Kommentar:Neue Sammers

Das Erbe des verstorbenen Altkanzlers Helmut Kohl reichte auch in den Fußball hinein.

Von Sebastian Fischer

An diesem Wochenende wurde an ein für die Fußballgeschichte besonderes Telefonat erinnert. Am einen Ende der Leitung sprach damals, 1994, der am Freitag verstorbene Altkanzler Helmut Kohl, am anderen Ende Berti Vogts, der Bundestrainer. Deutschland war im WM-Viertelfinale gegen Bulgarien ausgeschieden, Vogts wurde zum Rücktritt gedrängt. Kohl, verriet Vogts später, habe ihn davon abgehalten. Die beiden wurden Freunde und Deutschland unter Vogts 1996 Europameister. Doch des Altkanzlers Erbe für den Fußball ist nicht nur deshalb bedeutsam.

Ostdeutsche Klubs wurden einst geradezu ausgewrungen

DFB-Präsident Reinhard Grindel hat dem Kanzler der Einheit, zu dessen Ehren die Nationalmannschaft am Montag gegen Australien mit einem Trauerflor aufläuft, in seiner Kondolenz für die "Einheit des Fußballs" gedankt. Nach der Wiedervereinigung wurde der Dresdner Matthias Sammer deutscher Nationalspieler und Europas Fußballer des Jahres, Ulf Kirsten aus Riesa wurde dreimal Bundesliga-Torschützenkönig, Bernd Schneider aus Jena der beste "Schnix" aller Zeiten und Michael Ballack aus Görlitz der "Capitano". "Der deutsche Fußball wird auf Jahre hinaus unschlagbar sein", hatte Franz Beckenbauer 1990 gesagt. Das war zwar falsch, doch dass Fußballer aus Ostdeutschland im DFB reüssierten, stimmte schon. Heute? Toni Kroos aus Greifswald wird geschont, deshalb findet sich im Kader für den Confed Cup kein Spieler, der in den neuen Bundesländern angelernt wurde. In der U 21 ist Maximilian Arnold aus Riesa der einzige im Osten ausgebildete Fußballer - aber die entscheidenden Schritte in Richtung Profigeschäft machte er beim VfL Wolfsburg.

Der Fußball im Osten, das zeigt diese Momentaufnahme, darbte am Ende der Neunziger- und zu Beginn der Nullerjahre, in denen die heutige Spielergeneration heranwuchs. Westdeutsche Fußballfunktionäre, welche, getrieben von Gewinnsucht, die Ostklubs geradezu auswrangen, waren daran nicht unschuldig. Für eine fiktive ostdeutsche Nationalmannschaft musste das Magazin 11 Freunde vor ein paar Jahren noch lauter Zweitligaspieler nominieren.

Heute ist Kohls Erbe dennoch nicht in Gefahr - und zwar ausgerechnet dank der ausgewiesenen Repräsentanten des Kommerzfußballs im Lande. Kein Klub in Deutschland wirbt in diesen Tagen so aggressiv um Talente wie RB Leipzig und bildet sie derart akribisch aus. Folglich spielen von der U 15 bis zur U 19 elf deutsche Juniorennationalspieler bei RB, so viele wie bei keinem anderen Klub. Die neuen Sammers und Ballacks, sie kommen bald aus Leipzig.

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