Deutschland - Aserbaidschan:Schachmatt

Berti Vogts trifft mit Aserbaidschan auf Deutschland. Er stapelt tief und widerspricht einer selbst aufgestellten Fußball-Weisheit - obwohl er einen aserbaidschanischen Cacau im Team hat.

David Binnig

Es war einmal ein weiser Fußball-Lehrer, der Folgendes feststellte: Es gibt keine Kleinen mehr. Als Berti Vogts diese Weisheit verkündete, war er deutscher Bundestrainer und gewann etwa gegen solche Kleinen, die es ja nicht mehr gab, wie Liechtenstein mit 3:2. Heute trainiert er das Fußball-Entwicklungsland Aserbaidschan - und scheint seinen eigenen Worten von damals nicht mehr zu trauen: Vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland macht er sich und sein Team sehr klein.

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1996 führte Berti Vogts die deutsche Nationalmannschaft zum EM-Titel. Seit 2008 ist er Nationaltrainer von Aserbaidschan.

(Foto: WITTERS)

Er hat ja auch so einige Probleme - kurz-, mittel- und langfristige. Das jüngste Malheur: Drei Leistungsträger seiner aserbaidschanischen Nationalmannschaft sind verletzt. Die anderen Nationalspieler sind nicht hundertprozentig fit, denn sie halten mehr oder weniger die Regeln des muslimischen Fastenmonats Ramadan ein.

Zudem ist Fußball in Aserbaidschan noch immer eine Randsportart. "Schach ist die Nummer eins. Dann kommen Ringen und die leichteren Klassen im Gewichtheben", sagt Berti Vogts. Aserbaidschans Nationaltrainer will daran etwas ändern. Er will zur EM - spätestens mittelfristig, in ein paar Jahren. Bisher hat sein Land noch nie eine Endrunde erreicht.

Aserbaidschans Cacau

Sein Team rangiert auf Platz 105 der Fifa-Weltrangliste. Der gesamte Kader hat einen Marktwert von 7,9 Millionen Euro. Deutschlands Stürmer Cacau ist genauso viel wert. Der aserbaidschanische Cacau heißt Leandro Gomes. Der ist ebenfalls Stürmer, 34 Jahre alt - und wie der Name schon andeutet, gebürtiger Brasilianer. Gomes begann seine Karriere in Rio de Janeiro, heute kickt er bei Olimpik Baku. Er kam vom Lokalrivalen FK Baku, der von Winfried Schäfer trainiert wird. Dort spielt auch ein gewisser Fabio Luis, ebenfalls aserbaidschanischer Nationalspieler. Er schoss in zwölf Länderspielen vier Tore. Im erweiterten Kader steht der ehemalige Brasilianer Nummer drei: Ernani Pereira, 32 Jahre alt, elf Länderspiele.

Nationaltrainer Vogts setzt eigentlich auf neue Talente, anstatt gestandene Spieler einzubürgern. Doch ihn plagt dieselbe Problemzone wie fast jeden Trainer dieser Welt: links hinten. Gute Linksverteidiger sind heutzutage äußerst rar. Das haben auch die Aserbaidschaner bemerkt und Abhilfe aus Nigeria geholt: Usima Nduka. Auch der 24-Jährige von Olimpik Baku steht im aktuellen Kader.

Entwicklungshelfer Vogts

Die nichteingebürgerten Nationalspieler Aserbaidschans sind in der Regel ganz einfach zu erkennen: am letzen Buchstaben ihres Nachnamens. Sie heißen Agayev, Melikov, Amirgulyev oder Mammadov. Letztgenannter ist Mittelfeldspieler und einer, in den Berti Vogts große Hoffnungen setzt. Der 22-jährige Elvin Mammadov schoss in 20 Länderspielen sechs Tore, mit seinem Klub Qarabag Agdam schied er jüngst in der Europa-League-Qualifikation gegen Borussia Dortmund aus.

Berti Vogts

Vor dem Spiel gegen Deutschland stapelt Aserbaidschans Nationaltrainer tief.

(Foto: AP)

Berti Vogts sieht sich in Aserbaidschan "weniger als Nationaltrainer, mehr als Entwicklungshelfer". Er setzt auf eine gute Ausbildung der Nachwuchsspieler. Darum hat er einige 14-jährige Talente nach Deutschland geschickt - zu Bayern München und zu 1899 Hoffenheim. Und schon bald sollen vier weitere Jugendliche auf die Insel - zu Manchester United.

"Die beste Mannschaft der Welt"

Sein Team sei auf einem guten Weg, sagt der ehemalige deutsche Bundestrainer Vogts, doch gegen Deutschland sieht er keine Chance für seine Aserbaidschaner. "Im Fußball ist alles möglich", sagt Berti Vogts, "aber für uns ist keine Überraschung möglich." Schon in der Qualifikation zur WM in Südafrika traf Vogts zweimal auf sein Heimatland. Und verlor 0:2 und 0:4. Vor dem erneuten Duell schließt er jedes Wunder aus: "Im Moment ist Deutschland die beste Mannschaft der Welt. Kein Team ist besser aufgestellt."

Dabei gelangen seiner Mannschaft gerade gegen übermächtig erscheinende Gegner schon einige Überraschungen. Gegen Russland holte man im Oktober 2009 ein 1:1, kurz darauf gewann die Vogts-Truppe mit 2:0 gegen Tschechien.

Doch auch wenn jedes Fußballspiel 90 Minuten dauert und ab und an Wunder geschehen, wird sich an Vogts größtem Problem wohl auch langfristig nichts ändern: "Die Küche hier ist gut, das Bier ist gut, die Hauptstadt Baku ein Traum. Nur der Fußball hinkt hinterher."

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