Fifa: WM 2014 in Brasilien:Die Beute bleibt in der Familie

Der Brasilianer Ricardo Teixeira, designierter Kronprinz von Fifa-Chef Blatter, hat sich für die WM 2014 im eigenen Land ein Vertragswerk ausgedacht, das Korruption nicht einmal zu verbergen versucht. Er kassiert kräftig mit.

Thomas Kistner

Nicht mal Sepp Blatter dürfte geahnt haben, dass sein Weltverband Fifa - nach der als Säuberung gefeierten Verbannung zweier korrupter Vorstandsmitglieder vergangene Woche - derart flott wieder von der schmutzigen Geschäftsrealität im Weltfußball eingeholt werden würde. Doch Brasilien ist in Aufruhr, nachdem das Sportmagazin Lance in seiner jüngsten Ausgabe den Gesellschaftervertrag des Organisationskomitees COL für die WM 2014 in Brasilien präsentiert hat.

teixeira blatter

Zwei, die sich verstehen: Ricardo Teixeira (links) und Sepp Blatter.

(Foto: imago sportfotodienst)

Der liest sich, juristisch kaum verklausuliert, so: Der Gewinn, den COL mit der WM am Zuckerhut macht, wandert direkt in den Rachen von Ricardo Teixeira. Teixeira ist Präsident des Nationalverbandes CBF sowie des COL - und zudem, ganz privat, der einzige Gesellschafter des COL neben dem von ihm präsidierten CBF.

Ricardo Teixeira, seit Jahren auch Mitglied des Fifa-Vorstands, ist eine der düstersten Figuren im Weltsport. Für die Fußball-WM in seiner Heimat hat er sich nun ein Vertragswerk zurechtgeschustert, welches Korruption nicht mal im Ansatz zu verbergen versucht. Während bei vergangenen WM-Turnieren wie 2006 in Deutschland oder 2010 in Südafrika die jeweiligen Regierungen und Nationalverbände das Organisationskomitee bildeten, weist das brasilianische Dokument von April 2008 zwei höchst ungleiche COL-Gesellschafter aus: den Nationalverband CBF mit 99,99 Prozent Anteilen, daneben dessen Boss, Ricardo Teixeira, als Privatperson mit 0,01 Prozent.

2015 will er Blatter ablösen

Nach diesem Proporz wären etwaige Verluste der Gesellschaft zu verteilen, heißt es im Vertrag. Fallen hingegen Gewinne an - und die betrugen laut Fifa allein bei den WM-Organisatoren 2006 in Deutschland 256 Millionen Euro - dann entfällt jeder Proporzgeist. "Der Gewinn wird von den Gesellschaftern aufgeteilt, ohne Rücksicht auf Anteilsverhältnisse an der Gesellschaft", besagt Kapitel 5, Paragraf 1 des Kontraktes.

Das heißt, als Boss des Mehrheitsgesellschafters CBF verteilt Teixeira die Beute mit dem einzigen Minderheitsgesellschafter: dem Privatmann Teixeira. Da wird sich gewiss ein guter Konsens finden lassen. Der doppelte Teixeira ließ alle Anfragen zum delikaten Sachverhalt unbeantwortet.

Proteste in Brasilien

Während Brasilien über die letzten eineinhalb Jahrzehnte zum Schwellenland aufstieg und wirtschaftlich wie politisch internationale Achtung erwarb, stecken die Verhältnisse im Fußball des Landes tief in der Junta-Ära der Siebzigerjahre fest. Damals regierte der affärenumtoste João Havelange den Verband, 1974 stürmte er auch den Fifa-Thron, wo ihm erst 24 Jahre später sein politischer Ziehsohn Blatter folgte. In der Heimat baute Havelange Teixeira zum CBF-Chef und Fifa-Vorständler auf. Zwar hatte Teixeira, ein verkrachter Finanzjongleur, keinen Bezug zum Fußball, dafür zeichnete ihn etwas anderes aus: Er ehelichte Havelanges einzige Tochter Lucia.

Teixeiras dubiose Geschäfte untersuchten längst Parlamentsausschüsse in Brasilia, das Fußballidol Pelé bezichtigte ihn in seiner Zeit als Sportminister offen der Korruption. Aber der Funktionär genießt Protektion, er hält den Fußball eisern im Griff. Und über diverse Unternehmenskonstrukte, die er zum Teil mit Schwiegerpapa Havelange betrieb, zweigte Teixeira immer wieder Geld ab: Mindestens 2,5 Millionen Franken wurden allein im Strafprozess um die bankrotte Fifa-Hausagentur ISL ruchbar.

Längst okkupieren Onkel und Vettern Teixeiras Schlüsselstellen im heimischen CBF, auch in die Fifa-Kommissionen drangen sie vor: Marcelo Teixeira ins Organisationskomitee der Klub-WM, Marco Antonio Teixeira in jenes der U-20-WM. Und kürzlich erst rief Havelange, 94, der unverwüstliche Gottvater des Geschäfts, die Fifa-Erbfolge aus: "2011 wird Blatter wiedergewählt, 2015 ist Ricardo dran", sagte er der Presse in Rio. Teixeira wäre dann im Zenit der Karriere: die Fußball-WM in der Heimat gerade vorbei, die Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro direkt vor der Brust.

Doch der unsittliche Vertrag für die WM 2014 weckt Proteste in Brasiliens Öffentlichkeit, und die ist einiges gewohnt. Das Ministério Público fordert ebenso eine Untersuchung wie Gustavo Tavares Borba, der Chef des Handelsausschusses. Er trägt bereits weitere Einwände vor. So fehle es im Vertrag an einer Schiedsstelle, ebenso am Plazet der Fifa dafür, dass das LOC deren Markenbegriff im Firmennamen (Copa do mundo Fifa 2014 - Comite Organizado Brasileiro Local) trägt. Aber die Fifa, die ist für Teixeira ja Familiensache.

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