Fußball-WM: Diskussion:Auszeit für die Gerechtigkeit

In vielen Profisportarten ist es längst üblich, strittige Entscheidungen während des Spiels anhand von Fernsehbildern zu überprüfen. Nur im Fußball nicht - aus welchen Gründen auch immer.

Joachim Mölter

Wogegen sich der Fußball-Weltverband Fifa seit Jahren vehement wehrt, ist in anderen Sportarten längst Usus: Bei strittigen Spielszenen Fernsehaufnahmen oder andere technische Hilfsmittel zu Hilfe zu nehmen, um noch auf dem Feld eine Schiedsrichter-Entscheidung zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Vor allem die amerikanischen Profiligen waren dabei Vorreiter. Die American-Football-Liga NFL führte bereits 1986 das sogenannte Instant Replay ein; nach einer zwischenzeitlichen Pause ist das überarbeitete System seit 1999 wieder in Betrieb. Und zwar so effizient, dass es von anderen Organisationen übernommen wurde, in verschiedenen Varianten, je nach den Bedürfnissen.

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Ein Schiedsrichter beim American Football überprüft seine Entscheidung per Videobeweis.

(Foto: online.sdesport)

In der NFL haben die Trainer zweimal pro Partie die Gelegenheit, Schiedsrichter-Entscheidungen anzufechten, allerdings nur in klar definierten Situationen: Wenn es um Punkte geht oder Fragen des Ballbesitzes zum Beispiel. Der Hauptschiedsrichter muss sich dann die Szene an einem eigens dafür am Spielfeldrand installierten Monitor ansehen; er hat 90 Sekunden Zeit, Fernsehbilder aus allen möglichen Perspektiven zu betrachten. Um eine Entscheidung zu revidieren, muss ein "unzweifelhafter Augenscheinbeweis" vorliegen; ist die Szene nicht eindeutig zu klären, bleibt die Tatsachenentscheidung des siebenköpfigen Schiedsrichtergespanns bestehen. D

amit die Trainer nicht willkürlich oder nur aus taktischen Gründen das rote Tuch werfen, mit dem sie einen Einspruch signalisieren, hat die NFL verfügt, dass Mannschaften eine ihrer maximal drei Auszeiten verlieren, falls die Beschwerde sich als grundlos herausstellt. Und in den letzten zwei Spielminuten pro Halbzeit dürfen die Coaches auch nicht mehr reklamieren - das soll verhindern, dass sie Zeit schinden, um die Pausen für kurze, taktische Besprechungen zu nutzen. Dafür kommt in Zweifelsfällen ein Oberschiedsrichter zum Einsatz, der von einer Fernsehkabine aus seine Kollegen auf dem Feld anweist, den einen oder anderen Spielzug noch mal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Im Gegensatz zu ihren Kollegen beim Football haben Basketball-, Eishockey- und Baseball-Trainer in Nordamerika keine Chance, einen Videobeweis zu fordern; da entscheiden die Profi-Referees selbst, ob sie bestimmte Szenen genauer anschauen wollen. Dabei sind in der Eishockey-Liga NHL ihre Möglichkeiten auf Torszenen beschränkt; dafür ist eine Kamera über dem Tor installiert. Im Basketball-Unternehmen NBA dienen die Fernsehbilder zur Klärung, ob ein Wurf zwei oder drei Punkte zählt; das hängt von der Entfernung zum Korb ab, die durch eine Linie markiert ist.

Kein Unterstützung durch die Fifa

Außerdem werden Bilder genutzt, um festzustellen, ob ein Wurf vor Ablauf der zur Verfügung stehenden Zeit abgegeben wurde - 24 Sekunden bei gewöhnlichen Angriffen oder aber rechtzeitig vor der Schlusssirene. Selbst in der allen Neuerungen skeptisch gegenüberstehenden Baseball-Organisation MLB gibt es seit zwei Jahren ein Instant-Replay-System, auch dort sind die Vorgaben für einen Einsatz strikt: Im Grunde dürfen die Unparteiischen nur feststellen, ob ein Punkt korrekt erzielt worden ist oder eben nicht.

Auch in europäisch geprägten Sportarten werden zunehmend Video- oder Fernsehaufnahmen zugelassen. So hat der Internationale Hockey-Verband IHF bei der Champions Trophy im vorigen Jahr erstmals den Spielführern der beteiligten Mannschaften eine Einspruchsmöglichkeit pro Halbzeit gewährt. Wie in den anderen Teamsportarten (und auch im Cricket und Rugby beispielsweise) ist auch im Hockey der Videobeweis auf entscheidende Spielsituationen beschränkt: Tore, Strafecken, Siebenmeter.

In Einzelsportarten haben sich technische Hilfsmittel ebenfalls bewährt, im Tennis das sogenannte Hawk-Eye, um dessen Einführung es jahrelange Diskussionen gegeben hatte. Beim Hawk-Eye - wörtlich übersetzt: Falkenauge - wird mittels Bilder mehrerer Videokameras und eines Computerprogramms bestimmt, ob ein Ball im Spielfeld oder außerhalb gelandet ist, was für Punktgewinne maßgeblich ist. Die Tennisprofis haben dreimal pro Satz die Chance, eine diesbezügliche Entscheidung überprüfen zu lassen.

Der Erfinder dieses Systems, ein gewisser Paul Hawkins, hatte vor drei Jahren damit begonnen, ein ähnliches System für den Fußball-Weltverband zu entwickeln: Es sollte zumindest zu klären sein, ob der Ball die Torlinie in vollem Umfang überquert hat. Aber die Fifa hat schon bald ihre Unterstützung für das Projekt zurückgezogen. Aus welchen Gründen auch immer.

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