Fußball: Wettskandal:Prahlereien aus Neapel

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Spekulationen um eine manipulierte Bundesliga-Partie: Die Staatsanwaltschaft in Neapel ermittelt gegen einen italienischen Spieler, der das Ergebnis der Partie Bochum - Cottbus aus dem Jahr 2009 schon vorher gewusst haben soll.

Andreas Burkert

Claus-Dieter Wollitz war bedient genug nach dem 0:0 gegen Union Berlin, fluchend kommentierte der Trainer den Schlusspfiff, mit dem die Punktverluste des FC Energie Cottbus im Kampf um den Aufstieg amtlich waren. Das Thema, über das er anschließend reden musste, stieß ihm trotzdem weitaus mehr auf als die niveauarme Nullnummer im Ostderby der zweiten Fußball-Bundesliga.

"Lass mich mit dem Scheiß in Ruhe" - Cottbus-Coach Claus-Dieter Wollitz hatte nach dem 0:0 gegen Union Berlin keine Lust über mutmaßliche Manipulation zu reden. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Mutmaßliche Wettmanipulationen haben ihn ja in der Vergangenheit schon reichlich Nerven gekostet, sein früherer Klub VfL Osnabrück war von umfangreichen Ermittlungen betroffen, sie sind auch Gegenstand des aktuellen Betrugsprozesses vor dem Bochumer Landgericht. "Lasst mich mit dem Scheiß in Ruhe", habe er deshalb gedacht, als nun die Kunde von einem neuen Verdacht eintraf, erzählte Wollitz am Montag. "Dieser Mist verfolgt mich ja."

Wollitz ist noch nicht Trainer in Cottbus gewesen, als der FC Energie 2:3 beim VfL Bochum verlor; um diese Erstliga-Partie des 22. Spieltages vom 28. Februar 2009 geht es diesmal. Laut der Gazzetta dello Sport soll ein italienischer Spieler in einem abgehörten Telefonat geprahlt haben, er habe das Endergebnis dieses deutschen Abstiegsderbys "schon eine halbe Stunde vorher gewusst". Gegen den Italiener ermittelt die Staatsanwaltschaft Neapel offenbar in der Affäre "Golden Goal" wegen Betrugverdachts.

Erinnerungen an Hoyzer

Somit steht nach Jahren wieder eine Bundesliga-Partie im Zentrum von Spekulationen. Im Skandal um den geständigen Schiedsrichter Robert Hoyzer hatte dieser 2005 behauptet, sein Kollege Jürgen Jansen habe die Partie Kaiserslautern - Freiburg vom 27. April 2004 (3:0) nicht korrekt geleitet. Jansen bestritt die Vorwürfe. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) suspendierte ihn, die Ermittlungsverfahren von Staatsanwaltschaft und DFB-Gremien wurden jedoch eingestellt.

Jansen pfiff kein Spiel mehr. Im Sommer 2008 tauchte dann im Zuge von Ermittlungen gegen den der Wettmanipulation überführten Malaysier Bee Wah Lim erneut ein Bundesligaspiel auf: In Asien habe es angeblich markante Quotenbewegungen auf das Duell Hannover - Kaiserslautern vom 26. November 2005 (5:1) gegeben. Über Ermittlungsstände hierzu ist nichts bekannt.

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des Spieltags

Angesichts der nun in Neapel angeblich aktenkundigen Partie Bochum - Cottbus und des damaligen Spielverlaufs erscheint zumindest eine Recherche angemessen zu sein. Er habe bei einer Live-Wette 1,2 Millionen gewonnen, weil er 20 Minuten vor Spielende auf die dann auch eingetretene Wende der Partie gesetzt habe, berichtete der Italiener angeblich in dem mitgeschnittenen Telefonat. Und: In Bochum stand es damals 20 Minuten vor Spielende 2:2 - ehe ein sehr umstrittener Elfmeter dem VfL in der 79. Minute das 3:2 brachte. Mögliche Vorwürfe könnten sich demnach gegen Schiedsrichter Markus Schmidt (Stuttgart) richten.

Das Spiel, um das es bei den Manipulationsvorwürfen geht: Bochum gegen Cottbus im Februar 2009. (Foto: dapd)

"Eine leichte Berührung bei Sestak ahndete er mit Elfmeter, hätte dann aber auch bei Attacken von Fuchs an Rangelov (24.) und Imhof an Iliev (87.) auf Strafstoß entscheiden müssen", steht im kicker-Archiv über den 39-jährigen Referee, der seit 2003 in der Bundesliga pfeift. Gesamturteil: "Note 6". "Das war schon merkwürdig, obwohl Herr Schmidt einer der besseren Schiedsrichter ist", sagt Energie-Chef Lepsch heute im Rückblick. Schmidts Name tauchte bislang nirgends in den Wettaffären auf. Diese Spielzeit leitete er bislang sechs Bundesliga-Duelle.

DFB ermittelt nicht

Klubchef Lepsch äußerte am Montagabend dennoch den Wunsch, "dass DFB und DFL gut ermitteln". Sein Verein war am Ende der betroffenen Spielzeit abgestiegen, wegen eines fehlenden Punktes in der Tabelle. In seinem Sinne wäre es wohl, wenn deutsche Staatsanwaltschaften und/oder der DFB mit der Behörde in Neapel in Kontakt träten. Doch ein solches Interesse ist offensichtlich nicht vorhanden.

Dem DFB lägen "bislang keine Erkenntnisse und konkreten Hinweise auf eine mögliche Manipulation des Bundesligaspiels zwischen dem VfL Bochum und dem FC Energie Cottbus vor", teilte der Verband mit, "nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Bochum, bei der die Zuständigkeit für die aktuellen Wettmanipulationsfälle liegt, ist das Spiel auch dort nicht Gegenstand der laufenden Ermittlungen".

Das hatte allerdings auch niemand behauptet. Die Bochumer Behörde gab sich ebenfalls sehr reserviert, es gebe "keine Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Neapel und im Moment auch keine Bemühungen, Erkenntnisse zusammenzuführen". Wollitz und die Cottbuser wird "der Mist" noch ein Weilchen verfolgen. Für Ermittlungen in ihrer Sache, das ist der Eindruck, sieht aber hierzulande keine Instanz einen Anlass.

© SZ vom 15.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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