Louis van Gaal im Interview:"Deutsche Spieler sind wunderbar"

Ein Gespräch mit Bayern-Trainer van Gaal über seine großen Hoffnungen in Breno, den Verzicht auf teure Transfers - und die Tatsache, dass er lediglich drei Spielern einen Stammplatz verspricht.

K. Hoeltzenbein, M. Kielbassa, M. Neudecker

SZ: Wird sich etwas Grundlegendes ändern in Ihrem zweiten Jahr bei Bayern?

Louis van Gaal: Das Einstiegsniveau ist diesmal höher. Weil wir wahrscheinlich unser bewährtes System spielen. Weil die Spieler jetzt verstehen, was ich will. Und weil sie sich gewöhnt haben an meine direkte Art, zu kommunizieren. Am Anfang glaubten sie noch - wie das in Deutschland üblich ist -, dass sie alle meine Anweisungen wörtlich umsetzen müssen. Das stimmt nicht, ich gebe keinen schematischen Fußball vor. Ich gebe nur Hinweise, und situativ entscheiden müssen die Spieler auf dem Platz selbst.

SZ: Ist der FC Bayern für Sie noch immer der passende "warme Mantel"?

van Gaal: Die Werte hier, die Regeln, die Leidenschaft der Spieler - das ist das Beste, das mir als Trainer je begegnet ist. Deutsche Spieler sind wunderbar.

SZ: Personell scheint sich im Kader erstaunlicherweise nicht viel zu ändern.

van Gaal: Moment: In der Verteidigung kommt Breno zurück, ein schneller Spieler, mit dem wir, wenn er gut genug ist für die erste Elf, auch besser von hinten herausspielen könnten. Dann haben wir jetzt Contento für links hinten, deshalb werde ich versuchen, Badstuber wieder zum linken Innenverteidiger zu machen. Als Außenverteidiger ist Contento besser als Badstuber, und ein Linksfuß als linker Innenverteidiger passt auch besser zu meinem Stil.

SZ: Es wird also zwischen den Innenverteidigern Demichelis, van Buyten, Badstuber und Breno einen Konkurrenzkampf geben, der bei Null beginnt?

van Gaal: Bei mir gibt es keine Stammplätze. Nur die Kapitäne van Bommel, Lahm und Schweinsteiger haben etwas mehr Rechte. So bekommt jeder wieder seine neue Chance.

SZ: Auch im Sturm? Auch Mario Gomez? Auch Miroslav Klose?

van Gaal: Beide, natürlich. Klose hat eine gute WM gespielt. Sie sehen, es gibt also in unserem Kader noch sehr viele Möglichkeiten, uns zu verbessern - und es kommt Toni Kroos hinzu, an den ich hohe Erwartungen habe.

SZ: In welcher Rolle?

van Gaal: Nummer zehn. Er kann auch außen spielen, aber er hat nicht die Schnelligkeit für Dribblings am Flügel wie Ribéry. Kroos hat Kreativität. Aber erst einmal muss sich Kroos als Zehner gegen Müller durchsetzen - und der war der Beste der Weltmeisterschaft!

SZ: Der FC Bayern ist auf dem Transfermarkt sehr defensiv, gesucht wird allenfalls ein Außenverteidiger? Gehandelt werden Fabio Coentrao von Benfica Lissabon für links. Oder Gregory van der Wiel von Ajax Amsterdam für rechts.

van Gaal: Es geht nicht nur darum, irgendeinen Spieler zu kaufen. Der Spieler muss in mein Gesamtbild passen. Ich will jede Position doppelt besetzen. Rechts hatten wir zuletzt nur Lahm, der Gott sei Dank immer spielen konnte. Also brauche ich eigentlich einen neuen Rechtsverteidiger. Aber van der Wiel ist kein Ersatz für Lahm, er war Stammspieler bei der WM und bei Ajax. Und links haben wir Contento und Braafheid.

SZ: Das heißt?

van Gaal: Wenn wir einen Linksverteidiger holen, müsste er besser sein als die beiden. Und es ist in Absprache mit dem Vorstand auch eine Preisfrage. Für einen linken Verteidiger gebe ich keine 30 Millionen Euro aus. Und auch keine 15.

