bewachung war so eng, dass Robben in der 35. Minute sogar einen Angriff mit dem rechten Fuß (!) abschloss. Rune Jarstein im Berliner Tor hielt den Schuss sicher. Nur drei Minuten später schlug es dagegen wieder bei Manuel Neuer im Tor ein. Ibisevic hatte getroffen, stand aber nach einem Kopfball von John Anthony Brooks ein paar Meter im Abseits. Das Tor zählte nicht.

Der FC Bayern versuchte es über die Flügel. Vor allem über den rechten. Das Senioren-Duo Lahm/Robben funktionierte viel besser als die Junior-Kombination Juan Bernat/Douglas Costa. Das machte es für Berlin einfacher, seine Defensive zu sortieren. Das Spiel des FC Bayern hing schief an diesem kalten Tag in der Hauptstadt. Kurz vor der Halbzeit setzte sich Douglas Costa dann mal durch (gegen einen Gegenspieler, nicht gegen drei wie Arjen Robben) und passte scharf durch den Sechzehner. Der Ball verpasste die Mitspieler.

Das Team von Carlo Ancelotti lieferte den grauen Verwaltungsfußball, den es schon gegen Freiburg, Bremen und Ingolstadt angeboten hatte. Zur Halbzeit hatten die Münchner 71 Prozent Ballbesitz, aber nur fünf Torschüsse Die erste Chance der zweiten Halbzeit hatte: die Hertha. Plattenhardt brachte diesmal aus dem Spiel heraus die Flanke auf den kurzen Pfosten, Ibisevic drückte den Ball aber knapp am Tor vorbei. Die zweite Chance der zweiten Halbzeit hatte: die Hertha. Nach einem Konter setzte sich Salomon Kalou gegen Philipp Lahm durch, Kalou legte quer auf Ibisevic, der den Ball aber fast aus dem Olympiastadion bolzte.

Der FC Bayern wirkte hilflos in dieser Phase des Spiels. Carlo Ancelotti reagierte und brachte die Spieler, die er eigentlich schonen wollte: Xabi Alonso und Robert Lewandowski kamen für Arturo Vidal und Joshua Kimmich, die das Zentrum nicht im Griff hatten. Und Thomas Müller? Gestikulierte, lief viel, fand aber keinen Zugang zum Spiel und wirkte irgendwann zwischen all den Berliner Verteidigern so verloren wie ein Kind, das man ausrufen lassen möchte. Achtung, Achtung, der Thomas würde gerne auch mal einen Ball bekommen!

Am Ende wurde es doch noch zur Abwehrschlacht für Hertha BSC, einige Berliner wanden sich mit Krämpfen auf dem Rasen. Der FC Bayern versuchte es mit Freistößen. Einer schlug in der Mauer ein, in der 89. Minute scheiterte David Alaba mit einem starken Schuss an Torwart Rune Jarstein. In der 94. Minute lief Manuel Neuer in die Berliner Hälfte und schlug Flanken in den Sechzehner.

Das klappte nicht. Aber in der 94. Minute war dieses Spiel ja auch noch nicht zu Ende. Erst nach 95:59 Minuten.

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