"Mir reichen 22 Mann"

SZ: Ein Wechsel Lahms von rechts zurück nach links ist für Sie kein Thema?

van Gaal: Meine Philosophie ist, dass die Spieler auf ihrer besten Position ihre Identität finden. Deshalb ist Lahm von links nach rechts gegangen. Ergebnis: bessere Verteidigung, mehr Aktion nach vorne, mehr Flanken. Sie verstehen?

SZ: Für den FC Bayern sind Sie gerade ein sehr angenehmer Trainer. Sie fordern überhaupt keine neuen Spieler.

van Gaal: Ich bin immer ein angenehmer Trainer für meinen Verein. Jeder meiner Klubs hat viel Geld verdient: Ajax konnte die Arena bauen, Barcelona hatte hohe Einnahmen, auch AZ Alkmaar. Das klingt jetzt arrogant, aber das ist Fakt.

SZ: Auch der FC Bayern ist nun zig Millionen Euro reicher, allein durch den gekletterten Marktwert von Müller.

van Gaal: Und denken Sie bitte an das eingesparte Gehalt von Toni, Sosa oder Ottl. Und an die Ablöse für Lúcio. Was hat die Presse geklagt vor einem Jahr: Das kann doch nicht sein, dass Lúcio geht, so ein guter Verteidiger, nein (van Gaal ahmt mit Emphase einen weinenden Menschen nach)! Aber ich wusste: Lúcio kann nur so verteidigen, wie es Inter tut - und so will ich nicht spielen. So, wie ich hinten spielen will, das kann Lúcio nicht, das sah man auch bei der WM.

SZ: Trotzdem wollen Sie von all den erlösten Millionen nichts reinvestieren?

van Gaal: Ich bin zufrieden, ich will arbeiten. Ich habe die Spieler, die ich brauche. Und ich habe zu diesen Spielern eine Relation. Klar kann ich van der Wiel kaufen. Und dann: Geht Lahm nach links? Und was passiert dann mit Contento oder Braafheid? Ich will die Spieler, die ich habe, verbessern. Wir müssen eher noch Spieler verkaufen, wie im vorigen Winter. Sie haben damals geschrieben: Wie kann van Gaal das machen? Aber nur deswegen waren wir in der Rückrunde so erfolgreich, nur deshalb wurden wir Meister und Pokalsieger. Ha! Jeder Spieler braucht eine Perspektive, wer keine Motivation hat, ist ein Störfaktor. Mir reichen 22 Mann. Drei Spieler für eine Position bedeutet schon: Zu einem der drei habe ich kein Vertrauen.

SZ: Haben Sie Sorge, dass ausländische Topklubs Schweinsteiger oder Müller abwerben könnten?

Van Gaal: Viele meiner Spieler haben Angebote. Aber alle sagen: Bayern München ist gut, hat Erfolg und hat einen guten Trainer. Wir bleiben.

SZ: Ihre Nationalspieler sehen Sie erst am 2. August wieder. Franz Beckenbauer spricht von der "schlechtesten Vorbereitung" in der Geschichte der Bayern.

van Gaal: Da hat er Recht. Fußball ist eine Zusammenarbeit von Spielern. Aber die, die in der Bundesliga spielen, kommen erst spät - und gehen gleich wieder zum Länderspiel (11. August in Dänemark). Wahnsinn! Und wenn sie sich dort verletzen, wer bezahlt dann? Ich weiß, dass ein Lahm oder ein Müller nach einer langen Pause sofort wieder gut spielen können. Aber Robben kann das nicht nach einer Woche, auch nicht Ribéry oder Kroos, auch Schweinsteiger und van Bommel werden Mühe haben. Der Anfang der Saison wird wieder schwierig, aber vielleicht überraschen mich die Spieler.

SZ: Vorstandschef Rummenigge sagt: Der Trainer kriegt das schon hin bis zum ersten Spieltag.

van Gaal: Das ist leicht gesagt.

Das vollständige Interview mit Louis van Gaal lesen Sie in der Montagsausgabe der Süddeutschen Zeitung. Darin spricht der Niederländer unter anderem über die Lehren aus der Weltmeisterschaft, seine Probleme mit Inters Taktik im Champions-League-Finale und seine Angewohnheit, die Bayern-Spieler während des Trainings Xavi und Iniesta zu nennen.

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